Leserbriefe
Meine im Juli-RF erschienene „Wortmeldung aus Minsk“ ist ja (leider!) im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Südost-Ukraine höchst aktuell. Ist es nicht erschreckend, wie dreist sich die Kiewer Regierung mit der vollen Unterstützung der USA benimmt? Wir erinnern uns noch daran, wie die westlichen Medien über den belorussischen Präsidenten Lukaschenko herfielen, weil er die sogenannten Demokraten nach den Wahlen von 2010 davonjagte! Doch angesichts der Tatsache, daß jetzt die friedliche Bevölkerung im Osten der Ukraine aus Raketenwerfern beschossen wird, wodurch bereits Hunderte Zivilisten ums Leben gekommen sind, schweigen dieselben „Informationskanäle“. In meinen Augen sind das Chamäleons, aber keine Demokraten.
Boris Popow, Minsk
Vor allem danke ich dem „RotFuchs“ für das von ihm veröffentlichte Material über den Nazi-Extremismus in Deutschland, aber auch in Großbritannien, Frankreich und anderen Staaten, von den USA gar nicht zu reden. Die öffentliche Meinung muß mit aller Deutlichkeit und Konsequenz darüber aufgeklärt werden, wer den politisch-moralischen und kulturellen Zerfall der bürgerlichen Demokratie vorantreibt, wer die Kriegshetze anfeuert und im Namen vermeintlicher Freiheit eine globale Klasse von Sklavenarbeitern zu schaffen bemüht ist.
Dr. Vera Butler, Melbourne
Gerade habe ich den Leitartikel im Juli-„RotFuchs“ gelesen. Mir gefällt es, wenn die Grenze zwischen der DDR und der BRD als das bezeichnet wird, was sie wirklich war: ein antifaschistischer Schutzwall! Auch wenn es sich dabei um eine schwergewichtige Wortkombination handelt, trifft sie den Nagel auf den Kopf. Der Bezug zur Gegenwart ist ebenfalls gelungen. Angesichts der Bedrohung von rechts, die immer stärker wird, ist das Thema Antifaschistischer Schutzwall heute aktueller denn je.
Max, E-Mail
Als Mitglied des „RotFuchs“-Fördervereins freue ich mich über die vielen bemerkenswerten Beiträge in unserer Zeitschrift. Mich bedrückt aber, daß die linken Kräfte im Ergebnis von Uneinigkeit in etliche kommunistische oder sozialistische Parteien, humanistische, soziale und kulturelle Vereine gespalten sind und daher oftmals nur ihr Eigenleben fristen. In Anbetracht der Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung und der Tatsache, daß die Ausbeutung der Menschen unerträgliche Formen annimmt, scheint es mir dringend erforderlich, ideologische Differenzen und unterschiedliche Auffassungen wo immer möglich zurückzustellen. Der Herrschaft der Monopole und deren geschäftsführendem Ausschuß muß Paroli geboten werden. Ein grundsätzlicher Richtungswechsel in der Politik ist unerläßlich. Dieser kann jedoch nicht durch den Eintritt der Partei Die Linke in eine Koalitionsregierung erreicht werden, da sie als Juniorpartner letztlich nur gegen das Volk gerichtete Entscheidungen der dominierenden Parteien mitzutragen hätte. In der gegenwärtigen nichtrevolutionären Situation in Deutschland muß die Linke eine konsequente Oppositionspolitik betreiben. Um wirkliche Veränderungen herbeizuführen, genügt es nicht, im Bundestag kritische Reden zu halten, in Talkshows aufzutreten und Bücher zu verfassen. Unbedingt erforderlich ist es, vor allem auch den außerparlamentarischen Kampf in einer Allianz gegen Krieg und Faschismus, für Arbeit und soziale Gerechtigkeit zu führen.
Oberst der VP a. D. Rudolf Höll, Berlin
Den Ausführungen von Prof. Grasnick zur Kontinuität des Rechtsextremismus in Deutschland stimme ich ohne Einschränkungen zu. Als sich Faschisten und Rechte auf dem Kiewer Maidan austobten, verharmloste die grüne Theologin Göring-Eckardt das Geschehen in einer brüskierenden Antwort an die Linken im Bundestag. Sie meinte, die Kräfte der „jungen ukrainischen Demokratie“ würden mit denen schon fertig. Die BRD, in der die Politikerin lebt, versteht sich als „gefestigte und wehrhafte Demokratie“. Dennoch ist sie bis heute mit den neonazistischen Parteien und Vereinigungen nicht fertiggeworden. Wenn man Sprecherin einer Partei ist, die Vergleiche mit Auschwitz schon einmal – ich denke an Joschka Fischer – als Kriegsbegründungslüge für ihre Teilnahme am völker- und grundgesetzwidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien mißbrauchte, sollte man seine Worte bedächtiger wählen.
