RotFuchs 211 – August 2015

Helden des Roten Oktober

Jakow Michailowitsch Swerdlow

Steffen Kastner

Die Sowjetunion gedachte ihrer Vorkämpfer nicht nur im stillen, sondern setzte ihnen durch die Benennung großer Städte auch ein würdiges Denkmal. Zu den auf solche Weise Geehrten gehörte neben Lenin, Kalinin, Kuibyschew, Frunse und Woroschilow auch Jakow Michailowitsch Swerdlow.

1885 als Sohn eines Graveurmeisters in Nishni Nowgorod geboren und unter ärmlichen Bedingungen aufgewachsen, schloß er sich – knapp 16jährig – der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands an. Bei dieser Entscheidung gab sicher nicht wissenschaftliche Einsicht, sondern die verschwommene Vorstellung vom Kampf um Gerechtigkeit und damit verbundenes Abenteurertum den Ausschlag. Seine Lieblingslektüre zu jener Zeit waren Bücher über Spartacus und Garibaldi, ehe er zu den gesellschaftskritischen Aussagen von Belinski, Herzen und Tschernyschewski griff. Schließlich festigte die 1902 erschienene wegweisende Schrift Lenins „Was tun?“ sein Weltbild und bestimmte sein künftiges Handeln.

Sehr früh mit dem Kampf unter Bedingungen der Illegalität vertraut, durchlief er alle Stationen, welche die bolschewistischen Kader jener Zeit schmiedeten und ihnen die notwendigen Führungseigenschaften anerzogen: Gefängnis, Kerker, Verbannung. Insgesamt zwölf Jahre wurde er durch die zaristischen Haftanstalten geschleift — mehr als ein Drittel der Jahre, die ihm zu leben vergönnt waren. Wesentlichen Anteil an seiner nie zu brechenden Moral hatte seine Frau Klawdija, die ihm eine aufopferungsvolle Gefährtin war und oftmals Kerker wie Verbannung mit ihm teilte.

Die Zeit der Gefangenschaft wußte J. M. Swerdlow maximal zu nutzen: Er sammelte und studierte alles, was ihn – oft auf kompliziertesten Wegen – an marxistischer Literatur erreichte. So hatte er sich in der Verbannung eine Bibliothek geschaffen, zu der die wichtigsten Arbeiten von Marx, Engels, Lenin und Rosa Luxemburg, aber auch von Kautsky und Hilferding gehörten, mit denen er sich kritisch auseinandersetzte. Diese Art der geistigen Vorbereitung auf die Revolution zahlte sich aus: Als im Februar 1917 die zaristische Selbstherrschaft gestürzt wurde, formierte J. M. Swerdlow in Krasnojarsk den Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten. In den Oktobertagen stand er in vorderster Reihe des bolschewistischen Parteizentrums zur Führung des bewaffneten Aufstands in Petrograd und organisierte dort die kampfbereiten Soldaten der Garnison, die Roten Arbeitergarden der Putilow-Werke und der Petrograder Waffenfabriken sowie die revolutionären baltischen Matrosen.

Nach dem Sieg der Oktoberrevolution wurde J. M. Swerdlow auf Vorschlag Lenins zum Vorsitzenden des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees gewählt. In dieser Funktion leistete er eine aufopferungsvolle Arbeit zum Aufbau und zur Festigung des Sowjetstaates. Doch die Jahre in der Verbannung und ein Übermaß an Belastungen hatten seine Gesundheit so angegriffen, daß er schon 1919 einer Virusgrippe erlag. Die UdSSR ehrte sein Andenken durch die Umbenennung der Stadt Jekaterinburg in Swerdlowsk. (Bis zum Untergang des Sowjetstaates trug sie diesen Namen – d. R.)