Martin Schwantes rang um ein breites antifaschistisches Bündnis
Leben und Tod eines
Magdeburger Kommunisten
Obwohl Martin Schwantes die 1. Lehrerprüfung am Seminar in Quedlinburg mit Auszeichnung bestanden hatte, fand er zu Zeiten der Weimarer Republik in Deutschland keine Anstellung. So entschloß sich der am 20. August 1904 als Sohn eines Uhrmachermeisters geborene und in Gommern nahe Magdeburg aufgewachsene junge Mann, sein „Glück“ jenseits des Atlantiks zu suchen. Ostern 1924 heuerte er als Hilfsmatrose auf einem Schiff mit Kurs USA an. Doch glücklich wurde er dort nicht. In keiner seiner vierzehn Arbeitsstellen – als Tellerwäscher, Konditor, im Straßenbau und als Arbeiter bei General Motors – verdiente er mehr als ein paar Dollar. Dafür lernte er die gnadenlose Ausbeutung der amerikanischen Proletarier am eigenen Leibe kennen. Dennoch nutzte der vielseitig Interessierte und Wißbegierige seine kurze Freizeit, um Vorträge, Konzerte und Theateraufführungen zu besuchen. An einer Kunstgewerbeschule entwickelte er sein zeichnerisches Talent. Nach nur zwei Jahren kehrte er als Kohlentrimmer auf einem Dampfer über Italien in die Heimat zurück.
Endlich konnte Martin Schwantes in seinem pädagogischen Beruf arbeiten, zuerst als Hilfslehrer in Gommern, ab 1927 in Magdeburg. Allerdings bekam er hier zunächst keine feste Anstellung, sondern unterrichtete als „Springer“ zugleich an vier Schulen. Erst nach einigen Jahren konnte er an einer Volksschule im Stadtteil Sudenburg festen Fuß fassen. Wo immer er als Lehrer und Erzieher tätig war, bemühte er sich um ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Schülern und deren Eltern. Er versuchte, fortschrittliche Unterrichtsmethoden anzuwenden. Anregungen holte er sich bei den reformpädagogischen kommunistischen Lehrern in Berlin, zu denen er eine ständige Verbindung unterhielt. In dieser Zeit bestand Martin Schwantes die 2. Lehrerprüfung.
Hatte er sich schon in den USA für Politik interessiert, so waren die Entwicklungen in der Weimarer Republik für den intelligenten jungen Mann eine Herausforderung, selbst aktiv zu werden. 1928 trat er in die KPD ein. Hermann Matern, der in Magdeburg die Partei leitete, nahm sich des 24jährigen an. Bald schon trat Martin als Redner nicht nur in der Elbestadt, sondern auch in anderen Orten auf. Er schrieb Beiträge für die Parteizeitung „Tribüne“. 1930 wurde er in die KPD-Bezirksleitung Magdeburg-Anhalt gewählt, wo er zwei Jahre später die Funktion des Sekretärs für Agitation und Propaganda übernahm. Trotz aller Belastung in Beruf und Politik fand er Zeit, sich auf Reisen durch Deutschland sowie nach Schweden, England, Holland und in die Sowjetunion weiterzubilden.
Von den Faschisten 1933 aus dem Schuldienst geworfen, sah er seine vordringliche Aufgabe darin, den Zusammenhalt der Partei und deren politische Aktionsfähigkeit zu sichern. Dazu begab er sich nach Halle, Dessau, Köthen, Halberstadt, Bernburg und Aschersleben, bis man ihn nach Berlin rief, wo er als Instrukteur des illegalen ZK arbeitete. Bei einem Treffen in Erfurt verhafteten ihn die Faschisten im Januar 1934 und folterten ihn so schwer, daß er vier Monate stationär behandelt werden mußte. 1934 verurteilte ihn das Berliner Kammergericht zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus, die er in Kassel, Herfort und Berlin verbüßte, um anschließend in das KZ Sachsenhausen verschleppt zu werden. Dort fand er schnell Anschluß an die Parteiorganisation und half als Vorarbeiter in der Kleiderkammer, später als Blockältester, Solidaritätsaktionen in die Wege zu leiten.
Anfang 1941 wurde Martin Schwantes entlassen. Wieder in Gommern, erhielt er Arbeit als Verkaufs- und Versandleiter einer Schuhfabrik. In dieser Zeit nahm er Verbindung zu Magdeburger Genossen, vor allem zu Hermann Danz, Johann Schellheimer, Fritz Rödel und Hubert Materlink auf, welche die illegale Parteileitung in der Elbestadt bildeten. Ein Jahr später lud ihn Franz Jacob, den er aus dem KZ kannte, nach Berlin ein, wo er Anton Saefkow begegnete, der mit Jacob an der Spitze der untergetauchten Berliner Kommunisten stand. Von diesen ging 1943 die Initiative aus, die regionalen Parteiorganisationen in Sachsen, Thüringen, Anhalt und der Hauptstadt zu vereinigen. Die Berliner Saefkow und Jacob, Georg Schumann (Sachsen), Dr. Theodor Neubauer (Thüringen) und Martin Schwantes bildeten die operative Leitung der KPD in Deutschland. Anfang 1944 erarbeiteten sie das Dokument „Wir Kommunisten und das Nationalkomitee Freies Deutschland“. Darin erklärten sie ihre Übereinstimmung mit den Zielen des NKFD und formulierten Aufgaben für ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland nach der Niederlage des Hitlerfaschismus. Diese Schrift war eine konkrete Anleitung zum Handeln. Martin Schwantes übernahm die Aufgabe, Kontakt zu bürgerlichen Kreisen aufzunehmen, um sie für die Einheitsfront aller Nazigegner zu gewinnen. Es gelang ihm, Künstler, Ärzte, Lehrer, aber auch einzelne Offiziere der Wehrmacht und Sozialdemokraten für die Linie des NKFD zu gewinnen. Mit Pädagogen brachte er Gedanken über die Umgestaltung des Bildungswesens, mit einem Arzt Vorstellungen zu notwendigen Schritten im Gesundheitsbereich nach Überwindung der Nazidiktatur zu Papier.
Am 9. Juli 1944 verhaftete die Gestapo die führenden Magdeburger Kommunisten. Sie wurden am 5. Februar 1945 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Als ein Leidensgefährte Martin Schwantes ihn in der Haft fragte, warum er sich nach seiner Entlassung aus dem KZ wieder in derart gefährlichen Dinge eingelassen habe, antwortete dieser: „Weil ich kein Mann von doppelter Buchführung bin …“
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