Harry Pursche, Leipzig
Anfang Juli erhielt ich ein Video über die Auseinandersetzung zwischen Sevim Dagdelen von der Partei Die Linke und der Grünen Karin Göring-Eckardt in der 38. Sitzung des Bundestages am 4. Juni. Es ging um die Ukraine. Als Antwort auf deren dubiose Argumentation zitierte Sevim Dagdelen Worte Bertolt Brechts aus dessen „Leben des Galilei“: „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“ Es waren harte, aber berechtigte Worte.
Lange vor Brecht hatte Goethe Anfang des 19. Jahrhunderts der Welt mitgeteilt: „Wenn Du nichts kannst, sei Dir verziehen. Wenn Du nicht willst, nimmermehr.“ Angesichts ihres Intellekts sollte man davon ausgehen, daß Karin Göring-Eckardt die Hintergründe der gegenwärtigen Situation in der Ukraine durchaus kennt, sie aber bewußt ausblendet oder in Abrede stellt.
Die Reaktion einiger Verantwortlicher der Partei Die Linke auf die Äußerungen Sevim Dagdelens zeigt, daß auch in deren Reihen noch viel getan werden muß, um sich konkret und sachlich von den anderen Parlamentsparteien abzugrenzen. Ein Anbiederungskurs der PDL bei der SPD oder den Grünen würde in die Bedeutungslosigkeit führen, denn ohne klare Linie dürfte sie keinen Rückhalt im Volk finden.
Dr. Manfred Graichen, Berlin
Ehre allen in der Ostukraine, die um die Verteidigung ihrer Rechte gegen eine faschistisch durchsetzte Kiewer „Mannschaft“ kämpfen. Die „Separatisten“, nicht aber jene, welche sich an die Macht geputscht haben, verdienen Anerkennung. Wir gedenken aller Pro-Russen, die seit Beginn dieses Bürgerkrieges ihr Leben eingesetzt und verloren haben.
Man muß darauf hinweisen, daß die Geschehnisse in der Ukraine eine Fortsetzung der seit etlichen Jahrzehnten verfolgten Strategie des von den USA angeführten Weltimperialismus zuerst gegen die Sowjetunion und jetzt gegen Rußland darstellen. Dabei spielen Figuren wie der Milliardär Poroschenko, dessen Steigbügelhalter in Washington, Berlin, Paris und Brüssel sitzen, ihren Part.
Sicher war auch der bisherige Oligarchen-Präsident Lukaschenko nicht astrein. Doch der Machtwechsel führte dazu, daß erstmals in Europa Faschisten von außen an die Macht gebracht worden sind.
Unsere Solidarität gehört der pro-russischen Bevölkerung in der Ostukraine und allen Antifaschisten des leidgeprüften Volkes. Hände weg von der KP der Ukraine!
Hans-Georg Vogl, Zwickau
Bei seiner diesjährigen Rede an der US-Militärakademie West Point erklärte Präsident Obama den Offiziersanwärtern, die Vereinigten Staaten spielten eine Rolle, die alles rechtfertige, was sie täten. „Ich glaube an Amerikas Ausnahmestellung mit jeder Phase meines Seins. Aber was uns zur Ausnahme macht, ist nicht unser Vermögen, den internationalen Normen und Gesetzen zu spotten, sondern unseren Willen durch Taten umzusetzen.“
Vom Beginn einer neuen US-Führungsrolle hatte er bereits unmittelbar nach seiner Wahl am 4. November 2008 gesprochen. Daß er damit Kriege gemeint hatte, zeigte sich schon bald an seinen Taten. Obwohl auch andere NATO-Mächte in Europa und Nahost einbezogen wurden und sich die Formen der Kriegführung änderten, handelt es sich um eine direkte Weiterführung der von George W. Bush begonnenen Aggressionspolitik.
Zur Zeit muß es für den „Friedensnobelpreisträger“ Obama ein wahres Dorado sein: Es brennt nach wie vor in Afghanistan, Pakistan, Syrien, Irak, Libyen, mehreren Staaten Afrikas und in der Ukraine, direkt vor der russischen Haustür. Auch wenn dem Schein nach unterschiedliche Akteure am Wirken sind, sitzen die „Strippenzieher“ in Übersee. Washingtons Politik in Sachen Ukraine zeigt, daß sich das Pentagon vom Konzept eines möglichen Krieges gegen Rußland bis heute nicht verabschiedet hat.
Horst Neumann, Bad Kleinen
Bismarck soll gesagt haben, es werde nie so viel gelogen wie vor einer Wahl, während eines Krieges und nach einer Jagd. Und dennoch hätte ich eine derartige Verlogenheit in der Außenpolitik der imperialistischen Regierungen des Westens nicht für möglich gehalten.
Ausgerechnet die USA, die einst gegen Korea und Vietnam, dann gegen Irak und Afghanistan verbrecherische Kriege vom Zaun brachen, beschuldigen Rußland des Völkerrechtsbruches, weil es sich den politischen Provokationen und der militärischen Einkreisung widersetzt.
