RotFuchs 234 – Juli 2017

Wissenschaftliche Weltanschauung

Lebendiges Erbe – Zur Lenin-Vortragsreihe

RotFuchs-Redaktion

„Wenn ich so zurückdenke“, bekannte Hermann Duncker einmal, „dann muß ich euch sagen: der Marxismus ist das Bleibende in der Entwicklung, aber man lernt ihn nie aus …“ Seit Anfang Januar 1974 hatte „Stimme der DDR“ in der Sendereihe „Wissenschaftliche Weltanschauung“ einen neuen Vortragszyklus im Programm. Er machte die Hörer mit Werken W. I. Lenins bekannt, die sich vor allem mit Fragen des wissenschaftlichen Kommunismus befassen. Inge Knoth, Redakteurin der Sendereihe, berichtete in einem Beitrag für die Zeitschrift „FFdabei“ über erste Erfahrungen und Aufgaben dieses Zyklus.

Der Reichtum des Marxismus-Leninismus ist schier unerschöpflich als Theorie und Anleitung zum Handeln. Das beweist der Alltag unserer Republik, das spiegelt sich wider bei der Durchsetzung der Leninschen Prinzipien einer Politik der friedlichen Koexistenz.

Das Leben, der sozialistische Aufbau, die Zusammenarbeit der sozialistischen Länder, der revolutionäre Weltprozeß stellen immer wieder neue, kompliziertere Aufgaben, deren Lösung ständiges Lernen, fortdauernde Weiterbildung verlangt. Es schließt notwendig die Fähigkeit ein, sich offensiv und kompromißlos mit allen Spielarten der bürgerlichen Ideologie auseinanderzusetzen. Erinnert sei an das Lenin-Wort aus „Was tun?“: „… bürgerliche oder sozialistische Ideologie. Ein Mittelding gibt es hier nicht … Darum bedeutet jede Herabminderung der sozialistischen Ideologie, jedes Abschwenken von ihr zugleich eine Stärkung der bürgerlichen Ideologie, …“ (LW, 5/364)

Alle geschichtliche Erfahrung beweist: Der Prozeß sozialistischer Bewußtseins­bildung verläuft weder spontan noch automatisch. Intensive Arbeit ist nötig, Fleiß, Ausdauer. Der Marxismus ist eine Wissenschaft und er muß, um wirksam zu über­zeugen, „wie eine Wissenschaft betrieben, das heißt studiert werden“ (Friedrich Engels). Die Massenmedien lassen sich dabei auf eine vielfältige Art und Weise nutzen. Natürlich gibt es gewisse Grenzen. Rundfunksendungen sind kein Ersatz für das Studium der Klassikertexte und der Lehrbücher. Wohl aber können sie den aufmerksamen Hörer (und nun auch Leser) befähigen, vorhandenes Studienmaterial produktiv für die aktuelle politische Arbeit umzusetzen.

Praxisverbundenheit, Lebensnähe bei der Darlegung auch schwieriger Probleme unserer Weltanschauung sind Voraussetzung dafür, daß sich beim Zuhörer die Gewißheit festigt: Hier wird mir geholfen, die Fragen der Zeit besser zu verstehen, hier lerne ich zu argumentieren. Tausende Hörer haben uns im Laufe der letzten Jahre geschrieben. Das hat die Redaktion natürlich in ihrer Arbeit bestätigt. Zugleich sind solche Briefe Ansporn, die Reihe ständig zu verbessern, größere Anforderungen an uns selbst zu stellen und auch an die Autoren, mit denen die Sendungen gestaltet werden. Daß die Sendereihe „Wissenschaftliche Weltanschauung“ bei vielen Hörern „ankommt“, beweist nicht zuletzt das rege Interesse am „Kundendienst“: Seit Bestehen des Senders „Stimme der DDR“ wurden mehr als 120 000 vervielfältigte Manuskripte verschickt. Der Adressat verfügt freilich damit schwarz auf weiß nur über 50 Prozent der jeweiligen Sendung; die Informationen der zweiten Hälfte kommen „nur“ übers Radio ins Haus. Aufmerksam zuhören muß man nach wie vor. Zahlreiche Briefschreiber verbinden ihr freundschaftliches „Dankeschön“ für zugesandtes Material mit Fragen, Meinungen oder Hinweisen für die künftige Arbeit der Redaktion. Von solchen Briefen – dies nur nebenbei – können wir nie genug haben! Unser jüngstes Vorhaben, der Anfang Januar begonnene Vortragszyklus „Lebendiges Erbe“ berücksichtigt eine Reihe von Anregungen aus Hörerkorres­pondenzen. „Kann uns der Rundfunk nicht stärker unterstützen beim Studium von Klassikertexten? Gebt doch bitte Einführungen in die wichtigsten Arbeiten Lenins!“ – so oder ähnlich lauteten die Anfragen.

