In einer nichtrevolutionären Etappe
über die Revolution nachdenken!
Für ein marxistisches Ausbruchsprogramm
Im RF vom April 2013 veröffentlichte ich den Beitrag: „Strategische Überlegungen in einer nichtrevolutionären Etappe – Lenins ‚Was tun?‘ aus heutiger Sicht“.
Diese Schrift, die 1902 erschien, gilt als Meilenstein auf dem Weg zum Sieg der Bolschewiki im Oktober 1917. Kernaussagen der Arbeit haben bis heute ihre Gültigkeit behalten. Man darf Lenins Frage nicht schematisch-dogmatisch beantworten. Der RF hat hierzu einen vorzüglichen Klärungsbeitrag geleistet. Er machte nicht nur gegen „linke“ Revoluzzer energisch Front, sondern wies auch Versuche zurück, den Marxismus rechtsopportunistisch oder „marxistisch verbrämt“ bei gleichzeitiger Negierung der Parteitheorie der Klassiker zu offerieren.
Auf der Tagesordnung steht jetzt die Problematik eines historischen Übergangsprogramms für hochentwickelte kapitalistische Länder. Das verlangt zu-gleich, über den Sozialismus der Zukunft schon jetzt nachzudenken. Hierfür ist auf der Grundlage der Erkenntnisse von Marx, Engels und Lenin sowie anderer bedeutender Marxisten unsere Theorie weiter zu vervollständigen.
Lenins Rat für das Heute könnte zumindest, was den mittelfristigen Prozeß der erneuten Formierung einer massengestützten marxistischen Vorhutpartei in Deutschland betrifft, nur so lauten: Bei der Gestaltung eines Übergangsprogramms – ich selbst nenne es Ausbruchsprogramm – ist unerläßlich, theoretische und praktische Vernunft walten zu lassen. Es sollte die Tür für die Mitarbeit unterschiedlicher kommunistischer Zusammenschlüsse öffnen – und zwar unabhängig von bestehenden Differenzen. Maßstab sollte der historische Händedruck von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl sein. Differenzen können perspektivisch nur auf dem Boden der gemeinsamen Weiterentwicklung des Marxismus unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts überwunden werden. Auch eine politische Blockbildung als Gegenmacht, bei der Sozialisten, aufrichtige Demokraten und progressive Christen nicht ausgeschlossen werden, ist in die Erwägungen einzubeziehen.
Der imperialistische Spätkapitalismus befindet sich aus meiner Sicht in seiner permanenten Endkrise. Auf obskure Weise bildet sich immer mehr eine Diktatur der Finanzmärkte heraus. Das Kapital betreibt – gestützt auf fiktive Börsenspekulationen – eine reine Bereicherungsstrategie. Die Gesellschaft wird einzig und allein dem Profitmechanismus des Finanzkapitals unterworfen. Durch die enorme Vergesellschaftung der Produktion pocht indes objektiv eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaft an die Tür der Geschichte, obgleich es Ausbeutern noch auf längere Sicht gelingen dürfte, ihren Untergang aufzuhalten. Denn sozialistische Revolutionen sind in den am meisten entwickelten kapitalistischen Staaten noch nicht in Sicht. Die Niederlage des frühen Sozialismus in Osteuropa und der UdSSR erweist sich als das schwerste und folgenreichste Debakel in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Deshalb steht wahrscheinlich für eine längere historische Etappe der Kampf um Reformen spezifischer Art auf der Tagesordnung, der über evolutionäre Wege und revolutionäre Brüche in diesen oder jenen gesellschaftlichen Bereichen den Weg in eine sozialistische Gesellschaft bahnen könnte.
Der strukturelle Umriß eines Ausbruchsprogramms zeigt sich zunächst vor allem in Abwehrforderungen. Sie sind auf die Verteidigung des bürgerlichen „Sozial- und Rechtsstaates“ gerichtet. Hierbei muß aber zugleich auch die Eigentumsfrage gestellt werden, wenngleich Eingriffe in die Verfügungsgewalt des Kapitals zunächst noch nicht möglich sind. Das Demokratieerfordernis ist der fundamentale Faktor eines Ausbruchsprogramms. Dabei geht es nicht nur um politische, sondern auch um ökonomische und soziale Demokratie. Neuer Staatstyp in historisch langfristiger Umsetzung des entscheidenden Anliegens könnte ein sozialistischer Sozial- und Rechtsstaat werden, der mit seiner Geburt den bürgerlichen Staat dialektisch negiert. Es handelt sich um die Macht des Volkes unter Führung der zeitgenössischen Arbeiterklasse. Die internationalen Rahmenbedingungen eines Ausbruchs sind dabei unbedingt in Rechnung zu stellen.
Jeder Marxist weiß, daß es für einen sozialistischen Neuanfang der Herausbildung eines subjektiven Faktors als führender politischer Kraft bedarf. Gegenwärtig steht seine Formierung noch weitgehend aus.
Aus meiner Sicht könnte heute in der BRD nur die DKP Impulsgeber für die Gestaltung eines solchen Ausbruchsprogramms sein. Sie hat bereits in der Vergangenheit zum Thema „Übergänge zum Sozialismus“ (Marxistische Blätter 3-04) mit ihren Leverkusener Konferenzen erheblichen Erkenntnisgewinn erzielt, der leider nicht weitergeführt worden ist. Die vierte dieser Konferenzen wandte sich zwar mit dem Beitrag Robert Steigerwalds eindeutig gegen reformistische Theoretiker aus den Reihen der Partei Die Linke, blieb aber meines Erachtens insofern hinter den Erwartungen zurück, als sie revolutionstheoretische Probleme abstrakt in den Mittelpunkt rückte. So kam es vorerst zu keinem Ausbruchsprogramm.
Die DKP ist derzeit politisch noch ohne nennenswerten Einfluß, sucht jedoch seit ihrem 20. Parteitag den revisionistischen Kurs nicht einflußloser Kräfte in den eigenen Reihen zu überwinden und ihre kommunistische Identität zu festigen. Das DKP-Parteiprogramm könnte für ein Übergangsprogramm als Grundlage geeignet sein, wobei auch alle anderen marxistischen Kräfte einbezogen werden müßten, soweit deren Bereitschaft vorliegt.
Ein Ausbruchsprogramm hätte dem konkreten politischen Bewußtseinsstand und der Mentalität der arbeitenden Klasse Rechnung zu tragen und müßte auf Massenpsychologie und Pädagogik beruhen, wobei seine taktisch-strategische Ausgestaltung ständiger Präzisierung bedarf.
Der „RotFuchs“ besitzt ausgezeichnete politisch-ideologische Voraussetzungen, am Gestaltungsrahmen eines Ausbruchsprogramms schöpferisch mitzuwirken.
Nachricht 1679 von 2043