Hoffentlich denken die fünf Abgeordneten der Partei Die Linke darüber nach, welchen Schaden sie allen Friedenskräften dadurch zugefügt haben, daß sie erstmals durch ihr Ja das Nein ihrer Partei zu allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr aufgeweicht haben.
Dieter Knoderer, Berlin
Das völkerrechtliche Abkommen der Alliierten, das auf der Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August 1945) unterzeichnet wurde, sollte der Koordinierung ihrer Nachkriegspolitik in Europa dienen. Damals wurden von den Regierungschefs der UdSSR, der USA und Großbritanniens weitreichende Maßnahmen beschlossen. Frankreich trat dem Potsdamer Abkommen am 7. August 1945 bei. Dessen entscheidende Ziele bestanden darin, Garantien dafür zu schaffen, daß von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen konnte. Dazu sah man Maßnahmen zur endgültigen Umgestaltung des Lebens der Deutschen auf friedlicher und demokratischer Grundlage bei vollständiger Beseitigung des Faschismus und Militarismus wie der Monopolvereinigungen, die Bestrafung aller Nazi- und Kriegsverbrecher sowie andere Maßnahmen vor. Das Potsdamer Abkommen enthielt Bestimmungen über Wiedergutmachung und legte die Oder-Neiße-Grenze fest. Seine Grundsätze zielten darauf ab, in Europa Voraussetzungen für eine stabile Friedensordnung zu schaffen und den Deutschen die perspektivische Möglichkeit zu eröffnen, ihren Platz unter den friedliebenden Völkern der Welt einzunehmen.
Dr. Rudolf Dix, Zeuthen
Heute 71, wohne ich seit eh und je in Zittau hinter den Bergen bei den größten Zwergen und den kleinsten Riesen. Doch Spaß beiseite: Seit etwa zwei Jahren tausche ich die Exemplare des von mir abonnierten Magazins „Der Spiegel“ gegen den „RotFuchs“ mit viel Erkenntnisgewinn. Ich bin noch immer in einer 2-MW-Biogasanlage beruflich tätig. Aufgrund meiner slawischen Sprachkenntnisse (russisch, tschechisch, polnisch) unterhalte ich gute persönliche Kontakte dorthin. Neulich sandte mir mein junger tschechischer Freund – er ist Magister für Geschichte und Deutsch – einen aufschlußreichen Link. Er gibt den Blick frei auf Planungen der US-Kriegsmarine, die Krim als Stützpunkt zu nutzen. Muß ich dem noch etwas hinzufügen?
Mit guten Wünschen auf eine weiterhin wachsende Leserschaft.
Dipl.-Ing. Arndt Bretschneider, Zittau
Ein Wort zur Debatte zwischen Günter Bartsch (Mai-RF) und Dr. Klaus Schwurack (Juli-RF): Den von Bartsch getroffenen Aussagen zu Walter Ulbricht stimme ich uneingeschränkt zu. W. U. war der bedeutendste Staatsmann der DDR. In ihr vollzog sich die sozialistische Gesellschaftsgestaltung im Spannungsfeld zwischen sowjetischen und konkret-historischen Erfahrungen des sozialistischen deutschen Staates. Eine schematische Übernahme sowjetischer Wege, Formen und Methoden erfolgte nicht. Insofern gab es kein sowjetisches Modell.
Es trifft aber zu, daß sich wesentliche Strukturen der politischen Macht und der Funktionsweise der SED – darunter das Verständnis ihrer führenden Rolle in der Gesellschaft – am sowjetischen Beispiel orientierten. Das hatte zweifellos Folgen für den Führungsstil der SED, der auch gewisse Deformationserscheinungen aufwies. „Auch waren in der SED noch andere Traditionen als in der KPdSU lebendig. … In vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens der DDR existierten basisdemokratische Bewegungen, an denen die Bürger freiwillig beteiligt waren“, schrieb Klaus Steiniger im RF vom Juli 2004. So entstand in der DDR ein politisches System, das den historisch-konkreten Bedingungen entsprach. Es konnte mit originellen sozialistischen Lösungen lange Zeit eine Rolle spielen. Im Zuge des Niedergangs der Sowjetunion war die DDR aber außerstande, die herangereiften Probleme auf demokratische Art zu lösen. Wie andere Wissenschaftler gelangte ich zu der Erkenntnis, daß es sich um eine frühsozialistische Entwicklung handelte. Walter Ulbricht hatte insofern den richtigen Ansatz.
Für falsch halte ich Dr. Schwuracks Meinung, Stalin habe die auf dem XVIII. Parteitag der KPdSU festgelegte Linie des Übergangs zum Aufbau des Kommunismus als strategische Aufgabe selbst korrigiert. In seiner Arbeit „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR“ (1952) ist sie noch voll enthalten.
Der „RotFuchs“ gibt uns die Möglichkeit, freimütig zu diskutieren. Das steht ihm gut zu Gesicht.
