Erinnern an einen mutigen Sozialdemokraten
und Schriftsteller der DDR
Im Visier der Faschisten: Erich Fabian
Die RF-Serie Dieter Fechners „Einst erfolgreiche DDR-Autoren dem Vergessen entreißen“ ermutigt mich, über einen Mann zu berichten, dessen Leben wie Wirken sicher nur noch speziell Interessierte kennen. Von Dr. Erich Fabian erschien 1948 die Erzählung „Der Doppelgänger“. 1952 veröffentlichte er den Essay „Von Puschkin bis Gorki“. 1963 und 1966 kamen seine Nachdichtungen „Liebeslieder der Antike“ und „Ovid. Die Liebeskunst“ in den Buchhandel. 1968 und 1969 wurden seine autobiographischen Romane „Der Weg aus der Mitte“ und „Die rauhen Jahre“ verlegt. Als eine Liebeserklärung an die Heimatstadt ist sein warmherziges Porträt Rostocks zu verstehen. Ich muß zugeben, keines dieser Bücher gelesen zu haben, und ich weiß auch nicht, ob man sie heute noch auftreiben könnte. Die Titel entdeckte ich bei Recherchen zur Geschichte der Wismarer Großen Stadtschule im „Biographischen Handbuch der SBZ/DDR“, das 1996 in München herauskam.
In erster Linie interessierte ich mich nicht einmal für den Schriftsteller, sondern vor allem für den Kollegen, war doch Erich Fabian wie ich während vieler Jahre Lehrer an eben jener gerade erwähnten Bildungsstätte, die seit 1947 dann Geschwister-Scholl-Schule hieß.
Im 1933 veröffentlichten Jahresbericht des Direktors der Großen Stadtschule hieß es, „die Stelle von Herrn Studienrat Dr. Fabian, der gemäß des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 31. Oktober 1933 aus dem Schuldienst entlassen wurde, aber bereits seit Beginn des Schuljahres beurlaubt war“, sei „nicht wieder besetzt worden“. Eine solche Mitteilung fiel aus dem Rahmen, war es doch üblich, das Wirken eines unserer Lehrer bei dessen Ausscheiden zu würdigen. Im Mitteilungsblatt der Altschülerschaft der Anstalt vom Oktober 1933 las man noch Lapidareres: „Studienrat Dr. Fabian ist nach seiner Pensionierung nach Rostock übergesiedelt.“
Auch nachdem das Gymnasium im Zuge der Liquidierung sämtlicher Einrichtungen des sozialistischen Bildungssystems 1990/91 im alten Geist und bei nachhaltiger Mitwirkung der „Altschülerschaft“, die bis dahin in Westdeutschland ihr Unwesen getrieben hatte, wiederhergestellt worden war, hieß es in der nun neu herausgegebenen „Geschichte der Großen Stadtschule“ über 1933 nur: „In der Zusammensetzung des Lehrerkollegiums änderte sich nach dem ‚Umbruch‘ sehr wenig. Studienrat Dr. F. wurde aus dem Schuldienst mit Pension entlassen, da er eine Jüdin zur Frau hatte und auch sonst den neuen Machthabern unliebsam war.“
Erich Fabian war im August 1914 als Kriegsfreiwilliger an die Front gegangen und 1916 an der Somme in französische Gefangenschaft geraten. Nach seiner Rückkehr ging er für einen Anwärter auf eine Beamtenstelle recht ungewöhnliche Wege. Anders als andere jüngere Lehrer an der Schule kam er nicht hochdekoriert und gewissermaßen „im Felde unbesiegt“ aus dem großen Völkergemetzel in die Heimat zurück. Er wurde Mitglied der Friedensgesellschaft, gehörte nicht „standesgemäß“ dem Philologen-Verband an, sondern organisierte sich im „Bund entschiedener Schulreformer“, der 1919 gegründet worden war. Ihm gehörten überwiegend oppositionelle Lehrer höherer Bildungsanstalten an. 1929 trat er in die SPD ein. In den Mitteilungsblättern schrieb 1985 ein „Altschüler“ über seinen ehemaligen Lehrer: „… er hat wohl an unserer Schule eine krasse Außenseiterrolle gespielt, war er doch Sozialdemokrat und wie allgemein an den Gymnasien damals waren Sozialdemokraten bei den Schülern und, wie ich mich zu erinnern glaube, auch bei den Lehrern wenig geschätzt. Schon wenn es von jemandem hieß, er sei ‚Demokrat‘, empfanden wir das als einen Schatten auf dem Bild eines Gymnasiallehrers.“ „Damals“ – das war in der Weimarer Republik, einem Staat, in dem Sozialdemokraten und bürgerliche Demokraten große Teile der Wählerschaft vertraten und besonders in Ländern häufig als Parteien regierten.
„Dr. Fabian“ – schrieb sein ehemaliger Schüler weiter – „machte aus seiner politischen Überzeugung kein Hehl, sprach wohl auch im Unterricht darüber, was wir als sehr unpassend empfanden.“ Offenbar paßte er absolut nicht in das überwiegend national-konservative Kollegium.
Am 30. Oktober 1930 wurde im Protokoll der Lehrerkonferenz vermerkt: „Antrag Seemann: Es solle den Mitgliedern der Verbindung ‚Germania‘ nahegelegt werden, von Herrn Nordmann wegen eines an frühere Schüler gerichteten Briefes, der Anwürfe gegen Herrn Fabian enthält, abzurücken.“ Aus den Archivunterlagen geht nicht hervor, ob diese „Anwürfe“ Dr. Fabians politische Überzeugung oder seine Ehe mit seiner jüdischen Frau betrafen.
1933 wurde der Studienrat dann nach § 4 des GWBB entlassen. Dieser Paragraph bestimmte, daß Beamte zu entlassen seien, „die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür“ böten, „daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat“ einträten. Zum Schuldienst „unterm Hakenkreuz“ ließ ihn auch sein bereits erwähntes Engagement im „Bund entschiedener Schulreformer“ völlig ungeeignet erscheinen. Zu dessen Mitgliedern gehörten namhafte Pädagogen wie Paul Oestreich, der kommunistische Landtagsabgeordnete Ernst Schneller und der Leiter einer sehr bekannten Berliner Versuchsschule Fritz Karsen, um nur einige zu erwähnen. Die in diesem Bund wirkenden Lehrer, Erzieher und Schulpolitiker waren in aller Regel konsequente Antifaschisten und wurden deshalb rigoros verfolgt.
Nach seiner Entlassung aus dem Schuldienst schlug sich Erich Fabian als Privatdozent durch. 1945 gehörte er zu den Mitbegründern des Kulturbundes und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. In Wismar leitete er zunächst ein Realgymnasium und später die Volkshochschule. Zuletzt war er Fachlehrer an einer Oberschule.
Als Autor von Romanen und Essays sowie weiterer Veröffentlichungen gehörte er dem Bezirksvorstand des DDR-Schriftstellerverbandes und dem Bezirkstag Rostock an.
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