Joseph Gutsche
Die Schüsse der Aurora, die akustisch eine Wende in der Menschheitsgeschichte einleiteten, fielen – territorial gesehen – im alten Rußland. Aber sie wurden nicht nur von den unter zaristischer Knute Lebenden gehört, sondern ihr Donnerhall erreichte alle Erdteile.
Zu denen, die auf dieses befreiende Signal hin ihren russischen Klassenbrüdern zu Hilfe eilten, gehörten auch Tausende deutscher Kriegsgefangener. Als der Buchbinder Joseph Gutsche, 1915 kaum zwanzig, in russische Gefangenschaft geriet, ahnte er nicht, daß er schon wenige Jahre später als Zugführer einer internationalistischen Brigade an der Seite der Roten Garde die Errungenschaften der Revolution gegen die Weißgardisten in Rostow am Don verteidigen würde. Zunächst jedoch fuhr der Gefangenentransport nach Werchne-Udinsk, einem Lager östlich des Baikalsees, und später bis kurz vor Wladiwostok.
Es folgten Monate harter Arbeit als Erzfahrer in einer Eisenhütte bei Nikopol. Obwohl sich hier im Lager die Angehörigen zweier feindlicher Armeen befanden – deutsche Textilarbeiter, Landarbeiter, Maschinenbauer, Former und Buchbinder, bewacht von in zaristische Uniformen gesteckten russischen Arbeitern und Bauern –, war die Klassensolidarität zwischen beiden zu spüren. Das wurde besonders deutlich, als die Nachricht vom Sturz des Zaren im Februar 1917 das Lager erreichte. Die Wachen kamen mit roten Fahnen und Bändern und erklärten – durchaus nicht im Sinne der bürgerlichen Kerenski-Regierung –, die Gefangenen seien frei. Joseph Gutsche nutzte die Situation und schlug sich nach Rostow am Don durch, wo er bei einem Buchbinder Arbeit fand. Dort nahm er Kontakt zu den Bolschewiki auf und wurde Mitglied ihrer Partei.
In der Folgezeit kämpfte er mit seinen Genossen gegen die Kosaken des weißgardistischen Generals Kaledin. Nunmehr an der Spitze einer Kompanie aus Internationalisten stehend, setzte sich der deutsche Kommunist für die Festigung der Sowjetmacht ein. Da das kaiserliche Deutschland weiter Krieg führte, blieb Joseph Gutsche an der Seite seiner russischen Klassengenossen und verteidigte gemeinsam mit ihnen das Vaterland der Werktätigen gegen die deutschen Eindringlinge.
Erst Ende 1918 kehrte er in seine Heimat zurück. Er ahnte nicht, daß er 24 Jahre später ein weiteres Mal seinen internationalistischen Auftrag wahrnehmen und als Offizier der Roten Armee nochmals helfen mußte, das erste Land des Sozialismus gegen die Faschisten aus Hitlerdeutschland zu verteidigen.
Nachricht 1041 von 2043