Prof. Dr. Ingo Wagner, Leipzig
Ich bedanke mich sehr, daß mich der „RotFuchs“ zum 92. Geburtstag durch den Abdruck eines Textes aus meiner Feder, der bereits 1965 erschien, in besonderer Weise erfreut hat. Auch bin ich stolz darauf, daß ich dem „Versandhaus Dockhorn“ die Adressen des 63., des 64. und des 65. von mir geworbenen Abonnenten mitteilen konnte.
Helmuth Hellge, Berlin
Der eindrucksvolle Artikel Helmuth Hellges „Befreier und Befreite“, der als Nachdruck aus der „Deutschen Lehrerzeitung“ im Juli-RF erschien, veranlaßt mich zu den folgenden Zeilen:
Im April 1945 begann ich in Schwarzenberg, welches bekanntlich samt Umgebung zunächst ein unbesetztes Gebiet war, meine Lehre als Bauklempner und Installateur. Der Meister beauftragte mich, eine kleinere Wasserleitungsreparatur auszuführen. Mit einem Werkzeugkasten unter dem Arm setzte ich mich in Bewegung. Auf dem Schulberg stand ein Konvoi von Jeeps der U.S. Army mit aufmontierten Maschinengewehren. In den Fahrzeugen saßen GIs unterschiedlicher Hautfarbe. Aus Neugier blieb ich – wie andere auch – dort stehen. Die Amis zündeten sich Zigaretten an, machten ein oder zwei Züge und warfen die langen Kippen weg. Wenn sich jemand danach bücken wollte, verließen die Soldaten ihre Fahrzeuge und traten dem Betreffenden auf die Hand, wobei sie lachten.
Das Kontrastprogramm: Auf dem Heimweg sah ich vor der Gaststätte „Anker“ sowjetische Soldaten. Sie hatten von ihren Panjewagen eine Feldküche abgeprotzt und in Betrieb genommen. Auch dort standen etliche Schaulustige herum. Die Rotarmisten forderten Kinder durch Gesten dazu auf, nach Hause zu gehen und Gefäße zu holen. Als sie zurückkamen, füllten ihnen die Soldaten ihre Töpfe und Krüge mit Kohlsuppe aus der Feldküche.
Manfred Schwallmann, Schwarzenberg
Unlängst erschien die Broschüre „Sozialismus-Diskussion – Muß der Sozialismus produktiver als der Kapitalismus sein?“ (www.sozialismus-diskussion.net / Mark Staskiewicz, Babenberger Straße 47/21 in 8020 Graz, Österreich).
Die Schrift wurde von drei Mitgliedern der KPÖ Steiermark verfaßt. Sie bildet eine gute Grundlage für eine Diskussion über die historische Alternative zum Kapitalismus. Vielleicht gibt es unter den „RotFuchs“-Lesern Genossinnen und Genossen, die sich für diese Publikation österreichischer Marxisten interessieren.
Mark Staskiewicz, Graz
Von der CIA wurden eingestandenermaßen 629 Attentatsversuche gegen Fidel Castro unternommen. Wie durch ein Wunder überlebte er alle geplanten Anschläge. Felicidades para Fidel! Nachträglichen Glückwunsch für den Comandante en Jefe, der am 13. August seinen 87. Geburtstag begehen konnte.
Fordert die sofortige Freilassung der drei antiterroristischen Kundschafter aus den Reihen der Cuban Five, die noch in den Knästen der Amis gefangen gehalten werden!
Frank Moldenhauer, Bochum
1951 nahm ich an den III. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in der DDR-Hauptstadt teil. Westberlins Regierender Bürgermeister Ernst Reuter lud alle FDJler dorthin ein. Das Angebot wurde vom FDJ-Zentralrat angenommen. Geplant war ein Sternmarsch, also kein Einzelspaziergang über die Sektorengrenze. Vorher hatten wir unsere Haltung festgelegt: nicht provozieren, ohne Transparente und Kampflieder. Wir waren uns darin einig, daß Herr Reuter etwas anderes im Sinn gehabt hatte. Doch Einladung war Einladung. Wir begaben uns also nach Westberlin. Alles schien ruhig. Die Spitze unserer Kolonne hatte die Sektorengrenze gerade erst überschritten und etwa 200 Meter zurückgelegt, als Hunderte nach dem Westberliner Polizeipräsidenten benannte Stumm-Polizisten auftauchten. Sie schlugen sofort unbarmherzig auf FDJler ein, warfen sie zu Boden und hatten es besonders auf die Mädchen abgesehen, deren Brüste zum Ziel ihrer Knüppel wurden. Sie fuhren mit Jeeps in unsere Gruppen. Angesichts dieser Vorfälle wurden die Kolonnen eiligst nach Ostberlin zurückgeleitet. Hunderte FDJler trugen Verletzungen davon.
Dieses Erlebnis steht mir vor Augen, wenn westliche Politiker und Journalisten von Menschlichkeit schwadronieren.