Wir haben in der Redaktion eine ganze Weile darüber diskutiert. Natürlich kann man das theoretische Erbe Lenins nicht unterteilen in „wichtige“ und „weniger wichtige“ Schriften. Jede seiner Arbeiten wurde in einer jeweils konkreten Klassenkampf­situation verfaßt und enthält dennoch Hinweise und Verallgemeinerungen, die bedeutsam geblieben sind bis in die Gegenwart. Bei der Erarbeitung der Konzeption des Zyklus „Lebendiges Erbe“ entschloß sich die Redaktion, hier eine Reihe von Schriften und Artikeln vorzustellen, die W. I. Lenin nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution verfaßte und in denen er Probleme des wissenschaftlichen Aufbaus, die Rolle der Partei oder Fragen der sozialistischen Demokratie darstellte. In unserer Auswahl befinden sich auch Schriften, in denen sich Lenin in den ersten Jahren der jungen Sowjetmacht mit Gegnern im Innern des Landes und in der internationalen Arbeiterbewegung auseinandersetzen mußte. Zu nennen sind hier „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“ oder „Der linke Radika­lismus“, Lenins Auseinandersetzungen mit Trotzki und Bucharin in der Gewerk­schaftsfrage.

Wir beginnen mit Lenins Schriften „Wie soll man den Wettbewerb organisieren?“ Es folgt „Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht“ (verfaßt im März/April 1918). Diese Arbeit Lenins besitzt eine außerordentlich große historische Bedeutung. Sie orien­tierte die Partei auf die Lösung sehr konkreter Aufgaben der sozialistischen Revo­lution. Lenin entwickelte in dieser Schrift einen wissenschaftlich begründeten, detaillierten Plan für die Reorganisierung der ökonomischen Struktur des Landes. Er legte hier die Grundprinzipien für die Wirtschaftspolitik der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus dar. Seine Bilanz aus der bisherigen Tätigkeit der Kommunistischen Partei lautete: „Wir, die Partei der Bolschewiki, haben Rußland überzeugt. Wir haben Rußland den Reichen, den Ausbeutern, abgerungen zugunsten der Armen, der Werktätigen. Wir müssen jetzt Rußland verwalten. Und die ganze Eigenart der gegenwärtigen Situation, die ganze Schwierigkeit besteht darin, die Besonderheit des Übergangs von der Hauptaufgabe, das Volk zu überzeugen und die Ausbeuter mit Waffengewalt niederzuhalten, zu der Hauptaufgabe des Verwaltens zu begreifen.“ Lenin begründete, daß die Staatsform dieser Periode nur die Diktatur des Proletariats sein kann, und rief dazu auf, den neuen Staat zu festigen und allseitig zu entwickeln. Er widmete sich in dieser Schrift so wichtigen Problemen wie der Erhö­hung der Arbeitsproduktivität und dem Prinzip des demokratischen Zentralismus bei der Organisation der Wirtschaftsführung.

Besonderes Augenmerk konzentrierte Lenin auf die Herausbildung einer neuen, bewußten, kameradschaftlichen Disziplin unter den Arbeitern, auf die Erhöhung ihrer Aktivität und ihres Verantwortungsbewußtseins. Er war sich darüber im klaren, daß dies beharrliche und langwierige Arbeit erfordert: Umerziehung der Menschen zu bewußten Bürgern des ersten sozialistischen Staates in der Welt. Diese knappe Skizzierung wesentlicher Aspekte der Leninschen Arbeit „Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht“, mit der sich die „Stimme der DDR“ in der Reihe „Wissenschaftliche Weltanschauung“ beschäftigt, soll verdeutlichen: Lenin hat in genialer Weise vermocht, durch konkrete Analyse der konkreten Situation die Aufgaben der Zeit mit den Gesetzmäßigkeiten einer ganzen Epoche zu verbinden, die Erkenntnisse von Marx und Engels weiterzuführen, zu bereichern durch die neuen Erfahrungen des Klassen­kampfes und der proletarischen Revolution. Eine solche Arbeitsweise kann und muß für jeden von uns Richtschnur seines Handelns werden. Nur so sind die weltverän­dernden Prozesse zu begreifen, die Zusammenhänge der Entwicklung zu verstehen. So manchem jungen Hörer, der die schwere Zeit des Beginns nur vom Geschichts­buch oder von Erzählungen der Eltern her kennt, wird dadurch die große Bedeutung des Wortes „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“ bewußter werden.

„Stimme der DDR“ wird auch mit dem Lenin-Zyklus bemüht sein, dem verpflichtenden Namen dieser Sendereihe gerecht zu werden. Die ersten Hörerzuschriften jedenfalls stimmen sehr zuversichtlich.

Aus „FFdabei“ 5/1974