Gegen die Propagandisten des Krieges
Die Aggressionspolitik Deutschlands wurde und wird von publizistischen Leitwölfen begleitet und unterstützt. Ihre Salven gegen das Völkerrecht sind zugleich Schläge gegen die Mehrheit der Deutschen, die Militäreinsätze ablehnt.
Es ist erfreulich, daß es aber auch couragierte verfassungstreue Publizisten gibt. Einer von ihnen ist Uwe Krüger, der seine Dissertation unter dem Titel „Meinungsmacht. Der Einfluß von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse“ als Buch veröffentlichte. Von ihm ist zu erfahren: „Am auffälligsten war der Befund, daß vier leitende Journalisten der ,Süddeutschen Zeitung‘ (Stefan Kornelius), der ,Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ (Klaus-Dieter Frankenberger), der ,Welt‘ (Michael Stürmer) und der ,Zeit‘ (Josef Joffe) stark in US- und NATO-affine Strukturen eingebunden sind.“
Im Buch „Meinungsmacht“ wird deren verhängnisvolle Rolle als Propagandisten des Krieges analysiert. Krüger enthüllt, daß die Meinungsmacher, die angetreten sind, der „Nation“ den „Mainstream“ aggressiver Gefühle zu verordnen, keineswegs „unabhängig“ sind, wie ihre Redaktionen behaupten. Die Beziehungen der genannten Publizisten reichen von der berüchtigten Münchner Sicherheitskonferenz über diverse Einrichtungen der Bundeswehr bis zur US-amerikanischen „Trilateralen Kommission“, einer Rockefeller-Gründung. Die Vorgaben des Netzwerkes der Bellizisten dürften bestimmend auch für kleinere Zeitungen sein, für das staatliche Fernsehen sowieso. Es reizt, Beispiele aus Regionalzeitungen zu zitieren, z. B. die in Dresden erscheinende „Sächsische Zeitung“, der es wegen des Schicksals Dresdens Ehrenpflicht sein müßte, gegen Kriegstreiberei aufzutreten. Das würde allerdings kein Lob der Obrigkeit einbringen. Bellizisten unter den Publizisten können dagegen mit Preisen und Ruhm rechnen, je kriegerischer, desto mehr.
Ein Beispiel dafür ist Bernd Ulrich, der am 26. April 2013 den Henri-Nannen-Preis erhalten hat. Ulrich ist stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“. Früher als Friedensaktivist unterwegs, preist er heute völkerrechtswidrige Aggressionskriege. Seine „Streitschrift“ mit dem Titel „Wofür Deutschland Krieg führen darf. Und muß“, 2011 bei Rowohlt erschienen, ist ein Generalangriff auf das geltende Völkerrecht. Ein Unterschied zu den schon genannten Bellizisten ist, daß das Buch generell für neue Kriege plädiert und die militärische Gewalt ohne völkerrechtliche oder moralische Einschränkungen zur obersten Norm deutscher Außenpolitik machen will. Ulrich unterscheidet zwischen „richtigen und falschen Kriegen“, läßt aber offen, wer die Entscheidung zu fällen hat. Der Logik der atomaren Abschreckung folgend hat Helmut Schmidt „im atomaren Poker den Einsatz erhöht, damit Deutschland nicht zum Verlierer wird“. Ulrich folgert: „Und der nukleare Rüstungswettlauf hat nicht zum Atomkrieg geführt, sondern dazu beigetragen, daß die Sowjetunion wenige Jahre später unter dem Druck des ruinösen Wettrüstens zusammengebrochen ist.“
Das Balancieren am atomaren Abgrund als erfolgreiche, sogar siegreiche Politik? Die atomare Erpressung als internationales Prinzip? Wer trug und trägt die Kosten und Folgen? Ulrich stellte Prinzipien auf, nach denen Politiker heute bei Kriegen handeln sollten:
• „Die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates sowie regionaler Zusammenschlüsse ist auf jeden Fall erstrebenswert, aber nicht ausschlaggebend.“ Damit wird der Rechts-nihilismus gepredigt. Wer entscheidet über den Kriegsfall? Die USA, wie im Falle Iraks, Afghanistans und Libyens?