Eberhardt Steinhäuser, Görlitz
Der Beitrag Gisela Steineckerts zu Biermann, der im RF ein lebhaftes Echo gefunden hat, gefiel auch mir ganz besonders. Jahrzehntelang spielte sich dieser Mann als legitimer Kritiker der DDR auf, der von einem angemaßt hohen Roß den sozialistischen deutschen Staat verteufelte und sich obendrein noch als Kommunist ausgab. Bis heute bedauern manche seine Ausbürgerung. Nachdem er für seine Hetze gegen die DDR das Bundesverdienstkreuz erhalten hatte, zeigte Biermann noch offener, für wen er sein Talent vergeudete.
Ich kannte den Namen dieses Mannes bis 1976 überhaupt nicht, doch nachdem ich Biermanns Vorstellung im Westfernsehen erlebt hatte, begrüßte ich die Entscheidung unserer Staatsmacht, ihn rauszuwerfen. Gisela Steineckerts Darstellung hat meine damalige Haltung noch bekräftigt.
Dr. Holger Michael, Erkner
Beim Lesen des Artikels „Eindrücke einer jungen Künstlerin“ von Samira Manthey im Juni-RF stellte ich fest, wie sehr die Niederlage des Sozialismus in Europa auf die junge Generation einwirkt. Inzwischen bekämpft der Imperialismus noch erbitterter jegliche Gefahren für sein Machtsystem. Er tut es auf allen Feldern, mal mit subtilen, mal mit brachialen Methoden und unter Einsatz elektronischer Mittel.
Viele Menschen akzeptieren Allgemeinplätze und sogenannte einfache Lösungen, die ihnen vermeintlich starke Politiker wie Angela Merkel empfehlen. Nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts sind sie noch immer hilflos und enttäuscht, vor allem aber unsicher, wie man sich wehren kann. Sie erkennen oftmals zwar die Hohlheit heutiger Politik, durchschauen auch die Gefahren der „marktgerechten Demokratie“, das Anwachsen polizeilicher Gewalt und politischer Eingriffe in ihr tägliches Leben, handeln aber nicht entsprechend.
Andererseits gibt es durchaus Kräfte, die für soziale Veränderungen eintreten. Wir Linken müssen vorbehaltlos, prinzipienfest und gewappnet mit unseren Erfahrungen den Erfolg demokratischer, auf einen Wandel der Verhältnisse drängender Bewegungen, zu denen auch viele junge Menschen gehören, mitgestalten. Der RF sollte sich stärker mit den sozialen Bewegungen der Gegenwart befassen. Das vermittelt historischen Optimismus.
Ingo Hänel, Berlin
Unsere „Helden“ sind aus Brasilien zurückgekehrt. Die Leistung der Fußballspieler der Weltmeister-Elf verdient Anerkennung. Mit welchem Fanatismus sie und ihre Trainer jedoch glorifiziert wurden, entspricht nicht dem Vollbrachten. Wieder einmal sind „wir Deutschen“ die Größten! Da paßten auch schon mal ein paar Gesänge der Schadenfreude und Häme für die „ach so schwachen“ Spanier, Portugiesen, Brasilianer und Argentinier ins Konzept. Die „Sächsische Zeitung“ trieb die Dinge auf die Spitze: „So wünscht man sich die ganze Nation!“
Fazit: Was wollen da linke Quertreiber und Nörgler, die unserem selbstbewußten und stolzen Volk nur die Suppe versalzen und die Freude am Erfolg nehmen? Selten mußte ein sportlicher Triumph derart dafür herhalten, den Menschen die Augen vor den wahren Problemen zu verschließen, wie das nach der Fußball-WM der Fall war. Schon Cäsar sagte: „Gebt den Leuten Spiele, und sie sind zufrieden.“
Jürgen Förster, Dresden
Die Westzone ist zum vierten Mal Fußballweltmeister geworden. Ich habe diese Bezeichnung absichtlich gewählt, weil ich mich mit diesem Deutschland nicht identifizieren möchte. Trotz all seiner Fehler ist mein Staat nach wie vor die DDR. Wäre sie wie 1974 an dieser WM-Endrunde beteiligt gewesen, hätte ich mit Gewißheit eine DDR-Flagge an mein Auto geheftet.
Mit dem sogenannten Gaucho-Tanz bei der rauschenden Siegesfeier auf der Fan-Meile sollte dem unterlegenen Gegner in besonders unfairer Weise vor Augen geführt werden, was Deutschland beim Fußball darstellt. Freude über einen Sieg ist normal, doch diese Schau war unerquicklich. Die argentinischen Fußballer als Gauchos vorzuführen, ist instinktlos, sind doch Gauchos berittene Viehhirten der Pampas, aber keine Fußballspieler.
Beim heutigen Profi-Fußball muß man alles einkalkulieren, weil bei den meisten Spielern Geld an erster Stelle steht, obwohl es auch unter ihnen noch echte Sportsleute gibt. Dazu fallen mir der italienische Nationaltorwart Gian Luigi Buffon, der Argentinier Lionel Messi oder der sportlich vorbildliche Tscheche Pavel Nedved ein.
