17. August 1956:
Das Bundesverfassungsgericht
verbietet die KPD
Sechzig Jahre ist es her, daß das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Verbot der KPD fällte. Diese Aktion der Klassenjustiz stellte Weichen, die zu einer folgenschweren Entwicklung führten. Schon der Zeitpunkt des Verbots ließ das erwarten. Nahezu zeitgleich wurde die Bundeswehr gegründet. Offiziell wollte man mit dem Gerichtsbeschluß der Gefahr, die angeblich von der KPD für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgehe, begegnen, doch in Wahrheit ging es einzig und allein darum, ein Hindernis auf dem Weg zur Remilitarisierung zu beseitigen.
Schon im November 1991 hatte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht den Antrag gestellt, die KPD zu verbieten. Parallel zum Antrag wurden 1951 per Regierungsverordnung Mitglieder der KPD und anderer fortschrittlicher Organisationen aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Das Verbotsurteil traf ebenso die FDJ, den Demokratischen Frauenbund, die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, den Demokratischen Kulturbund u. a. All diese Maßnahmen waren darauf gerichtet, den Widerstand gegen die Politik der Spaltung und Remilitarisierung zu brechen.
Die KPD stand an der Spitze des Kampfes gegen die Spaltung Deutschlands und die Wiederaufrüstung. Ihre Fraktion unter Max Reimann nutzte die Tribüne des Bundestags, um die Ziele der „Westbindung“ Adenauers und der Wiederaufrüstung zu entlarven. Sie organisierte den außerparlamentarischen Kampf, so die „Ohne uns“-Bewegung, die unter der Jugend populär war. Am 11. Mai 1952 demonstrierten in Essen 30 000 westdeutsche FDJ-Mitglieder gegen die Remilitarisierung. Die eingesetzte Polizei erschoß den Jungarbeiter Philipp Müller, der zum Märtyrer dieser Bewegung wurde. Die Brutalität der Polizei beim Einsatz gegen friedliche Demonstranten warf ein Schlaglicht auf das Wesen der Bonner Demokratie.
Während der Verbotsprozeß lief, intensivierte die KPD ihren Kampf gegen den verhängnisvollen Kurs der Adenauer-Regierung. Auf ihrem Parteitag in den letzten Dezembertagen 1954 in Hamburg bekannte sie sich zum Frieden und zur nationalen Einheit, lehnte die Pariser Verträge ab, forderte einen Friedensvertrag und begrüßte den Appell der DDR „Deutsche an einen Tisch!“ Der Kampf der Kommunisten in der BRD Anfang der 50er Jahre wird stets ein Ruhmesblatt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bleiben, während das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für immer ein Schandfleck sein wird.
Mit dem Urteil ist für jedermann erkennbar: Die Bundesrepublik pfiff auf das Potsdamer Abkommen und die Menschenrechtserklärung. Sie hob den Antikommunismus in den Rang einer Staatsdoktrin – wie zuvor die Nazis. Sie demonstrierte auch auf diesem Gebiet, daß sie „Rechtsnachfolger“ des Dritten Reiches ist. Sie stellte sich in eine Reihe mit Franco-Spanien und wurde zum Vorreiter und Tummelplatz reaktionärer Kräfte in ganz Europa. Wir wissen heute, wohin das führte.
Mit der Urteilsverkündung setzte schlagartig eine brutale Polizeiaktion gegen KPD-Büros, Redaktionen, Verlage und Wohnungen von KPD-Mitgliedern ein, die an den März 1933 erinnerte. Selbst Mitglieder, die als Abgeordnete Immunität besaßen wie Jupp Angenfort, wurden eingekerkert.
Buchtips
Heinrich Hannover:
Politische Diffamierung der Opposition im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat
Pläne-Verlag, Dortmund-Barop 1962
Lutz Lehmann:
Legal & opportun. Politische Justiz in der Bundesrepublik
Voltaire-Verlag, Westberlin 1966
Urteil:
KPD-Verbot aufheben! Politisches und Rechtliches zum Verbot der KPD
Mit ausführlichen Literaturhinweisen
Pahl-Rugenstein-Verlag, Köln 1971
Antikommunismus – Vom Kölner Kommunistenprozeß 1852
zu den Berufsverboten heute
Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/M. 1972
20 Jahre KPD-Verbot – Eine Anti-Festschrift. Probleme des Kampfes um Freiheit und Demokratie
Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/M. 1976
Wolfgang Bartels:
Philipp Müller – Der Polizeimord in Essen
Weltkreis-Verlag, Dortmund 1977
Alexander von Brünneck:
Politische Justiz gegen Kommunisten in der BRD 1949–1968
Suhrkamp-Verlag, Frankfurt/M. 1978
Heinrich Hannover / Günter Wallraff:
Die unheimliche Republik. Politische Verfolgung in der Bundesrepublik
Rowohlt-Verlag, Reinbek 1984
Heinrich Hannover:
Politische Justiz 1918–1933
Lamuv-Verlag, Göttingen 1987
Diether Posser:
Anwalt im kalten Krieg – Deutsche Geschichte in politischen Prozessen 1951–1968
Bertelsmann-Verlag, Gütersloh 1991
Karl Heinz Jahnke:
Das Verbot der Freien Deutschen Jugend
Neue-Impulse-Verlag, Essen 1996
Die verdrängte Schuld der Bundesrepublik – Eine Nach-Denkschrift
Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des kalten Krieges, Essen 1997
Rolf Gössner:
Die vergessenen Justizopfer des kalten Krieges
Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1998
Friedrich Balzer / Heinrich Hannover (Hg.):
Justizunrecht im Kalten Krieg – Die Kriminalisierung der westdeutschen Friedensbewegung im Düsseldorfer Prozeß 1959/60
PapyRossa-Verlag, Köln 2005
Heinrich Hannover:
Die Republik vor Gericht 1954–1995:
Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts
Aufbau-Verlag, Berlin 2005
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