Kinder und Enkel müssen vor Rattenfängern geschützt werden
Kein „Engagement“ beim Kriegstheater!
Es war das vierte Kriegsjahr. Tag und Nacht flogen britische und US-amerikanische Bomberverbände über Deutschland und luden ihre todbringende Last ab. Auch wir waren „ausgebombt“.
Dank der „Kriegskunst“ des „genialsten Feldherrn aller Zeiten“ erlitten die deutschen Streitkräfte an allen Fronten verlustreiche Niederlagen. Ich war bitter enttäuscht und wütend. Daß Nazi-Deutschland den Krieg begonnen, seine Luftwaffe offene Städte, friedliche Menschen zunächst in Spanien, später in fast allen Ländern Europas bombardiert hatte, kam mir nicht in den Sinn.
Am Tag vor diesem Luftangriff – ich war 15 – wurden wir für die „Heimatflak“ gemustert. Einberufen wurden wir jedoch nicht. So begann ich meine Lehre als Maschinenschlosser. Täglich 10 Stunden Arbeit, auch als Lehrling. Dafür gab es wöchentlich 5 Reichsmark und 23 Pfennige.
Einen Lehrgang im Wehrertüchtigungslager und eine kurze Volkssturmausbildung empfand ich als willkommene Abwechslung. Es erfolgte eine Ausbildung an Pistole 08, Karabiner 98, IMG 34, Panzerfaust und Stielhandgranate 24.
Mit inzwischen 16 erhielt ich Anfang 1945 die Einberufung zum „Reichsarbeitsdienst“. In der Hauptsache wurden wir Tag und Nacht mit Schikanen aller Art beschäftigt, Toilette reinigen mit der eigenen Zahnbürste war noch nicht das Schlimmste. Bedingungsloser Kadavergehorsam stand im Vordergrund. Wenn wir barfuß im Nachthemd mit Gewehr, Stahlhelm und Gasmaske über den Sportplatz gejagt wurden, konnte man am Horizont ein Abendrot sehen – das Trommelfeuer der sowjetischen Artillerie.
Letztlich bin ich dann desertiert und wollte nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen.
Ich brauchte vier Jahre, um mich neu zu orientieren.
Paul, mein Vorarbeiter im Betrieb, ein fleißiger, kluger und stets freundlicher Kollege, war in der KPD. Er hatte einige Jahre im KZ gesessen. Ein anderer, der mir den Beitritt zur Gewerkschaft nahelegte, gehörte der SPD an. Was beide sagten, gefiel mir – aber warum bestanden zwei Arbeiterparteien? Ich begann, mich mit der Geschichte meiner Klasse zu befassen, und bekannte mich nach dem Zusammenschluß von KPD und SPD zur Partei ihrer Einheit.
Am 18. Juni 1953 wurde auch die Belegschaft des VEB Warnow-Werft in den Streik hineingerissen. Im Demonstrationszug waren einige, die sich als „alte Kommunisten“ ausgaben und das große Wort führten. Sie trugen sehr saubere und sogar gebügelte Arbeitsanzüge und ihren Händen war anzusehen, daß sie noch nie einen Hammer berührt hatten. Es handelte sich um eingeschleuste Provokateure.
Später rief die SED zur Bildung von Kampfgruppen für den Schutz unserer volkseigenen Betriebe auf. Jetzt griff ich freiwillig wieder zur Waffe, diesmal nicht aus Rachegefühlen und nicht, um fremde Völker zu unterdrücken, sondern aus innerer Überzeugung, um das eigene Volk vor Unterdrückung und Ausbeutung durch eine Handvoll Kapitalisten zu schützen.
Heute, 25 Jahre nach dem Ende der DDR, stehen wieder deutsche Truppen in fremden Ländern, sind erneut deutsche Soldaten „gefallen“, wie man diese Art zu sterben verharmlost.
Da lese ich in der Zeitung, unsere CDU-Verteidigungs(?)ministerin wolle Familienfreundlichkeit in der Bundeswehr durchsetzen. Verstärkt werden 15- und 16jährige Mädchen und Jungen durch „Jugendoffiziere“ oder Wehrdienstberater angesprochen, um sie für das Militär zu begeistern. Von „Engagement“ ist die Rede, als ob es sich um das Theater handele.
Minderjährige können sich bereits mit 16 zur Bundeswehr melden und dann als „17jährige Soldatinnen und Soldaten“ an der Waffe ausgebildet werden. Mit 18 dürfen sie auch im Ausland eingesetzt werden.
Meine Lebenserfahrungen verpflichten mich, unseren Mädchen und Jungen das zu sagen, was ihnen von den Werbern des Militärs verschwiegen wird.
Bei jeder militärischen Aktion sind die Leidtragenden immer diejenigen, welche am wenigsten schuld daran haben, besonders die unmittelbaren Angehörigen der Opfer und der Täter.
Man will Euch für den „Beruf des Soldaten“ werben – eine Lüge! Das Charakteristische für einen Beruf ist, daß durch ihn Werte geschaffen werden, egal, ob materielle oder geistige. Der Soldat schafft aber keine Werte, sondern zerstört sie! Folglich ist Soldatsein unter kapitalistischen Gesellschaftsbedingungen kein Beruf, sondern Ausbildung und Erziehung zu Gewissenlosigkeit, Brutalität und Mord.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Wehrpflicht inzwischen abgeschafft. Eine friedenspolitische Wohltat für die Jugend und die erfahrungsgemäß argwöhnischen Nachbarn? Keineswegs! Wir haben nun ein stehendes Heer, fälschlicherweise Berufsheer genannt. In ihm unterliegt der Soldat über viele Jahre, möglicherweise sogar lebenslänglich, dem Einfluß seiner Auftraggeber. Er ist ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Rosa Luxemburg schrieb 1906: „Nach dem mehrjährigen Dienst vergißt der Soldat, daß er ein Kind des Volkes ist, hört er überhaupt auf, darüber nachzudenken, was er tut, und ist bereit, auf Befehl der Offiziere den eigenen Vater und die eigene Mutter zu ermorden. So haben die herrschenden Klassen und Regierungen im Militarismus eine Mordwaffe gegen die bewußten Arbeiter und aufrührerischen Bauern.“
Die Aufgaben und Ziele einer „Berufsarmee“ richten sich nicht nur gegen feindliche Streitkräfte, sondern vorrangig auch gegen die Völker, die sich nicht dem Diktat des Kapitals unterwerfen wollen, das eigene Volk eingeschlossen.
Der Verzicht auf die Wehrpflicht in der BRD ist folglich nur dem Schein nach eine friedenspolitische Aktion. In Wahrheit dient er der Verschärfung des militaristischen Ungeistes. Rüstung und Rüstungsexport laufen nach wie vor auf Hochtouren.
Schützen wir unsere minderjährigen Kinder und Enkel vor dem Einfluß der militärischen Rattenfänger. Erinnert sei an den Appell August Bebels: „Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!“
Tragen wir also unsere Forderungen in die Öffentlichkeit:
- Verbot der Werbung für die Bundeswehr in Schulen, an Universitäten und bei Berufsberatungen;
- Kündigung der bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen Bundeswehr und Kultusministerien;
- Verbot der Einstellung und militärischen Ausbildung von Minderjährigen unter 18 Jahren bei der Bundeswehr oder anderen bewaffneten Organen;
- Rückzug aller deutschen Truppen und ihrer Technik, Waffen und Munition aus Auslandseinsätzen;
- Verbot sämtlicher Rüstungsim- und -exporte und Umbau der Rüstungsindustrie für zivile Produktion.
„Laß uns Dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland!“
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