Gerhard Frank, Riesa
Beim WM-Spiel gegen Portugal konnte Angela Merkel beim vierten Tor so laut jubeln, als ob sie es selbst geschossen hätte. Wer die Fotos aus der Kabine betrachtete, mochte glauben, die Kanzlerin hätte als Rechtsaußen mitgespielt. Doch in Wahrheit ist sie ja gar keine Siegerin. Ihr „Match“ gegen die USA und deren NSA hat sie jämmerlich verloren. In Washington ließ sie Obama einfach auflaufen.
Nach Brasilien flog Angela Merkel, bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi hingegen hatte sie gekniffen. Angeblich favorisiert sie diplomatische Lösungen, ging aber einem Dialog vor Ort aus dem Wege. Weder bei der Eröffnungsveranstaltung noch bei der Abschlußzeremonie war ein Vertreter aus dem Regierungstroß zur Stelle. Es handelte sich um eine Mißachtung der deutschen Sportler wie der gesamten Mannschaft. Statt eines Dialogs sprudeln der Kanzlerin nur Worte wie „Boykott“ und „Sanktionen“ unablässig aus dem Munde. Wahrlich kein Zeichen von Stärke einer Politikerin, die sich doch so gerne als „mächtigste Frau der Welt“ bezeichnen läßt.
Erhard Richter, Berlin
Der Forderung, die Dr. Helga-Helena Liebecke in ihrem Artikel über das Phantom der DDR-Alt-Schulden“ (RF 198) erhoben hat, stimme ich zu. Sie vertritt den Standpunkt, daß verantwortungsbewußte Bundestagsabgeordnete den von ihr geschilderten Skandal erneut aufgreifen müßten. Sehr aufschlußreich ist der bereits am 1. Juli 2005 im „Tagesspiegel“ erschienene Artikel „Schulden ohne Sühne – 15 Jahre Währungsunion: Wie sich westdeutsche Banken auf unsere Kosten an fiktiven DDR-Krediten bereicherten“. Drei Westbanken übernahmen danach für 599 Mio. DM drei DDR-Banken mit einem „Kreditvolumen“ von 34 Mrd. DM. Unmittelbar nach der Übernahme setzten sie den Zinssatz auf über 10 % hoch. In ca. acht Jahren ist die gleiche Summe von 34 Mrd. DM an Zinsen aufgelaufen. Das vermeintliche Kreditvolumen und die Zinsen ergaben dann eine Summe von 68 Mrd. DM, für die der Bund (mit anderen Worten: der Steuerzahler) geradestehen mußte. Die Infamie der Geschichte aber besteht darin, daß 17 Millionen Menschen in Ostdeutschland dabei für 14 Mrd. DM aufkommen mußten. Da dies zu einem weiteren Anstieg der Verschuldung des Bundes führte, die Betroffenen im Osten also nicht direkt zur Kasse gebeten wurden, ging der Skandal geräuschlos über die Bühne.
Am 31. 12. 1989 lag die Pro-Kopf-Verschuldung in der DDR bei 3000 €. Heute ist jeder Bundesbürger mit etwa 26 000 € verschuldet.
Johann Weber, Ruhstorf (Niederbayern)
Jede Ausgabe des „RotFuchs“ wird von uns und anderen Genossen unserer Basisgruppe der Partei Die Linke genau studiert und zur internen Information wie zu Zwecken der Agitation genutzt. Er ist Seite für Seite sehr wertvoll.
Unsere frühere LPG Oppurg hat übrigens die „UZ“ der DKP viele Jahre bezogen. Sie wurde ja auch von mir als SED-Parteisekretär und im Westen häufig zum Thema „Wie lebt der Bauer in der DDR?“ eingesetzter Referent gebraucht. Jetzt – im September werde ich 90 – reichen mir das ND, der „RotFuchs“ und Lokalzeitungen. Wir haben stets auf Parteiebene und in landwirtschaftlichen Zusammenhängen mit der DKP Verbindung gehalten und zusammengearbeitet. Meine Frau und ich besuchten das DKP-Pressefest in Dortmund und das Fest der „Humanité“ in Paris. Einwohner unseres Ortes, deren Tochter dort verheiratet ist, haben lange Zeit im westafrikanischen Benin gearbeitet. Sie halfen in der Stadt Toui beim Bau von Wasserbehältern und Schweineställen. Mit Freude habe ich auf dem Fest der Humanité dann einen Stand der Kommunistischen Partei Benins gesehen.
Dem „RotFuchs“ herzliche, parteiliche, freundschaftliche Grüße und beste Wünsche!
Herbert Klinger, Nimritz (Thür.)
Die Redaktion gratuliert dem wackeren Ortschronisten und unermüdlichen Kämpfer Herbert Klinger von ganzem Herzen zu seinem großen Jubiläum.
