Erich Buchholz zum 90. Geburtstag
Jurist aus Überzeugung
Man mag es kaum glauben: Es sind doch schon wieder zehn Jahre vergangen, seit wir, die wir ihm nahestehen, uns im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Berlin Pankow versammelt hatten, um in einem von seinem Freundeskreis organisierten akademischen Festakt seinen 80. Geburtstag würdevoll zu begehen. Etwa 200 Personen waren seinerzeit erschienen, unter ihnen viele Freunde, Schüler, Doktoranden und wissenschaftliche Wegbegleiter des Jubilars.
Jetzt wird er am 8. Februar 90 Jahre alt, und noch immer ist sein wissenschaftlicher Tatendrang ungebrochen. In den zurückliegenden Jahren erschienen von ihm zahlreiche Bücher, die sich vor allem mit den Rechtssystemen in der DDR und der Bundesrepublik kritisch auseinandersetzten. Darunter auch so bedeutungsvolle Werke wie „Strafrecht im Osten“ oder „DDR-Strafrecht unterm Bundesadler“. Allein diese beiden umfangreichen Schriften sind Standardwerke, wie sie ihresgleichen suchen. Schade ist nur, daß die derzeit tätigen Politiker und Juristen sie so wenig wahrnehmen und verinnerlichen. Wer die Deutsche Demokratische Republik längere Zeit miterlebt oder auch mitgestaltet hat, der weiß, wie recht Erich Buchholz mit seinen Feststellungen hat und wie verlogen die nach 1990 betriebene Verunglimpfung des DDR-Rechts war und ist. Gerade dagegen hat sich Buchholz mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nachhaltig zur Wehr gesetzt und das Justizsystem der DDR immer wieder verteidigt. Anfang der 90er Jahre tat er das als zugelassener Rechtsanwalt und Verteidiger in mehreren Prozessen gegen ehemalige Angehörige der Grenztruppen der DDR, die wegen ihrer hoheitlichen Tätigkeit durch die bundesdeutsche Justiz strafrechtlich verfolgt wurden. In den zurückliegenden etwa 15 Jahren hat er vor allem durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen neue Prioritäten bei der Verteidigung der Rechtsordnung der DDR gesetzt.
Erich Buchholz wurde am 8. Februar 1927 in Berlin geboren und studierte nach dem Ablegen des Abiturs von 1948 bis 1952 Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, der er dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter treu blieb. Es folgten 1956 seine Promotion und 1963 die Habilitation. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Dozent wurde Buchholz 1965 zum Professor für Strafrecht berufen. Bereits ein Jahr später war er Dekan der Juristischen Fakultät, 1976 Direktor der Sektion Rechtswissenschaft. 1991 ereilte ihn dasselbe Schicksal, welches viele verdienstvolle Wissenschaftler der Humboldt-Universität mit ihm teilten: Er wurde entlassen und war dadurch gezwungen, sich beruflich auch neu zu orientieren. Dabei stand er uns jüngeren Anwälten, die wir ebenfalls ehemalige Angehörige der Grenztruppen oder ehemalige Richter und Staatsanwälte der DDR verteidigten, frühzeitig als Berater zur Verfügung. Leider haben ihn bundesdeutsche Gerichte nie als Sachverständigen für das DDR-Strafrecht zugelassen und in dieser Eigenschaft angehört, auch wenn wir uns immer wieder gerade hierum bemühten. Man wollte nicht hören, was nicht ins Bild paßte. Vor allem wollte man sich nicht als bundesdeutscher Richter das DDR-Recht erklären lassen, obgleich dies bitter nötig gewesen wäre. Niemand anderes wäre auch besser prädestiniert gewesen, diese Aufgabe zu erfüllen als Erich Buchholz. Trotzdem hat er sein Wissen und seine Kritik zu Papier gebracht, auch um es der Nachwelt zu erhalten und deutlich zu machen, daß das in den zurückliegenden 25 Jahren geprägte Bild vom DDR-Recht von massiver Fehlerhaftigkeit und immensen Vorurteilen geprägt ist. Das ist sein Kampf gegen die Geschichtsklitterung der Gegenwart, und dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung.
Lieber Erich, es liegen inzwischen mehrere Jahrzehnte zurück, seit ich bei Dir mein Staatsexamen im Straf- und Strafprozeßrecht ablegen konnte. Bereits damals warst Du eine beeindruckende Persönlichkeit, die vor allem davon geprägt war, den jungen Studenten und künftigen Richtern und Rechtsanwälten das Handwerkszeug zu vermitteln, das sie in ihrem Berufsleben brauchten. Das beschränkte sich nicht nur auf die Anwendung der Rechtsnormen, sondern bezog sich auch auf die innere Überzeugung von den moralischen Maximen, die unserer Rechtsordnung zugrunde lagen. So haben wir uns in all den Jahren nie aus den Augen verloren und den regelmäßigen Kontakt aufrecht erhalten. Aus dem Hochschullehrer und Berater wurde so nach und nach ein liebgewonnener Freund, dessen Meinung für mich auch heute immer noch sehr wichtig ist. Auch die Entstehung eines gemeinsamen Werkes, das auf seine Veröffentlichung wartet, hat mir mit Dir sehr viel Freude bereitet. Ich wünsche mir sehr, daß ihm noch weitere folgen. Dir ganz persönlich wünsche ich alles Gute, vor allem Gesundheit, weitere viele kluge Ideen für Bücher und Aufsätze und Deine Einmischung, wo immer Recht dazu mißbraucht wird, politische Diffamierung zu betreiben.
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