Für eine neue Weltordnung ohne Krieg
Über die vielfältigen Probleme unserer heutigen Welt wurde in den vergangenen Jahren viel geschrieben und geredet. Die Darstellungen und Einschätzungen sind sehr unterschiedlich. Es ist erfreulich, eine Abhandlung in die Hand zu bekommen, deren Erkenntniswert, Gründlichkeit und sprachliche Gestaltung ein hohes Maß an Zustimmung verdient. Ein solches Buch liegt jetzt vor von Gerhard Grote, 1922 in Danzig geboren, bis zur Emeritierung 1988 Professor für Außenwirtschaft an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst und von 1977 bis 1979 als Gastprofessor am Institute of National Planning in Kairo tätig. Das Werk trägt den Titel „Für eine neue Weltordnung ohne den Krieg als Mittel der Politik“. Schon damit wendet er sich gegen die vor 200 Jahren von Clausewitz formulierte These: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Der Autor zeigt faktenreich, daß diese Auffassung bis heute bei vielen internationalen Entscheidungsträgern noch gültig ist. Daher geht er der Frage nach, worin „die Ursachen für die vielen Kriege, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges geführt werden“, bestehen. Er beschäftigt sich dabei mit den Kriegen in Vietnam, Laos und Kambodscha, Afghanistan und der Ukraine sowie Irak, Syrien und der Destabilisierung der arabischen Region.
Da in all diesen Kriegen die USA mittelbar oder unmittelbar die entscheidende Rolle spielten und spielen, hat der Autor den Aufstieg der USA zur Supermacht nachgezeichnet. Es ist nachzulesen, wie die USA im 18. und 19. Jahrhundert als Einwanderungsland Arbeitskräfte aus vielen Ländern anzog und wie führende Kräfte aus Wissenschaft und Technik der amerikanischen Industrie zur Überlegenheit verhalfen. Um die erreichte Machtposition zu sichern, weiten die USA ihre militärischen Aktivitäten – direkt oder indirekt – nach vielen Seiten hin aus.
Im Kapitel VIII „Das Kriegsgeschehen als gutes Geschäft“ wird gezeigt, in welch Riesenumfang Rüstungsproduktion und Waffenexport zu Maximalprofiten führen. Die jährlichen Steigerungsraten von Produktion, Export und Profiten des Rüstungskapitals sind gewaltig. Den Rezensenten erstaunt jedoch, daß der Autor bei der Frage nach den Motiven für Kriege im monetären Bereich verbleibt. Natürlich spielen die bei Rüstung und Kriegsführung realisierten Profite eine wesentliche Rolle für das Rüstungskapital. Dennoch ist dies gewissermaßen eine Art Überbau über jene wirtschaftlichen und Machtinteressen des Imperialismus, die auf die Aneignung und Ausbeutung aller Ressourcen dieser Erde orientiert sind. Kurz gesagt: Es geht um Öl, um Erdgasvorkommen, um seltene Erden und bei allem um die Sicherung von Transportwegen dafür. In diesem Bereich liegen die Hauptursachen für die Erzielung von Maximalprofiten, für die imperialistischen Weltherrschaftspläne und für die dafür erforderliche Rüstung und Kriegführung. Das Verbleiben im rein finanziellen Bereich von Rüstungswirtschaft und „Kriegsgeschehen als gutes Geschäft“ erfaßt nicht die gesamte Problematik.
Aufschlußreich ist die Behandlung der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten. Gerhard Grote erfaßt die historischen wie gegenwärtigen Vorgänge von der Gründung eines „Islamischen Staates“ als Kalifat über die widersprüchliche Rolle Saudi-Arabiens, die Lage in Afghanistan bis zum Konflikt in Syrien.
Anregend sind auch die Gedanken über Religionskriege und Glaubenskämpfe und über den Vergleich heutiger „Gottesstaatsgründer“ mit dem Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert.
In den letzten drei Kapiteln behandelt Gerhard Grote „Probleme der gegenwärtigen Weltordnung“, „Grundrichtungen der Kritik an dem bestehenden globalen Ordnungssystem“ und „Visionen für die Schaffung einer neuen Weltordnung“. Er geht davon aus, daß wir heute in einer „reinen Marktgesellschaft“ leben und daß das Geschehen auf dem Markt in nie gekanntem Ausmaß das gesamte Leben der Gesellschaft beeinflußt – ohne allerdings darauf hinzuweisen, daß in den entscheidenden kapitalistischen Ländern Wirtschaft und Gesellschaft von den transnationalen Konzernen beherrscht werden. Wir haben keine „reine Marktwirtschaft“, sondern einen Monopolkapitalismus, der das imperialistische Gesamtsystem konstituiert.
Die Kennzeichnung verschiedener Arten von Kapitalismuskritik dient der Überleitung zur eigenen Position des Autors. Auf den Punkt gebracht „sollte das Ziel bei der Schaffung einer neuen Weltordnung nicht in einer Korrektur des Kapitalismus oder des Sozialismus bestehen, sondern darin, die positiven Seiten aus beiden Systemen voll zur Entfaltung zu bringen“ .
Hier nun endet die Übereinstimmung des Rezensenten mit dem Autor. Gerhard Grote betont an mehreren Stellen die Forderung nach einem Sturz des kapitalistischen Herrschaftssystems. Er stellt auch völlig zu Recht fest, „daß für das Entstehen der vielen Kriege nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und die daraus resultierenden verheerenden Folgen in erster Linie das kapitalistische System verantwortlich ist und deshalb gestürzt werden muß“. Aber seine Vision endet bei einer Art „drittem Weg“. Ist die Errichtung einer neuen Weltordnung möglich durch die Vereinigung der Vorteile von zwei konträr entgegengesetzten Gesellschaften bei Vermeidung ihrer Mängel? Reichen dafür solch allgemeine Forderungen wie die nach strikter Einhaltung des Völkerrechts, nach Erhöhung der Rolle der UNO, nach einer sozial gerechten Wirtschaft und nach Auflösung der NATO?
Und ist die Behandlung dieser Fragen möglich ohne gründliche Analyse der Rolle der politischen Macht und der ihr zugrundeliegenden Eigentumsverhältnisse? Gültig bleibt der Gedanke von Marx, daß die Eigentumsfrage die Grundfrage der ganzen historischen Bewegung ist.
Gerhard Grote:
Für eine neue Weltordnung ohne den Krieg als Mittel der Politik
Edition Winterwork, Borsdorf 2015, 82 Seiten
ISBN 978-3-96014-062-7
10,90 €
Nachricht 575 von 2043