1918: SPD-Spitze würgte Munitionsarbeiterstreik ab
Anläßlich des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges gab es 2014 eine Flut von Veröffentlichungen. In etlichen wurde behauptet, die Völker seien in dieses Blutvergießen „wie in eine Naturkatastrophe hineingeschlittert“. Niemand hatte Schuld, am allerwenigsten Deutschland. Daß der kaiserlich-deutsche Imperialismus diesen Krieg systematisch vorbereitet hatte, um seinen „Platz an der Sonne“ einzunehmen, wurde kaum erwähnt. Auch die Ziele der anderen Großmächte blieben meist außer Betracht. Und daß es Widerstand gegen den Krieg gab, fiel fast völlig unter den Tisch. Angesichts dessen ist es verdienstvoll, daß Werner Ruch eine Schrift über Massenstreiks zwischen 1914 und 1918 vorgelegt hat. Er weist darauf hin, daß diese auch in der Ausstellung des Berliner Deutschen Historischen Museums ausgeklammert worden sind, sieht man von einem Dokument ab, in dem Hindenburg solche Arbeitsniederlegungen verurteilt.
Der Autor bietet eine Übersicht zur Zahl der Streiks und der an ihnen Beteiligten. Dabei geht er näher auf den Solidaritätsstreik für Karl Liebknecht ein. Der spätere Mitbegründer der KPD war nach seinem Friedensappell am 1. Mai 1916 auf dem Potsdamer Platz der Hauptstadt „wegen versuchten Kriegsverrats in Tateinheit mit erschwertem Ungehorsam im Felde und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt“ zu vier Jahren und einem Monat Zuchthaus unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von sechs Jahren verurteilt worden.
Im Frühjahr 1917 streikten in Berlin, Halle, Braunschweig, Magdeburg, Bremen und anderen deutschen Industriestädten vor allem Metallarbeiter. Ihr Ausstand wird als die bis dahin größte revolutionäre Aktion mit klaren Forderungen für einen sofortigen Friedensschluß betrachtet.
Einen besonderen Platz in Werner Ruchs Darstellung nimmt der Munitionsarbeiterstreik im Januar 1918 ein. An ihm beteiligten sich mehr als eine Million Arbeiterinnen und Arbeiter in ganz Deutschland. Die in Berliner Betrieben gewählten 414 Vertrauensleute konstituierten sich zum Großberliner Arbeiterrat. Auf einer Zusammenkunft beschlossen sie einstimmig, die Führung des Kampfes um einen sofortigen Friedensschluß auf der Basis der Vorschläge Sowjetrußlands zu führen. Sie forderten die Aufhebung des Belagerungszustandes und eine durchgreifende Demokratisierung in Deutschland.
Das beunruhigte einige Führer der SPD. Deshalb setzten sie durch, daß Otto Braun, Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann in den zur Leitung des Streiks gebildeten Aktionsausschuß aufgenommen wurden.
Scheidemann sagte im Dezember 1924 als Zeuge im Prozeß des Reichspräsidenten Friedrich Ebert gegen den nationalistischen Redakteur Rothardt, der ihn des Landesverrats während des Krieges beschuldigt hatte, folgendes aus: „Wenn wir damals nicht in das Streikkomitee hineingegangen wären …, dann wäre der Krieg und alles andere meiner festen Überzeugung nach schon im Januar erledigt gewesen … Durch unser Wirken wurde der Streik bald beendet und alles in geregelte Bahnen gelenkt.“
Dieses Verhalten ist ein weiterer Beleg dafür, daß gewisse SPD-Führer allen Grund haben, sich solcher Teile der Geschichte ihrer Partei zu schämen.
Werner Ruch:
Massenstreiks im Ersten Weltkrieg 1914–1918
Herausgeber:
Die Linke, Friedrichshain-Kreuzberg
Geschichtskommission
Weidenweg 17, 10249 Berlin
Eigendruck 2014
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