Zu den Geheimverhandlungen der USA und Kanadas mit der EU
Freihandelsabkommen gegen freien Handel
Die Konzerne sägen an den Grundpfeilern der Demokratie. Das ist die neue Qualität in den gegenwärtigen Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA.
Das Werkzeug sind die sogenannten Schiedsgerichte. Mit ihren Entscheidungen über astronomische Schadensersatzforderungen werden parlamentarische Gremien zu politischen Entscheidungen im Interesse der Konzerne erpreßt.
Das bekommen gerade die im Tal von Rosia Montana lebenden Rumänen zu spüren. Dort befinden sich die größten Gold- und Silbervorkommen Europas. Die Schürfrechte hat das kanadische Unternehmen „Gabriel Resources“. Das arbeitet mit dem Gift Zyanid, wodurch auf einer Fläche von 2388 Hektar Boden und Wasser verseucht wurden. Daraufhin hat das Parlament im November vergangenen Jahres dem Unternehmen die Lizenz entzogen. Der Konzern verlangt nun vor dem Wiener Schiedsgericht Schadensersatz in Höhe von vier Milliarden Dollar. Der Regierung war abgeraten worden, diesen durch zahlreiche Organisationen geforderten Schritt zu tun. Neuseeland ist da vorsichtiger. Es wollte aufdringliche Reklame auf den Zigarettenpackungen verbieten. Doch nun wird erst mal abgewartet. Einen solchen Vorstoß hatten zuvor schon Australien und Uruguay unternommen und damit den Tabakkonzern Philipp Morris gegen sich aufgebracht. Der verklagte nunmehr beide Regierungen vor Schiedsgerichten. Die Neuseeländer warten diese Schiedssprüche zunächst einmal ab, um zu sehen, wie die Gerichte Philipp Morris vor den Ansprüchen der Regierungen auf Gesundheit ihrer Bürger schützen.
Solche Schiedsgerichte sind tatsächlich, wie die Befürworter von TTIP und CETA die Öffentlichkeit beruhigen wollen, nicht neu. Neu ist hingegen, daß die BRD, welche sie miterfunden und jahrelang am meisten von ihnen profitiert hat, nun plötzlich selbst betroffen ist. Da wurden die Hamburger Senatoren bei ihrer morgendlichen Zeitungslektüre von der Meldung überrascht, ihre Auflagen an den Energiekonzern Vattenfall für den Betrieb des Moorburger Kohlekraftwerks seien hinfällig. Der Konzern ist vor ein solches Schiedsgericht gezogen, um dafür Schadensersatz in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zu fordern. Ohne erst die Hamburger zu fragen, schloß die Bundesregierung allein auf diese Drohung hin einen Vergleich mit Vattenfall. In gleicher Weise will jetzt dieser Konzern die Bundesregierung wegen ihres Ausstiegs aus der Kernenergie zur Kasse bitten.
Was derzeit hinter verschlossenen Türen für das TTIP zwischen der EU und den USA beziehungsweise für das unterschriftsreife CETA mit Kanada ausgehandelt wird, besitzt eine neue Qualität. Es kann wegen des Verlusts erwarteter Gewinne geklagt werden. Spekulative Transaktionen am Finanzmarkt gelten als Investitionen.
Als Hermann Abs von der Deutschen Bank und der britische Lord Shawcross 1959 darüber sinnierten, wie das in die entstehenden jungen Nationalstaaten exportierte Kapital abgesichert werden könnte, entwarfen sie eine „Übereinkunft zu Investitionen im Ausland“. Heute heißt so etwas Investorenschutz, womit die Sicherheit der Investoren vor Beschlüssen nationaler Parlamente gemeint ist. Der Geniestreich von Abs und Shawcross findet sich in der Klausel: „Jede Partei hat zu allen Zeiten einer fairen und billigen Behandlung hinsichtlich des Eigentum von Staatsangehörigen der anderen Parteien sicher zu sein.“
Allein aufgrund dieser Formel, die dem Sinn nach seither in allen 3000 Investitionsschutzabkommen enthalten ist, obsiegen US-Konzerne derzeit bei drei Vierteln ihrer Klagen. Selbst Volksentscheide werden außer Kraft gesetzt. An die Stelle des Souveräns treten Konzerne und Banken. Die Tendenz ist steigend. Waren 1996 insgesamt 38 Klagen bei der Weltbank registriert, so stieg diese Zahl im Vorjahr auf 100 Fälle mit einem Gesamtstreitwert von über 25 Milliarden Dollar. Hinzu kommen Prozeß- und Anwaltskosten zwischen 8 Mill. und 30 Mill. Dollar je Klage. Die Schiedsgerichte bestehen nicht aus formell unabhängigen Richtern. Sie setzen sich vielmals aus drei Advokaten zusammen, wovon die streitenden Parteien jeweils einen benennen, während sich beide Seiten auf den dritten einigen. Zumeist stammen die Juristen aus tonangebenden Anwaltskanzleien, die sich dann mit ihren Schiedssprüchen ihr eigenes Recht schaffen. Sie verdienen um so mehr, je höher die Streitsummen sind und je länger die Prozesse dauern. Aus diesem lukrativen Geschäft entsteht derzeit ein neuer parasitärer Wirtschaftszweig mit eigenen Ausbildungseinrichtungen und Versicherungen. Revisionsmöglichkeiten gegen die Schiedssprüche gibt es nicht.
So geheim, wie die Verhandlungen um die Freihandelsabkommen TTIP und CETA geführt werden, so intern sind auch die Prozesse. Schon wenn Unternehmen solche Fälle vor regulären Gerichten austragen, was ebenfalls möglich ist, sind die Verhandlungen geheim. Beim Verkauf des größten kommunalen Unternehmens Deutschlands, den Berliner Wasserbetrieben, hat erst ein Volksentscheid erzwungen, daß die Verträge offenzulegen waren, woraufhin die Betriebskette zurückgekauft werden mußte. Wenn CETA und TTIP erst greifen, sind trotz gegenteiliger Bekundungen der EU-Kommission der Privatisierung dieses wichtigsten Lebensmittels Tür und Tor geöffnet.
Regierungen können solche Prozesse nach einem kräftigen Aderlaß zugunsten der Anwälte auch mal gewinnen. Erreicht haben sie damit aber nicht mehr als die Zusicherung des Privatgerichts, daß ihre Entscheidung zu „Recht“ bestehe. Dieses Risiko weiß ein cleverer Konzern dadurch zu vermeiden, daß er sich zuvor versichert.
Gegen TTIP und CETA mehrt sich der Protest. Dem tragen auch die etablierten Parteien Rechnung. Experten geben allerdings keinen Pfifferling auf die distanzierte Haltung des Vizekanzlers Gabriel. Er wird kaum über den Schatten der SPD-Führung springen, die sich seit 100 Jahren dem Kapital andient. Die Grünen – einst eine Friedenspartei – und nun auch Die Linke haben gezeigt, daß sie Prinzipien gegen Ministerposten zu tauschen bereit sind.
Die Abkommen bevorzugen ausländische Unternehmen und jene großen Konzerne, die sich die teuren Klagen leisten können. Der Öffentlichkeit wird Sand in die Augen gestreut: Bei den Verhandlungen gehe es um neue Arbeitsplätze und höheren Wohlstand. Das gilt lediglich für die Anwälte, deren Rechnungen durch die Steuerzahler zu begleichen sind.
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