RotFuchs 232 – Mai 2017

Kurz kommentiert

Dr. Matin Baraki

Scherbenhaufen der Nahostpolitik des Imperialismus

Präsident Donald Trump verkündete, eine Zweistaatenlösung (zur Befriedung des Konflikts zwischen Israel und den Paläsinensern) sei für ihn gestorben. Mit seiner fast beiläufigen Bemerkung, er könne auch mit einer Einstaatenlösung leben, hat er jahrelange Bemühungen der USA zur Lösung des Nahostkonflikts zunichte gemacht. Ein jüdisch-arabischer Staat also wäre die Lösung. Diese Botschaft ist fast antizionistisch. Es ist zu bezweifeln, daß Trump selbst die Bedeutung dessen, was er gesagt hat, verstanden hat, vermutet die israelische Zeitung „Haaretz“ aus Tel Aviv am 16. Februar. Der Verzicht auf eine Zweistaatenlösung bedeutet, daß Israel kein jüdischer Staat mehr wäre, sondern ein Apartheidstaat mit Bürgern 1. und 2. Klasse. Damit könnte Israel zum internationalen Paria werden. Aber der Regierung in Jerusalem ist der Siedlungsbau wichtiger, und Trump sind die Palästinenser offenbar gleichgültig. Er sieht in Netanjahu vor allem einen Verbündeten gegen den gemeinsamen Feind Iran, befindet „El periodico de catalunya“ aus Barcelona.

Rechtsstaat BRD?

Vor 70 Jahren, am 17. Februar 1947, wurde eines der wichtigsten Nachfolgeverfahren des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses eröffnet: Im sogenannten Juristenprozeß stand mit den 16 angeklagten Richtern, Staatsanwälten und höheren Justizbeamten zugleich auch der Mißbrauch des Rechts zur Verwirklichung verbrecherischer Ziele vor Gericht.

Die vor Gericht Gestellten hatten das Recht gebrochen, indem sie vermeintlich Recht sprachen. Wie sich das im direkten Sinne des Wortes anhörte, demonstrierte der „erste Jurist des Dritten Reiches“, Hans Frank, in einer Rede am 30. September 1933: „Wir bekennen uns offen dazu, daß wir nationalsozialistischen Juristen in jedem Recht nur das Mittel zu dem Zweck sehen, einer Nation die heldische Kraft zum Wettstreit auf dieser Erde sicherzustellen.“

Die Angeklagten hatten als „Schreibtischtäter“ oder als „Blutrichter“ gewütet und waren sich keiner Schuld bewußt. Ingo Müller, bis zu seiner Pensionierung 2008 Regierungsdirektor und Fachhochschulprofessor für Straf- und Strafprozeßrecht, fand dazu klare Worte: „Der Dolch des Mörders war unter der Robe des Juristen verborgen.“ Und: „Daß ein Rechtssystem prostituiert wurde zu verbrecherischen Zielen – das ist noch eine neue, höhere Dimension des Unrechts.“

Es war u. a. diese „höhere Dimension des Unrechts“, die den Strafrechtler dazu gebracht hatte, 1987 sein Buch mit dem Titel „Furchtbare Juristen“ über die „unbewältigte Vergangenheit“ der westdeutschen Justiz zu publizieren – und damit ganze Generationen von Jurastudenten zu beeinflussen. Wie etwa den heutigen Anwalt für Strafrecht Wolfgang Kaleck: „Was uns als junge Jurastudenten bei der Lektüre des Werkes so in Rage brachte, waren die ungebrochenen Karrieren, von denen Müller berichtete. Etwa vom Autor des Plädoyers für die ‚Ausscheidung der Minderwertigen durch Tötung‘, Hans Puvogel, der 1976 niedersächsischer Justizminister wurde. Oder vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger, der als Marinerichter noch drei Wochen nach Kriegsende einen Soldaten wegen Gehorsamsverweigerung verurteilte.“

Die Verurteilten kamen zwischen 1950 und 1957 alle wieder frei. Bis heute erschütternd: Sie konnten neuerlich auf Beschäftigung hoffen oder aber, falls sie mittlerweile das Rentenalter erreicht hatten, auf üppige Pensions- und Gehaltsnachzahlungen. „Anfang der 50er Jahre strömten zuvor entlassene alte Nazis wieder in den öffentlichen Dienst. Bis 1950 gab es etwa 6000 Verfahren gegen Nazi-Verbrecher, ab 1950 waren es pro Jahr noch mal 30, 20, manchmal nur 15, aber es hörte eigentlich schlagartig auf Mitte der 50er Jahre“, berichtete Bernd Ulrich im „Deutschlandfunk“ am 17. Februar. So entstand der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland …

Läßt Trump die NATO im Stich?

Zur Münchner „Sicherheitskonferenz“ urteilt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 20. Februar: „Das transatlantisch gesinnte Stammpublikum hat seinen Willen bekommen und kann aufatmen, zumindest fürs erste. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat der amerikanische Vizepräsident Mike Pence die Botschaft überbracht, daß sein Vorgesetzter fest zur NATO stehe und die Vereinigten Staaten ihre Verpflichtungen gegenüber der Allianz erfüllen würden. … Nach einem ziemlich chaotischen Beginn der neuen Regierung in Washington und Äußerungen, die europäischen Sicherheitspolitikern den Schrecken in die Glieder fahren ließ, ist dieser Pfeiler der Brücke über den Atlantik doch nicht akut einsturzgefährdet.“ Es wäre naiv zu glauben, die USA würden jemals die NATO als Instrument zur Durchsetzung ihrer internationalen Politik aus der Hand geben. Sie wollen nur, daß dafür die anderen Mitglieder mehr zur Kasse gebeten werden als zuvor.

Mike Pence forderte ein stärkeres Engagement der Europäer in der NATO. „Das heißt konkret: mehr Ausgaben für die Rüstung. Bislang erfüllen nur wenige Mitglieder die Vorgabe, zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufzubringen. Natürlich richten sich die Blicke dabei nun vor allem auf Deutschland als größte europäische Wirtschaftsmacht, auch wenn allgemein bekannt ist, daß sich Bundeskanzlerin Merkel nicht so leicht unter Druck setzen läßt. Zudem ist ungewiß, ob die anderen NATO-Länder so begeistert sind, wenn Deutschland als größte europäische Wirtschaftsmacht seine jährlichen Militärausgaben von derzeit 36 Milliarden Euro fast verdoppelt und in Zukunft auch noch als militärische Großmacht auftritt.“ Die Völker Europas haben noch nicht vergessen, wie gefährlich ein zu starkes Deutschland sein kann.