RotFuchs 208 – Mai 2015

Ist die Rentenangleichung bis 2019
eine Farce?

Heinz Scharf

Im Februar verlautete aus Merkels Regierung, man sei besorgt, daß die im Koalitionsvertrag vereinbarte volle Angleichung der Ostrenten an die Westbezüge bis 2019 scheitern könnte. Während der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg meint, die schnelle Rentenangleichung sei der falsche Schritt, und man wolle erst einmal abwarten, wie sich der Mindestlohn auf die Renten auswirkt (!), verkündete Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haselhoff (gleichfalls CDU), daß der Markt es nicht richten werde, und „die Politik“ unverzüglich eingreifen müsse.

Die Ostrenten betragen derzeit 92,4 % des Westniveaus.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) mahnte schon Ende 2014, daß die Angleichung ohne zusätzliche Milliarden aus dem Staatshaushalt wohl nicht gelingen könne, weil eine Anpassung der ostdeutschen Löhne, die gegenwärtig bei 80 % der westdeutschen liegen, auch in den nächsten Jahren nicht zu erwarten sei.

Derzeit beträgt die Ost-Standardrente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) etwa 1190, die West-Standardrente aber 1290 Euro.

Völlig unberücksichtigt bleibt dabei die Tatsache, daß in den alten Bundesländern nur 41 % der abhängig Beschäftigten Rente aus der GRV beziehen und 51 % Einkünfte aus einer Kombination von GRV-Rente, betrieblicher Altersversorgung (AV) und anderen Zusatzleistungen erhalten. In Ostdeutschland sind hingegen 98 % der abhängig Beschäftigten allein auf die Rente aus der GRV angewiesen. Betrachtet man nun die Gesamteinkünfte, so entspricht das Ostniveau nur 65 % des Westniveaus!

Der den Bezügen zugrundeliegende Rentenwert und die Beitragsbemessungsgrenze wurden seit dem Anschluß der DDR an die BRD in der Annahme, daß sich die Einkommensverhältnisse in Ost und West kurzfristig angleichen würden, unterschiedlich festgelegt und auch entsprechend fortgeschrieben. Die Bundesregierungen haben jedoch seit 1989 keinen gleichstellenden Aufschwung der Produktions- und Lebensverhältnisse in die Wege zu leiten vermocht.

Seit mehr als zehn Jahren liegen Untersuchungen, Vorschläge und Anträge von Gewerkschaften, Sozialverbänden und der Linkspartei zur Lösung dieses Problems vor. Stets waren sich CDU und SPD einig, dem nicht zu entsprechen. Unisono haben sie in der vergangenen Legislaturperiode alle 19 Anträge der Linkspartei nicht nur abgelehnt, sondern deren Verfasser überdies auch noch verhöhnt.

Da verblüfft es schon, wenn Iris Gleicke (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, im Februar verkünden ließ, sie halte einen „Zwischenschritt“ und nicht etwa den letzten Schritt bei der Rentenangleichung Ost – West im Jahr 2017 für „wahrscheinlich“.

Aber die eigentliche Frage ist doch, ob das mit dem Rentenüberleitungsgesetz angeblich nur für kurze Zeit anvisierte „Sonderrecht Ost“ zur Alterssicherung, das unterschiedliche Rentenwerte und Beitragsbemessungsgrenzen manifestiert, weiterhin unverändert und mit unbestimmtem Ende für die noch lebenden ehemaligen DDR-Bürger und die heute im Osten der BRD Ansässigen gelten soll.

Die damals gegebenen Voraussetzungen haben sich inzwischen grundlegend geändert. 1990 ging man von gleichen Beschäftigungsverhältnissen in ganz Deutschland aus. Doch im Osten ist die Zahl der Beitragszahler deutlich geringer geworden und sinkt weiter. Das Auswandern Arbeitsfähiger in den Westen, das Pendeln von im Osten Lebenden und im Westen Arbeitenden, deren Anzahl Ende 1991 rund 1,7 Millionen betrug und sich bis heute in unterschiedlichem Maße fortsetzt, haben zum Vergreisen ganzer Landstriche auf einstigem DDR-Territorium geführt. Dort gibt es nur noch Rentenempfänger, aber fast keine Beitragszahler mehr. Das ist für die private Versicherungswirtschaft eine Steilvorlage, um profitable Verträge abzuschließen.

Der einzig logische Weg wäre, die Beiträge der aus dem Osten in den Westen abgewanderten Lohn- und Gehaltsempfänger, die alle in die Rentenkasse West einzahlen, denen anzurechnen, die sie im Osten erzogen und auf das Berufsleben vorbereitet haben. Ein Ausgleich, der dem „Generationenvertrag“ entspräche – dem gesellschaftlichen Konsens, daß sich eine Generation solidarisch zur anderen verhalten muß.

„Die Gesetzliche Rente hat eine Zukunft – auch im Osten –, wenn endlich der Rentenwert Ost an den Rentenwert West angeglichen, das Rentenüberleitungsgesetz korrigiert und bei der Rentenversicherung eine grundlegende Kehrtwende eingeleitet wird“, stellte die frühere Bundestagsabgeordnete und jetzige Beraterin der Linkspartei, Dr. Martina Bunge, fest.