Alexander B. Voegele, Dozent der Volkswirtschaftslehre in Berlin und Autor des Buches „Das Elend der Ökonomie – von einer Wissenschaft, die keine ist“ hat Grund zum Stöhnen. 1980 promovierte er an der Freien Universität mit einer Arbeit „Zur ökonomischen Theorie des Sozialismus“. Er gibt sich redliche Mühe, „interessierten Fach-Laien“ die Begriffswelt der neoliberalen Lehre verständlich zu machen und die Wortakrobatik seiner Zunftkollegen zu entlarven. Alle „neoklassischen“ (neoliberalen) Ökonomen – einschließlich Keynes – zelebrierten ein Durcheinander von „neuen“ Begriffen, statt Ursachen und Zusammenhänge zu analysieren, stellt er fest und folgert: „Die Analyse von Marx (ist) einmalig; eine Funktionsanalyse des Geldes als Kapital gibt es bei keiner anderen Theorie.“ Die DDR hat Voegele nur von außen gesehen. Seine Einschätzung, daß die ökonomische Analyse von Marx im 20. Jahrhundert „durch die Brille des 19. Jahrhunderts rezipiert und … zopfig aufgenommen“ wurde, sollte uns indes mit Blick auf dogmatische Interpretationen der Klassiker in den sozialistischen Ländern zu denken geben. Die Vergangenheit kann nicht wiederholt werden. Deren Versäumnisse hingegen ließen sich durchaus, besonders von Zeitzeugen, aufspüren.
Das Buch „Jetzt reden wir!“ von Kombinatsdirektoren und anderen Wirtschaftsfunktionären ersetzt leider keine Analyse der tatsächlichen Produktionsweise in der DDR.
Dr. Hermann Wollner, Berlin
Eine Bemerkung zum Leitartikel Klaus Steinigers im Juli-RF. Er spricht dort von jener noch recht frühen Etappe der DDR-Geschichte, als Politiker verschiedener Ebenen Industrie- und Landwirtschaftsbetriebe, Fußballstadien und Hochschulen nach sich selbst benannten.
Das rief eine Erinnerung in mir wach. In einem Zirkel des Parteilehrjahres bei der DDR-Nachrichtenagentur ADN vertrat ich vehement die Ansicht, der Brauch, Betriebe und Straßen nach lebenden Personen zu benennen, sei für das Ansehen der Partei schädlich. Ich machte dabei eine einzige Ausnahme: Wilhelm Pieck. Vielleicht fand ich nicht den richtigen Ton, aber einige „150prozentige“ Genossen fielen mir ins Wort. Ich hatte ein Tabu berührt. Nur einer gab mir Recht: Leon Beurton, der Mann der unvergessenen sowjetischen Kundschafterin und DDR-Schriftstellerin Ruth Werner.
Die Diskussion wurde nicht weitergeführt. Aber Wochen danach faßte das Politbüro den Beschluß, diesen merkwürdigen Brauch zu beenden. Beim nächsten Zirkelabend unterstellte mir prompt ein Teilnehmer, der vorher nicht den Mund aufgemacht hatte, mir wäre dieser Beschluß wohl im vorhinein bekannt gewesen.
Rudolf Krause, Berlin
Am Monatsanfang kommt der „RotFuchs“ ins Haus. Wir freuen uns auf die interessanten Beiträge und Lesermeinungen. Dafür danken wir dem Kreis der Schreibenden herzlich.
Ein Vorschlag: Der RF sollte sich noch intensiver mit Herrn Knabe – dem Leiter der MfS-Verunglimpfungsstätte Berlin-Hohenschönhausen – beschäftigen. Ich selbst habe als VP-Offizier bei der Auflösung der Staatssicherheit im Bezirk Magdeburg mitgewirkt und war bei einer Besichtigung der „Gedenkstätte Moritzplatz“ dann sehr erschüttert, wieviel Unwahrheiten den überwiegend jugendlichen Besuchern dort zugemutet werden. Der Freiheitsverehrer Joachim Gauck hält das sicher für eine fabelhafte Idee. Sachliche Argumente werden in den gleichgeschalteten Medien ja kaum zugelassen. Ulrich Guhl hat darüber im RF 198 berichtet.
Anfangs habe ich den „RotFuchs“ stets an andere Interessenten weitergegeben. Jetzt sammle ich ihn, um immer gute Argumente zur Hand zu haben.
Major der VP a. D. Harald Grünbeck, Magdeburg
Kürzlich erhielt ich Post von einem Präsidenten. Es handelte sich um Markus Meckel vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Er bat pauschal um eine Spende. Während eines Aufenthalts in Griechenland nahm ich gemeinsam mit meiner Frau den von diesem Verein betreuten Friedhof in Male auf Kreta in Augenschein. Dort wurden fast 5000 deutsche Soldaten, die überwiegend bei der faschistischen Luftlandeoperation Ende Mai 1941 ums Leben gekommen waren, bestattet. Es ist human, dieser Toten – meist junger Menschen – zu gedenken. Doch ihr Sterben wird für revanchistische und reaktionäre Ziele mißbraucht. Auf Inschriften rühmt man die Gefallenen als Helden, die für Deutschland in den Tod gegangen seien. Auf Kranzschleifen las ich auch den deutschen ISAF-Interventen in Afghanistan gewidmete Texte. Diesen „Helden“ gelte es, in der „Pflichterfüllung für die Heimat“ nachzueifern. So mußte ich Präsident Meckel enttäuschen. Ich spende lieber für kubanische Kinder und den „RotFuchs“.
