Kurt Bachmann (1909–1997) –
Leben im Widerstand
Fast 50 Jahre ist es her, daß mir, einem jungen Genossen der illegalen KPD, Kurt Bachmann das erste Mal begegnete. Damals ging es um die Konstituierung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), was in mir das Gefühl auslöste: „Endlich wieder eine legale kommunistische Partei!“
Kurt Bachmann wurde am 23. Juni 1909 in Düren geboren. Sein Vater war Handgerber, Gewerkschafter und Kriegsgegner. Er absolvierte eine Lehre als Ledersortierer in Köln, arbeitete ab 1928 in einer Gerberei in Luxemburg, trat 1929 in die Gewerkschaft und in die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition ein. Er wurde fristlos entlassen, als er sich für gewerkschaftliche Forderungen der Belegschaft einsetzte. 1932 fand er den Weg zur KPD in Köln.
Kurt arbeitete nach dem Parteiverbot 1933 illegal. Er übernahm im Neusser Hafen von holländischen Rheinschiffern Flugblätter der KPD, verteilte sie in Köln, schrieb Losungen an Mauerwände, organisierte marxistische Schulungskurse. 1936 heiratete er seine jüdische Frau Alice, die 1942 zusammen mit ihm in Toulouse verhaftet, an die Gestapo ausgeliefert und in Richtung Osten deportiert wurde. Alice Bachmann wurde in Auschwitz umgebracht. Er selbst kam in die Konzentrationslager Johannsdorf, Ratibor, Preiskretscham, Blechhammer, wo er Mitglied der jeweiligen illegalen Parteileitung wurde, und schließlich nach Buchenwald. Nach der Befreiung kehrte er nach Köln zurück.
1968 trat Kurt Bachmann ins volle Rampenlicht der bundesdeutschen Presse. Sein Name wurde verbunden mit der Neukonstituierung der kommunistischen Partei, der DKP, in der Bundesrepublik, in einem Staat, in dem die KPD verboten war. Er war der erste Vorsitzende der DKP von 1969 bis 1973.
Bürgerliche Medien zeichneten ihr eigenes Bild von ihm: „Er ist groß und wirkt doch unscheinbar, seine Züge sind scharf geschnitten und verraten gleichwohl kein Profil. Unauffälligkeit ist das auffälligste Merkmal dieses Kommunisten, der die derzeit 22 000 DKP-Mitglieder in den ersten Bundestagswahlkampf führen soll. (…) Hinter ihm liegt eine Funktionärskarriere, satt an menschlichen Belastungen, doch ohne Höhepunkte.“ („Der Spiegel“ 17/1969)
Ein „profilloser“ Kommunist? Kann ein Kommunist, ein aktiver Antifaschist, profillos sein?
Was ist ein Antifaschist? Die Frage, die mich bei der gedanklichen Rückschau auf Kurt Bachmann aus Anlaß seines 20. Todestages am 23. Februar bewegte, war: Was hatte das größere Gewicht in seiner politischen Geschichte? Kommunist, Antifaschist? Es ist die Frage nach dem, was eine Persönlichkeit am meisten geprägt hat. Kurt Bachmann war Kommunist und Antifaschist! Nicht nur im Faschismus, auch nach 1945 bis zu seinem Lebensende, hatte seine Haltung, sein Handeln ein kommunistisches und antifaschistisches Profil. Beides ist bei ihm nicht zu trennen.
Es ist kein Widerspruch, wenn er seine Hauptaufgabe in der Motivierung des aktiven Antifaschismus heute sah. Die Jüngeren, welche die Realität des Faschismus nicht erleben mußten, waren für ihn und viele andere Kommunisten jene, die man erreichen mußte im Bemühen, über Ursachen, Wirkung und Widerstand im Faschismus zu informieren und sie für den aktuellen Kampf zu mobilisieren. Ihr Anliegen war es, den heutigen Generationen ihre leidvollen persönlichen Erfahrungen zu ersparen.
Für ihn war der gegenwärtige Faschismus nicht die einfache Wiederholung des Gestern – trotz gleicher ideologischer und ökonomischer Basis, Militarismus, Antikommunismus und Rassismus. Er wies darauf hin: „Der Militarismus, früher symbolisiert durch die preußisch-junkerliche Offizierskaste, durch Drill und Kadavergehorsam in den extremen Formen, sucht heute sein wahres Gesicht hinter dem ,Bürger in Uniform‘ zu verbergen. Aber stärker noch als früher plant der Militarismus die totale Erfassung, die Wehrbereitschaft des ganzen Volkes.“
Seine Arbeit, seine Botschaften waren und sind heute noch gültig.
Nur wenn wir die Lehren der Geschichte bewahren und vermitteln, kann ein „kollektives Gedächtnis“ der antifaschistischen Bewegung wieder entstehen. Kurt Bachmann hat seinen Teil dazu beigetragen. Nicht als „Geschichtenerzähler“, sondern als ein „in der Geschichte Handelnder“ und „aus der Geschichte Lernender“.
Den historischen Moment, den Entschluß zu verkünden, wieder eine legale kommunistische Partei in der Bundesrepublik aufzubauen, beschreibt Kurt Bachmann, wie es seine Art ist, nüchtern.
„Im Namen und als Sprecher eines einunddreißigköpfigen Bundesausschusses, der am Vortag, am 25. September 1968, die ,Deutsche Kommunistische Partei‘ konstituiert hatte, trug ich die Erklärung vor, in der wir diesen bedeutsamen Schritt begründeten. (…) Die Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei stieß überall auf großes Interesse. Man spürte, daß sie zum richtigen Zeitpunkt erfolgte. (…) Was uns damals bewegt hat, die DKP zu konstituieren, ist die einfache Tatsache, daß die Arbeiterklasse eine legale Kommunistische Partei braucht, die ihre Klasseninteressen ebenso wie die des ganzen werktätigen Volkes vertritt. (…) Was waren das für Menschen, die der Aufforderung folgten, in der Bundesrepublik eine Kommunistische Partei neu zu konstituieren? Es waren bewährte Kommunisten, die bereits im Kaiserreich, in der Weimarer Zeit, unter dem Hitlerfaschismus in der revolutionären Arbeiterbewegung standen und für den Sozialismus kämpften. Es waren Angehörige der Generation, die als Soldaten oder in der Heimat die Verbrechen des Faschismus und das Grauen des Krieges kennenlernten und die nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus ihre ersten politischen Erfahrungen sammelten und in der KPD und anderen Arbeiterorganisationen für eine antifaschistisch-demokratische Entwicklung unseres Landes eintraten. Und es waren schließlich junge Menschen, die als aktive Teilnehmer der Ostermarschbewegung, der Bewegung gegen die geplanten Notstandsgesetze, der Bewegung für die Beendigung der US-amerikanischen Aggression in Vietnam und der Studentenbewegung zu der Einsicht gelangten, daß es für die Wahrnehmung der Tagesinteressen der Arbeiterklasse und der Jugend sowie für den Kampf um grundlegende gesellschaftliche Veränderungen einer kommunistischen Partei bedarf.“
Kurt Bachmann hat sie geprägt. Sein Vermächtnis bleibt unvergessen.
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