Jeder sechste DDR-Bürger besaß
eine Genossenschaftswohnung
Jedem Bürger und jeder Familie ist eine gesunde und ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu sichern.“ Dieses Bestreben fand bereits in der ersten Verfassung der am 7. Oktober 1949 gegründeten DDR seinen Niederschlag. Am 10. Dezember 1953 – also vor über 60 Jahren – wurde vom DDR-Ministerrat die „Verordnung über die weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und die Rechte der Gewerkschaften“ verabschiedet. Sie regelte die Zulässigkeit von Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften – einem freiwilligen Zusammenschluß von Arbeitern, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz zum genossenschaftlichen Bau und Erhalt von Wohnungen. Der Rechtsakt legte fest, daß eine Zwangsvollstreckung privater Gläubiger nicht zulässig sei.
Bereits am 24. März 1954 wurde im Transformatoren- und Röntgenwerk Dresden die erste AWG der DDR gegründet. Ende 1954 existierten bereits 270 solcher Genossenschaften. Neben der allgemeinen Wohnungsnot gab es damals zwei wesentliche Gründe für ihre rasche Ausdehnung. Erstens bekamen die AWG vom Staat kostenfrei Bauland zur dauerhaften Nutzung zugewiesen, das aber Volkseigentum blieb. Zweitens gewährte die DDR zinslose Kredite für 80 %, ab 1957 sogar für 85 % der Baukosten. Die Genossenschaften oder deren Trägerbetriebe mußten also nur 15 bis 20 % des Baugeschehens selbst finanzieren.
Die Mitglieder erwarben einen Anteil, anfänglich meist pauschal in Höhe von 2500 Mark, ab 1957 wurden dann nach Wohnungsgrößen gestaffelte Anteilsbeiträge eingeführt. Die AWG-Mitglieder mußten eine Aufbauhilfe erbringen, entweder am Objekt selbst oder im örtlichen Baugewerbe. Die Stunden, in der Regel mehrere hundert, waren zusätzlich zur täglichen Berufsarbeit, an Feierabenden, am Wochenende oder im Urlaub zu erbringen. Die Verteilung der Wohnungen erfolgte nach Familiengröße, Reihenfolge des Eintritts, Wohnsituation, persönlichen Erfordernissen der Mitglieder, deren Leistungen am Arbeitsplatz sowie in der gesellschaftlichen Betätigung.
1958 bestanden bereits 740 Genossenschaften, deren Mitgliederzahl 74 000 betrug.
1962 erfolgten schon 63 % aller DDR-Wohnungsneubauten im Rahmen des genossenschaftlichen Sektors. Bis 1971 sank dann dessen Anteil auf 17 %. Ab 1973 wurde der Bau genossenschaftlicher Wohnungen wieder verstärkt gefördert und wurden wesentlich höhere Kredite aus dem Staatshaushalt bereitgestellt, wodurch ab 1976 der Genossenschaftsanteil wieder auf 45 % stieg. 1989 befand sich etwa eine Million Wohnungen in der Hand von Genossenschaften und deren Mitgliedern. Jeder 6. DDR-Bürger verfügte über eine genossenschaftliche Wohnung.
Nach 1990 mußten die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften, wollten sie weiterbestehen und ihr Eigentum sichern, die Statuten dem BRD-Genossenschaftsgesetz anpassen. Es gab weder Auflösungen noch Neugründungen. Aus den AWG wurden nunmehr Wohnungsbaugenossenschaften e. G., aus deren Revisionskommissionen Aufsichtsräte, welche die hauptberuflichen Vorstände kontrollieren sollen.
Durch die Sanierung der 20 bis 40 Jahre alten Wohnhäuser konnte die Wohnqualität ab 1990 deutlich verbessert werden. Noch heute gehört die Dresdner WG Aufbau mit ihren rund 17 000 Wohnungen zu den größten Genossenschaften in der BRD. Ungeachtet aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüche ist der Genossenschaftsgedanke nach wie vor aktuell. Nicht zufällig war das Jahr 2012 durch die UNO zum Genossenschaftsjahr ausgerufen worden.
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