26. Mai 1952: Die DDR sichert die Grenzen
Nach Abstimmung mit der sowjetischen Kontrollkommission (SKK), der Vertretung der Sowjetregierung in Deutschland von 1949 bis 1953, beschloß der Ministerrat der DDR am 26. Mai 1952 die „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands“. Darin wurde das Ministerium für Staatssicherheit, dem die Deutsche Grenzpolizei (DGP) zeitweilig unterstellt worden war, beauftragt, unverzüglich Maßnahmen festzulegen, um die Bewachung dieser Linie zu verstärken. Schon am folgenden Tag, dem 27. Mai, trat die „Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie“ in Kraft. Es war genau der Tag, an dem der Westzonenstaat der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ (EVG) beitrat.
Nach dem Beispiel des Grenzregimes in der UdSSR wurde eine 5 Kilometer breite Sperrzone errichtet, die eine 500 Meter breite Schutzzone und einen 10 Meter breiten Kontrollstreifen einschloß. Für den ständigen oder zeitweiligen Aufenthalt und Arbeiten in diesem Gebiet sowie für die Ein- und Ausreise traten besondere Regelungen in Kraft. Der bis dahin an vielen Orten noch stattfindende kleine Grenzverkehr wurde eingestellt. Wenige Tage später erfolgten analoge Festlegungen für die Grenze an der Ostsee und am Ring um Berlin. Um die sich aus den Grenzsicherungsmaßnahmen für die in der Sperrzone wohnenden Menschen ergebenden Erschwernisse zu mildern, legte die Regierung nicht nur soziale Vergünstigungen fest, sondern auch Sonderprogramme zur Förderung des politischen und kulturellen Lebens.
Wesentlich veränderten und verbesserten sich auch die Dienstbedingungen für die Grenzpolizisten. Zahlreiche Freiwillige verstärkten die Grenzkommandos. Es gab ab Oktober andere Uniformen, militärische Dienstgrade, moderne sowjetische Infanteriewaffen, neue Instruktionen für den Grenzdienst sowie ein einheitliches System der Schulung und Ausbildung. In die Führung der DGP berief die Regierung bewährte und militärisch qualifizierte Antifaschisten. Ihnen standen für einige Jahre Offiziere der sowjetischen Grenztruppen unter Leitung eines Generals als Berater zur Seite.
Die umfassende Sicherung der Grenzen der DDR war die logische Folge der politischen Entwicklung in Deutschland. Die separate Währungsreform in den Westzonen, die Gründung des dortigen Separatstaates, die arrogante Zurückweisung aller östlichen Vorschläge, auch der Sowjetnote vom 10. März 1952, die Einheit Deutschlands zu erhalten, hatten schon einen tiefen Graben zwischen West und Ost gezogen. Diese Politik Bonns vollzog sich parallel zu der umfassenden politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Restaurierung des kapitalistischen Systems. Dazu gehörte, daß auf Beschluß der Adenauer-Regierung vom 19. September 1950 allen Antifaschisten der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt wurde und mit Beschluß vom 27. Februar 1951 alle antifaschistisch-demokratischen Organisationen als „verfassungsfeindlich“ erklärt wurden. Das „Entnazifizierungsschlußgesetz“ vom Mai 1951 ermöglichte 150 000 „Minderbelasteten“, die von den Westalliierten von ihren Posten entfernt worden waren, die Rückkehr in den Staatsdienst bzw. regelte ihre künftige Versorgung. Auf Drängen Adenauers entließen die Westmächte die von ihnen verurteilten faschistischen Kriegsverbrecher aus der Haft.
Gegen eine solche Politik im Westen mußte die DDR ihre Souveränität und die Unantastbarkeit ihrer Grenzen und ihres Staatsgebietes gewährleisten. Das war mit einer punktuellen Bewachung durch polizeiliche Einzelposten wie bis dahin nicht mehr möglich, zumal auf der Westseite der Grenze seit Februar 1951 eine militärisch strukturierte, ausgerüstete und bewaffnete Grenzschutztruppe mit anfangs 10 000 Mann stand. Zum anderen ermöglichte es die von östlicher Seite aus offene Grenze Saboteuren, Spionen und Terroristen, fast ungehindert in die DDR einzudringen und unserem Staat Schaden zuzufügen. Auch kriminelles Gesindel nutzte den weitgehend freien Zugang nach Osten, um nicht nur Waren, Wertsachen und Rohstoffe, sondern auch Produktionseinrichtungen und -dokumentationen aus der DDR nach dem Westen zu bringen, wobei es oft vom Westen unterstützt wurde. Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß sich an dieser Demarkationslinie Provokationen und Zwischenfälle mit Waffengebrauch häuften. Ihnen fielen bis zum Mai 1952 sechs Angehörige der DGP zum Opfer.
Trotz der angespannten und den Frieden bedrohenden Situation an dieser Ost-West-Trennlinie gab die Regierung der DDR ihre auf die Erhaltung der staatlichen Einheit Deutschlands gerichtete Politik nicht auf. Das dokumentierte sie auch in der Verordnung vom 26. Mai unmißverständlich. So vermied sie die Bezeichnung „Staatsgrenze“, obwohl die DDR als anerkannter Staat schon mehr als zwei Jahre existierte, und verwendete die von den alliierten Siegermächten eingeführten Begriff „Demarkationslinie“. Eindeutig kam das im § 2 der Ministerratsverordnung zum Ausdruck. Dort heißt es: „Alle zur Durchführung dieser Maßnahmen getroffenen Anordnungen, Bestimmungen und Anweisungen sind unter dem Gesichtspunkt zu erlassen, daß sie bei einer Verständigung über die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zur Herbeiführung der Einheit Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage sofort aufgehoben werden können.“
Die DDR hielt sich an diese Festlegung. So wurden z. B. für die 165 an der Westgrenze stationierten Kommandos (später Kompanien) bis zum 31. 12. 1961 lediglich 21 Massivgebäude errichtet, dafür aber 98 eingeschossige und 38 Doppelstock-Holzbaracken gebaut, die schnell wieder abgerissen oder den Gemeinden für zivile Zwecke hätten überlassen werden können. Erst danach erhielten die Grenzeinheiten massive Kasernen.
Es kennzeichnet die Spalterpolitik des Westens, seiner Politiker und Medien, daß man gegen das DDR-Grenzregime hetzt, aber ganz bewußt diesen Passus der Verordnung verschweigt. Sie müßten ja sonst zugeben, daß sie für die Spaltung Deutschlands, also auch für das Grenzregime an der Trennlinie zwischen West und Ost und für alles, was dort geschah, verantwortlich waren.
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