RotFuchs 214 – November 2015

Belgiens PTB-Ärztehäuser erweisen
gleichgesinnten Partnern in Hellas ihre Solidarität

Internationalisten in weißen Kitteln

RotFuchs-Redaktion

Seit Jahrzehnten besteht in Belgien eine von der marxistischen Partei der Arbeit (PTB) geschaffene Kette von inzwischen zwölf Ärztehäusern in verschiedenen Landesteilen, die in materieller Bedrängnis lebende hilfsbedürftige Menschen unentgeltlich behandeln. Flamen und Wallonen sowie Immigranten, von denen nicht wenige der Kategorie „sans papiers“ (ohne offizielle Einbürgerungsdokumente) zugerechnet werden, erhalten hier Qualitätsbehandlung gratis.

Die PTB-Delegation
(Freja Haak, 2. v. li.)
in einem Athener
Ärztehaus

Inzwischen hilft die belgische Organisation „Medizin für das Volk“ (MPLP) seit kurzem auch ähnlichen Einrichtungen in Griechenland. Die junge MPLP-Ärztin Freja Haak aus Hoboken, die einer nach Athen entsandten fünfköpfigen Delegation angehörte, schilderte in der PTB-Monatszeitschrift „Solidaire“ die Motive für diese Initiative. Sie sei von dem Gedanken ergriffen worden, den Hellenen helfen zu wollen, nachdem sich eine deutliche Mehrheit des Elf-Millionen-Volkes beim Urnengang gegen die Erdrosselung durch die Brüsseler EU-Zentrale und die Berliner Oberer­presser ausgesprochen habe. Der dem südeuropäischen Staat aufgezwungene „Sparkurs“ habe gerade auch auf dem Gebiet der medizinischen Versorgung eine fast unbeschreibliche humanitäre Krise ausgelöst, die sich weiter verschärft, stellte Freja Haak fest. Diese Situation bestehe übrigens in abgemilderter Form auch in Belgien. Die Einrichtung von Ärztehäusern durch konsequente Linke sei dort als Antwort auf die entstandene Lage bereits weithin anerkannt worden.

Im durch die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internatio­nalem Währungsfonds drangsalierten Griechenland müsse die Lage indes als weitaus dramatischer betrachtet werden. Es gäbe dort 1,5 Millionen Erwerbslose und 3 Millionen unterhalb der Armutsschwelle Vegetierende, was sich gerade im Bereich des Gesundheitswesens auf erschreckende Weise zeige. Die Zahl der an Depres­sionen Leidenden und den Freitod Wählenden sei sprunghaft angestiegen. Einer von drei Griechen besitze inzwischen keinen Krankenversicherungsschutz mehr, weil alle länger als ein Jahr aus dem Erwerbsleben Verdrängten automatisch ihren diesbezüg­lichen Status verlören. Die Krise führe Tag für Tag zur Zerstörung weiterer Arbeits­plätze.

Freja Haak nannte als Anliegen der belgischen PTB-Delegation, Ärztehäuser in Hellas aktiv unterstützen zu wollen. Dabei gehe es vor allem um die drei bereits bestehen­den Zentren, die angesichts des Massenelends für mittellose Patienten geschaffen worden seien. Diese könnten allerdings nur durch Spenden von sie unterstützenden Mäzenen über Wasser gehalten werden. In den drei hellenischen Zentren hätten die sonst bei Krankenhäusern angestellten und freiwillig Mehrarbeit leistenden Ärzte ihre eigenen Praxisräume. Sie hielten vor oder nach der Arbeit unbezahlte Sprechstunden ab und würden von Anwälten ebenso gebührenfrei beraten. Die Verpflegung für die Patienten werde von Sozialküchen angeliefert.

Freja Haak stellte in dem Interview fest: „Das, was heute in Griechenland passiert, kann schon morgen in Spanien, Italien oder auch bei uns geschehen.“

Von den drei erwähnten medizinisch-sozialen Zentren befindet sich eines (Kifa) in Athen. Ihm ist eine Apotheke angeschlossen, die für unentgeltliche Medikamenten­versorgung zuständig ist. Dieser Komplex wurde im Januar 2013 eingeweiht und steht Griechen wie Immigranten ohne Versicherungsschutz unterschiedslos zur Verfügung. Dort sind Fachärzte mehrerer Disziplinen tätig. Ellinikou ist eine kommu­nal betriebene und ähnlich wie Kifa strukturierte Poliklinik, die für Leistungen ihrer freiwilligen Akteure ebenfalls keinen Cent Bezahlung fordert. Tag für Tag werden hier etwa 100 Patienten behandelt. Es erfolgen auch kleinere Operationen. Da sich das Gebäude in unmittelbarer Nähe des inzwischen vor der Privatisierung und dem Verkauf an ein bundesdeutsches Unternehmen stehenden alten Athener Flughafens befindet, haben sich die Verantwortlichen unterdessen auf die Suche nach einem anderen geeigneten Objekt begeben.

Schließlich besteht auch in Piräus eine Einrichtung der solidarischen Medizin. Ein­wohner der Hafenstadt sowie Ärzte und Pflegepersonal sind dabei, die Bereiche über eine unentgeltlich gewährte Untersuchung und Betreuung der Kranken hinaus auf eine Zahnstation, Ergotherapie und Logopädie sowie psychologische Behandlungs­kapazitäten zu erweitern.

Die Genossen der PTB, die über jahrzehntelange Erfahrung auf diesem Gebiet verfü­gen, wollen die griechischen Ärztehäuser auch durch eine Spendenaktion stärken.