Hartwich Splisteser, Dümmer
Die in der Juliausgabe des RF veröffentlichten Beiträge Gisela Steineckerts und der Redaktion zur Rolle bestimmter Geistlicher veranlassen mich, den Lesern meinen Kirchenaustritt zu schildern. 1931 geboren, wurde ich von den Eltern evangelisch getauft. Vor dem Krieg schickte mich meine Mutter zum Kindergottesdienst. Man müsse schließlich an irgend etwas glauben, was ich auch tat! Mein Vater war seit 1939 im Krieg und mein Bruder 1943 in einem faschistischen U-Boot ertrunken. Bei der Bombardierung Dessaus am 7. März 1945 verbrannte der Phosphor unser Hab und Gut. Verwandte in Vockerode nahmen uns auf.
Nach dem Krieg erfuhr ich aus dem Berliner Rundfunk, Hitler und Papst Pius XII. hätten einen Vertrag geschlossen, der den Vatikan vor jeglicher Beeinträchtigung durch Kriegshandlungen schütze. Dafür habe der Heilige Vater zugesichert, keine öffentliche Kritik an der Judenverfolgung zu üben. Im Herbst 1945 habe ich auf dem Standesamt in Dessau meinen Kirchenaustritt erklärt. 1946 gehörte ich zu den Mitbegründern der FDJ in unserem Dorf.
Werner Gericke, Berlin
Wenn man alles bewertet, was über Joachim Gauck bekannt ist, muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß er ein erfolgreicher Glücksritter ist. Dank seiner ideologischen Wendigkeit und cleveren Rhetorik hat er es bisher verstanden, die richtigen Kurvenlagen einzuhalten. Doch mit seinem Auftritt bei der diesjährigen Sicherheitskonferenz in München grub er sich auch bei etlichen Christen das Wasser ab. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ überschrieb am 24. Juni einen Bericht mit den Worten: „Ost-Protestanten kritisieren Gauck“. Die Kirchen der DDR hätten sich noch 1989 im Abschlußdokument der Ökumenischen Versammlung für Gewaltlosigkeit ausgesprochen, Gauck aber habe die Notwendigkeit auch militärischer Konfliktlösungen betont. Peter Freybe, einst Leiter des Predigerseminars Wittenberg, sagte zu der Bemerkung Gaucks, manchmal müsse man „auch zu den Waffen greifen“: „So salopp daherzureden, finde ich höchst bedenklich und unangemessen.“
Dr. agr. Günther Freudenberg, Bernburg
Am 30. Juni erlag Pfarrer Führer seinem schweren Lungenleiden. Es war ein Montag. Mit der Reihe montäglicher „Friedensgebete“ hatte der Geistliche viele Leipziger politisiert. Seine Freunde und Wegbegleiter haben ihn eingehend gewürdigt, allerdings auch manches weggelassen, was nachzuholen wäre. Im Frühjahr 1989 hörte ich munkeln, in der Nikolaikirche gäbe es „oppositionelle Aktivitäten“. Als Nichtchrist meldete ich mich bei dem Kirchenmann an und fragte Herrn Führer, was er im Sinn habe. Er verfolge eine Reformierung des Sozialismus zu mehr Demokratie, erfuhr ich und gewann den Eindruck, daß es dem Pfarrer zunächst um durchaus notwendige Korrekturen ging. Einen Umsturzplan vermochte ich nicht wahrzunehmen. Im Laufe des Sommers und des Herbstes zog Pfarrer Führer dann aber immer mehr Gegner der DDR an, die eine Liquidierung des Sozialismus im Auge hatten. Nachdem diese eingetreten war, schien mir Herr Führer von der harten Gangart der „zur Rettung“ herbeigerufenen Kapitalisten beunruhigt zu sein. Nun begab er sich des öfteren zum Arbeitsamt, um Verlierern der „Wende“ seine Hilfe zu erweisen. Natürlich war das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Pfarrer protestierte später gegen die Kriegspolitik der USA und lehnte in seinen letzten Lebensjahren den Raubtierkapitalismus als nicht zukunftsfähig ab. An der Tatsache, daß er sich 1989 so oder so am politischen Umsturz beteiligte, ändert das freilich nichts. Doch Ausgewogenheit und Fairneß sollten ihm gegenüber am Platze sein.
Joachim Spitzner, Leipzig
Nachricht 1475 von 2043