RotFuchs 188 – September 2013

„Gott mit uns“ stand auf dem Koppelschloß

Jobst-Heinrich Müller

Die Freidenker, einig in der Verurteilung von Rassismus, religiösem Fanatismus und imperialistischem Krieg, klagen die Doppelmoral des Westens, den Mißbrauch der Religion und das Schüren religiöser Spannungen durch die Kriegstreiber an.“ So steht es in einem Beschluß der Weltunion der Freidenker, die vom 24. bis 26. Mai auf ihrem Kongreß über die künftige Strategie berieten.

Diese Mahnung, auch ins Stammbuch christlicher Kirchen geschrieben, ist einmal mehr notwendig geworden, weil sich unter dem Einfluß evangelikaler Haßprediger und Kreuzfahrer wie George W. Bush eine zynische Rechtfertigungstheologie zur Absegnung imperialistischer Angriffskriege auch hierzulande breitgemacht hat.

2009 bekannte der einstige Jugendpfarrer der nicht mit dem Friedensrat zu verwechselnden „DDR-Friedensbewegung“, Joachim Gauck, er sei kein Pazifist. Gewalt erscheine ihm notwendig und sinnvoll, um Frieden, Freiheit und Leben anderer Menschen mit der Waffe zu verteidigen. Deshalb mahnte er auch auf Kirchentagen mehr Aufgeschlossenheit für Auslandseinsätze der Bundeswehr an, die genau das täte. Er bezeichnete sie als „meine Armee“, Teil des „Demokratiewunders nach der Wende“, „Stütze der Freiheit“, „Armee des Volkes“ und „Friedensmotor“. Etwa zeitgleich zum Hamburger Evangelischen Kirchentag veranstaltete die BRD-Marine in Wilhelmshaven eine „Schulwoche“ zur Werbung neuen Kanonenfutters. Bei Truppenbesuchen in Hamburg und Mazar-i-Sharif pries Gauck überdies die „Bereitschaft zum Dienen und zur Hingabe“. Er zeigte sich wegen des mangelnden Interesses der Bevölkerung „am Militärischen insgesamt“ besorgt.

Natürlich vergaß er auch diesmal nicht, die Nationale Volksarmee der DDR der „Unterdrückung des eigenen Volkes, der Erziehung zum Haß in den Schulen und der Militarisierung der DDR-Gesellschaft“ zu bezichtigen. Er attackierte damit eine Armee, die im Unterschied zur Bundeswehr niemals an Kriegseinsätzen beteiligt war.

Seit der byzantinische Kaiser Konstantin das Christentum auf die Schilde seiner Soldaten hob – das war um 313 n. u. Z. –, gibt es „gottgefällige“ Kriege gegen das „Reich des Bösen“. Das vermeintliche Recht, als Christ und Soldat Gebote mißachten zu dürfen, begründet eine sich windende und wandelnde Rechtfertigungstheologie der Militärkaste. Diese basiert auf der immer gleichen Unterstellung. Während der erklärte politische Gegner stets das „Böse“ verkörpert, vertritt man allzeit selbst das „Gute und Edle“, wobei man nicht darauf verzichtet, bei aller „Feindesliebe“ und „Achtung vor dem Geschöpf Gottes“ zu foltern und zu töten. Stand nicht einst auch auf Koppelschlössern „Gott mit uns“?

Derzeit drängt es die NATO-Missionare in die Kirchen. Bei speziellen Gottesdiensten mit Kantoreibegleitung und anschließender Aussprache bei Kaffee und Kuchen verkünden „Bürger in Uniform aus der Mitte der Gesellschaft“ makabre pseudoreligiöse Standpunkte. Im Juni gab beispielsweise Oberstleutnant Freuding, Standortältester, ehemals Kompaniechef der NATO-Schutztruppe in Bosnien-Herzegowina und dann Stabschef am Hindukusch, in geselliger Atmosphäre folgendes zum Besten: „An der Friedensordnung in der erlösungsbedürftigen Welt, an einer gerechten Ordnung mitzuwirken, ist uns Christen als zur Freiheit berufenen Geschöpfen fortwährende Aufgabe.“

Selig sind die Friedensstifter! Auch Bonhoeffer (!) habe den Beruf als Ort der Verantwortung definiert, will man einen der Großen der Christenheit vor den eigenen Karren spannen. Dem Christen, der sein Handeln an der Verheißung der messianischen Friedensordnung ausrichte, werde die Forderung nach Feindesliebe handlungsbegleitend: „Liebt Eure Feinde und bittet für sie!“

Diese Maxime soll auch Oberst – jetzt General – Klein beim Vernichtungsbefehl gegen die einen im Flußbett steckengebliebenen Tankwagen bei Kundus umringenden Zivilisten im September 2009 beherzigt haben. Freuding und andere „Gotteskrieger“ können dabei auf eine „Fatwa“ namens „Gaudium et spes“ des 2. Vatikanischen Konzils bauen: „Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit des Volkes. Indem er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei.“

Freidenker allerdings messen solche religiös verbrämten Spitzfindigkeiten mit der Elle auf Erfahrung beruhender Weisheit: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“