RotFuchs 203 – Dezember 2014

Ist meine Ehe rechtsgültig?

Bernd Freygang

Im Jahr 1962 war ich – damals 23 – 1. Sekretär der FDJ-Kreisleitung Zerbst. Meine Verlobte (seinerzeit war es noch üblich, sich zu verloben) wohnte in Magdeburg bei ihren Eltern, während ich in einer spärlich möblierten Dachkammer hauste. Da wir zusammensein wollten, aber auch, um uns als Wohnungssuchende anmelden zu können, beschlossen wir zu heiraten. Mein FDJ-Gehalt war nicht üppig und die Versorgungslage damals nicht gerade glänzend. Deshalb sollte unsere Hochzeit ohne viel Aufsehen „im Familienkreis“ stattfinden.

Als Hilde Biermann, damals 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Zerbst, eine Woche vor dem Ereignis davon erfuhr, war Schluß mit lustig. Ich wurde zu ihr beordert, um mir sagen zu lassen, daß die Heirat des 1. Kreissekretärs der FDJ, der überdies als Kandidat dem Büro der SED-Kreisleitung angehöre, keine „reine Privatangelegenheit“ sei, sondern – in gewisser Weise – eine „Protokollveranstaltung“. Es wurde festgelegt, daß der 2. Sekretär der SED-Kreisleitung und mein Stellvertreter bei der FDJ gemeinsam „alles Notwendige“ in die Wege leiten sollten. „Und Du redest mit Deiner Braut und der Familie“, wurde mir beschieden. Jeder Widerspruch wäre hier zwecklos gewesen. Schließlich hatte ich ja bereits gelernt, „Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit“ zu betrachten.

Also nahmen die Dinge ihren Lauf. Die FDJ-Kreisleitung kam auf Sammelfahrschein zum Polterabend nach Magdeburg. Am nächsten Vormittag erfolgte in Zerbst die Eheschließung. Pünktlich um neun holte uns der Wagen des 1. Sekretärs der FDJ-Bezirksleitung, übrigens ein Sachsenring, zum Festakt ab. Eltern und Schwiegereltern wurden mit Autos der SED-Kreisleitung und dem PKW der FDJ transportiert. Bei der Ankunft vor dem Zerbster Rathaus erwartete uns ein Spalier aus Jungen Pionieren und FDJlern. Es wurden mehr Blumen überreicht, als die Braut tragen konnte. Der Saal des Standesamtes war überfüllt. Mitglieder und Mitarbeiter der Kreisleitungen von SED und FDJ, des Rates des Kreises und andere hatten sich eingefunden. Auch der Komsomolsekretär der bei Zerbst stationierten sowjetischen Panzereinheit war zugegen. Schließlich durfte ein Vertreter der Kreisdienststelle des MfS nicht fehlen. Die Festrede hielt der Sekretär für Agitation und Propaganda der SED-Kreisleitung. Er ließ uns wissen, daß „der Sozialismus siegt“ und „die Ehe die kleinste Zelle des Staates“ sei. Wir beide sagten aus voller Überzeugung „Ja“ und bekundeten das auch durch unsere Unterschrift. Am Ende des Zeremoniells wurde mit Krimsekt angestoßen.

Seitdem war ich der festen Überzeugung, wir seien rechtmäßig verheiratete Eheleute. Doch nun kommen Zweifel auf. Warum? Wenn die DDR, wie man erneut aus Thüringen erfahren konnte, tatsächlich ein Unrechtsstaat war, wie durfte dann dieser eine „rechtmäßig geschlossene Ehe“ beurkunden? Noch dazu, wenn die Heirat von SED und FDJ organisiert worden war!

Ob mir Herr Ramelow da mit einer Rechtsauskunft Klarheit verschaffen kann? Oder sollte etwa das richtungweisende Verhalten unseres Herrn Bundespräsidenten auch für andere als Orientierung gelten? Immerhin hat er ja seine im „Unrechtsstaat“ mit christlichem Segen geschlossene Ehe stillschweigend zugunsten eines völlig neuen, dafür aber „streng rechtsstaatlichen“ Modells der Zweisamkeit aufgegeben.