• Ulrich empfiehlt „militärische Interventionen“ auch, wenn es in dem betreffenden Land eine Opposition und eine Rebellion gibt, „die man unterstützen kann“. Der Maidan als Regelfall?
Richtig und weise sei der Kosovo-Krieg gewesen. Ulrich hat den Gewaltverzicht, die friedliche Streitbeilegung und andere Begriffe des Völkerrechts aus seinem Wortschatz gestrichen. Sein „oberstes Gebot“ lautet: „Ein Land von der Größe und Macht Deutschlands, ein Land mit einer Geschichte wie der deutschen kann nicht pazifistisch sein, so groß die Kriegsfremdheit auch noch werden mag.“ Und „Von Amerika lernen, heißt siegen lernen!“
• Ulrich schämt sich nicht, das Völkerrecht, die wichtigste Frucht des Sieges der Antihitlerkoalition und Hürde für Kriegstreiber, zu verleumden: Das „Völkerrecht in seiner Form (enthält) einen Freifahrschein für Diktatoren, innerhalb der eigenen staatlichen Grenzen zu verfahren, wie es ihnen beliebt“. Führten die USA ihre Kriege von Korea über Vietnam bis zu Irak innerhalb der eigenen staatlichen Grenzen, oder brachen sie das Völkerrecht?
• Ulrich hat auch entdeckt, daß das Völkerrecht ein „Werkzeug“ der Russen sei: „Dagegen stimmen wie im Fall des Kosovo oder Enthaltung wie in dem von Libyen dient der Delegitimierung, wenn möglich Spaltung des Westens.“ Ob der Verfasser je über die Funktion des Vetorechts und seine Anwendung in der Geschichte der Vereinten Nationen nachgedacht hat?
• Nun soll für Bundeswehrsoldaten das Morden wieder „normales“ Geschäft sein. Wollen „wir“ den anderen die Schlachtfelder allein überlassen? Ulrich belehrt den Leser: „Kriege sind zuallererst Sache der jeweiligen Regierung, sie hat die Initiativpflicht für die Debatte, und wenn sie selbst für eine Intervention sein sollte, dann muß sie das der Mehrheit abringen und der Opposition ebenfalls.“ Und wenn die Mehrheit partout nicht will? „Die Diskussionen über einen Krieg (müssen) für sämtliche Beteiligten strenge und sorgfältige Exerzitien sein, ein öffentliches Ringen um die Berechtigung zu töten und die Pflicht, sein Leben zu riskieren.“
So weit sind „wir“: bei der „Berechtigung zu töten“ und der Pflicht, den Heldentod zu sterben. Genug der Ulrich-Zitate!
Nach Ulrichs Kriegsverherrlichung soll an einen edlen Streiter für die Sache des Friedens, Kurt Tucholsky, erinnert werden, der am 24. 12. 1925 schrieb: „Der moderne Krieg hat wirtschaftliche Ursachen.“ Und, so einer der scharfzüngigsten Friedensjournalisten Deutschlands weiter: „Die Möglichkeit, ihn vorzubereiten und auf ein Signal Ackergräben mit Schlachtopfern zu füllen, ist nur gegeben, wenn diese Tätigkeit des Mordens vorher durch beharrliche Bearbeitung der Massen als etwas Sittliches hingestellt wird.“
Leute wie Ulrich propagieren öffentlich den Bruch des Völkerrechts, des (provisorischen) Grundgesetzes, des Zwei-plus-vier-Vertrages. Kein namhafter Politiker, kein Staatsanwalt hat anscheinend etwas dagegen. Nürnberg scheint vergessen. Fragen wir also: In wessen Auftrag und Interesse handeln die Stürmer und Ulrich? Wer verantwortet die Morde, die Bundeswehrsoldaten in anderen Ländern begingen und begehen? Welche Perspektiven ergeben sich aus einer deutschen „Politik der Stärke“? Welche Folgen haben Aggressionen weltweit und gegen beliebige souveräne Staaten? Was kann Deutschland bei der Expansionspolitik der NATO gegenüber Rußland gewinnen?
Ausnahmsweise müssen wir Michail Gorbatschow zustimmen, der im „Spiegel“ (Nr. 3/2015) mahnte: „Wenn angesichts der angeheizten Stimmung einer die Nerven verliert, werden wir die nächsten Jahre nicht überleben.“
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