RotFuchs 216 – Januar 2016

Zum gezielt verbreiteten Glauben an
ein Demokratiewunder in Myanmar

Ist Aung San Suu Kyi eine Heilsbringerin?

RotFuchs-Redaktion

Folgt man den Berichten und Kommentaren der westlichen Meinungsmacherindustrie, dann hat sich in Myanmar, das früher als Burma bezeichnet wurde, buchstäblich über Nacht ein Wunder ereignet: Während das der VR China benachbarte südostasiatische Land, in dessen Grenzen nationale und religiöse Minderheiten wie die zu Zehntausenden ins Meer gejagten Rohingyas nach wie vor schärfster Diskriminierung unterliegen, bisher nur schlechteste Noten erhielt, ist dort mit dem nicht vom Himmel gefallenen Wahltriumph der Friedensnobelpreisträgerin auf britisch-amerikanische Empfehlung Aung San Suu Kyi offenbar über Nacht ein Hort aufblühender Demokratie entstanden. Tatsächlich bedeutet die neue Situation einen tiefen Einschnitt vor allem nach dem Geschmack jener, die gleich der Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP seit Jahrzehnten an der Untergrabung eines unabhängigen Myanmar gearbeitet haben. Deren Hauptanliegen besteht in der systematischen Beeinträchtigung guter Beziehungen Ranguns zu China. Die Abwesenheit demokratischer Verhältnisse westlichen Stils wurde dabei als das geringste Hindernis betrachtet. Statt dessen verstand man unter der vermeintlich angestrebten Demokratisierung Myanmars in erster Linie die Durchsetzung imperialistischer Pläne, zu denen besonders die Schaffung günstiger Bedingungen für das Operieren multinationaler Konzerne und Banken gehört. Die „Demokratisierung“ Myanmars hatte dabei wegen der natürlichen Reichtümer des Landes, vor allem aber wegen seiner strategischen Lage im Zentrum nicht nur südostasiatischer Verbindungswege, von jeher einen besonderen Stellenwert.

Aung San Suu Kyi wirft sich
US-Präsident Obama an den Hals.

Wenn die gelenkte und gleichgeschaltete Presse im Dienste des Westens geradezu emphatisch die „ersten freien Wahlen“ und den plötzlichen Übergang zur Demokratie in Burma feiert, dann muß man tiefer loten, um den Gründen solcher Sympathiebekundungen auf die Spur zu kommen.

Wie stellt sich die Lage nüchtern urteilenden politischen Beobachtern tatsächlich dar? Handelt es sich hier wirklich um einen Übergang zur Demokratie?

Aung San Suu Kyi läßt sich als Galionsfigur feiern, obwohl sie zu den geschilderten Genozidverbrechen an Minderheiten und der systematischen Diskriminierung bedeutender Bevölkerungsteile nach wie vor schweigt. Das war übrigens nicht immer der Fall, fand man sie doch nach ihrer Freilassung aus dem Hausarrest oft genug in der Gesellschaft von Personen, die für diese Situation Mitverantwortung trugen.

Die Diskriminierung der Rohingyas kennt keine Grenzen.

Der Burma-Kenner Guy Horton – er verfaßte 2005 den Report „Lebendig sterben“, der internationale Aufmerksamkeit hervorrief und sogar dem UN-Sicherheitsrat zugänglich gemacht wurde – schrieb unlängst, San Suu Kyis „Zurückhaltung“ mache sie zur Komplizin.

Angeblich befindet sich Myanmar bereits seit 2010 in einer „Übergangsphase zur Demokratie“, was auch als Symptom für ein Anwachsen des westlichen Einflusses  gewertet werden könnte. Gerade in diese Periode aber fällt die systematische Vertreibung von mehr als 300 000 Angehörigen ethnischer Volksgruppen wie der Kachin, der Shan und der Rohingya. Anderthalb Millionen Menschen unterliegen allein im nördlich gelegenen Territorium Rhakine schärfster Diskriminierung. während in Kachin 120 000 Zivilisten aus ihren Häusern vertrieben wurden.

Frieden und demokratischer Übergang sähen anders aus, liest man im kanadischen Online-Dienst „Global Research“. Demgegenüber begrüßte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, Südkoreas einstiger Außenminister, den angeblich vereinbarten Waffenstillstand.

Heuchelei ist die Devise. Das US-Nachrichtenmagazin „Time“ pries unlängst auf seiner Titelseite den „demokratischen Übergang“ in Myanmar unter der Schlagzeile: „Ungebundenes Burma“.

Der bereits erwähnte Guy Horton hat übrigens zur „demokratischen Übergangsperiode“, die jetzt mit dem Wahltriumph von Aung San Suu Kyi ihren Zenit erreicht haben soll, folgendes geäußert: „Wir sollten sehr skeptisch in bezug auf diese Wahl sein und nicht die absurde Euphorie wiederholen, die Aung San Suu Kyis seinerzeitige Freilassung und ihren Erfolg bei den wenig später stattfindenden Wahlen begleiteten.“

Die persönlichen Aktionen und Ambitionen der Tochter eines gemeuchelten burmesischen Nationalhelden, die in Großbritannien unter elitären Bedingungen aufwuchs und dort auch politisch geprägt wurde, werfen seit etlichen Jahren die Frage auf, an was sie in Wirklichkeit glaubt. Sie stand auf seiten der Militärs bei der Konfrontation um das Bergwerk Lepadaung, teilte das Podium mit Generälen unmittelbar nach der Militärattacke auf Tausende unschuldige Zivilisten in Kachin und wies Vorwürfe zurück, ihre Partner in Uniform hätten Genozidverbrechen an ethnischen Minderheiten begangen. „Wenn sie die Wahlen gewinnt, dann nicht, um die Armee unter zivile Herrschaft zu stellen, sondern aus rein realpolitischen Erwägungen. Als Präsident Obama in Washington ans Ruder kam, bot er Burmas Militär sofort seine ausgestreckte Hand an. Warum wohl?“ schrieb Guy Horton, der 2014 als Sonderberichterstatter der UNO für Menschenrechte in Myanmar auserkoren war und derzeit an der Londoner Schule für Orientalische und Afrikanische Studien lehrt.

Man sollte die Entwicklung in Myanmar und das Handeln der Wahlsiegerin weiter aufmerksam beobachten und weder an Zufälle noch an Demokratiewunder glauben.

RF, gestützt auf „Global Research“, Kanada