RotFuchs 211 – August 2015

Franziskus: Anerkennung des Staates Palästina
und Ehrung von Erzbischof Romero

Lichtsignale aus dem Vatikan

RotFuchs-Redaktion

Anfang Juni hat der Vatikan den Staat Palästina vertraglich anerkannt. Der Heilige Stuhl erweiterte damit seine bisher mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) unterhaltenen Kontakte auf volle diplomatische Beziehungen mit dem durch Tel Aviv und seine engsten Partner nach wie vor geschmähten Staat Palästina.

Die „New York Times“ wertete diesen Schritt als bedeutungsvoll und schrieb, es handele sich um ein Signal, das die moralische Autorität und die Bemühungen des Palästinenserstaates stärke und die Aktivitäten des Chefs der Autonomiebehörde honoriere, den palästinensisch-israelischen Friedensprozeß weiter voranzubringen. Schon früher hatte der Vatikan die 2012 von der UNO-Vollversammlung getroffene Entscheidung begrüßt, den Palästinenserstaat zumindest verbal anzuerkennen. Doch der neue Vertrag sei weit mehr als das. Mit ihm hätten die Palästinenser und der Vatikanstaat offizielle diplomatische Beziehungen aufgenommen. Als symbolisch bezeichneten politische Beobachter in Rom die Tatsache, daß dieses Verhandlungsergebnis unmittelbar vor einer Vatikan-Visite von Palästinenserpräsident Abbas erfolgt sei.

Die Leiterin der Kommission des palästinensischen Präsidenten für Kirchenangelegenheiten ließ die Londoner „Times“ wissen, der Vertrag stelle die Interessen des Vatikans an der Westbank, Ostjerusalem und Gaza einschließlich der Heiligen Stätten voll in Rechnung.

2012 war Palästina als UN-Nichtmitglied mit Beobachterstatus zur Teilnahme an UN-Vollversammlungen berechtigt worden. Dabei wurden ausdrücklich auch jene Gebiete, die Israel im Sechstagekrieg von 1967 geraubt hatte, als Territorien des Staates Palästina ausgewiesen. Anschließend hatten die meisten afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Staaten volle diplomatische Beziehungen zu der die Palästinenser repräsentierenden Autonomiebehörde aufgenommen. Tel Aviv reagierte auf die souveräne Entscheidung des Vatikans mit Entrüstung. Das Außenministerium Netanjahus legte sofort scharfen Protest ein: Der von Rom unternommene Schritt bringe den Friedensprozeß nicht voran und verhindere die Rückkehr der palästinensischen Führung an den Tisch zweiseitiger Verhandlungen mit Israel, hieß es anmaßend.

Doch hier soll auch von einer zweiten Entscheidung des den Nerv der Zeit immer öfter treffenden und bemerkenswerten Realitätssinn wie persönlichen Mut beweisenden Papstes die Rede sein. Am 23.Mai nahm Franziskus die Seligsprechung des 1980 im Auftrag der salvadorianischen Reaktion ermordeten Erzbischofs Oscar Romero vor. Obwohl dieser als Advokat der Armen und Entrechteten seines Landes längst in die Geschichte eingegangen ist, wurde die Unerläßlichkeit dieses für katholische Gläubige so bedeutungsvollen vatikanischen Aktes viele Jahre von anders motivierten Päpsten bewußt blockiert.

Romero war im Februar 1977 die Leitung der Erzdiözese von San Salvador übertragen worden. Zu diesem Zeitpunkt galt er in den Augen der meisten seiner Landesbürger noch als ein konservativer Geistlicher. Die Anhänger der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, darunter nicht wenige Priester, hielten deshalb seine Wahl anfangs für einen unglücklichen Schritt. Doch einer der volksnahen, in der Bauernbewegung El Salvadors verwurzelten Geistlichen – Rutílio Grande – wurde am 12. März 1977, nur knapp einen Monat vor Romeros Amtsantritt, unweit der Hauptstadt durch MG-Salven niedergemäht. Vater Grande war seit Studientagen ein Freund Romeros. Diesen hatte das Ringen des anderen schon vor seiner Weihe sehr bewegt. Nun sollte der grausame Mord das weitere Leben des Erzbischofs fundamental verändern. Bei Nachforschungen zu den Attentätern stieß Romero auf enorme Schwierigkeiten. Drei Jahre darauf, am 24. März 1980, wurde der lautere Christ im Erzbischofs-Ornat selbst zum Märtyrer. Bei der Messe zur Einweihung der Kapelle eines Krebshospitals trafen ihn die tödlichen Schüsse. Tags zuvor hatte Romero allen den Kämpfern der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) gegenüberstehenden Angehörigen der Soldateska des salvadorianischen Regimes den Rat erteilt, als Christen den Willen Gottes in Ehren zu halten und sich fortan Befehlen zur Unterdrückung der Menschenrechte zu widersetzen.

Als der Erzbischof die Messe beenden wollte und sich mit der Hostie in beiden erhobenen Händen zur Mitte des Altars begab, wurde er durch die Kugel eines Scharfschützen in die Brust getroffen. Der Ermordung der beiden volksnahen Priester waren barbarische Gewaltakte der in Bedrängnis geratenen Reaktion, aber auch Friedensverhandlungen beider Seiten gefolgt. Inzwischen kommt El Salvadors Staatspräsident selbst aus der FMLN.

Romeros am 23. Mai erfolgte Seligsprechung – eine der katholischen Kirche vorbehaltene religiöse Kulthandlung hohen Ranges – war zugleich eine weitere Mutprobe des ersten lateinamerikanischen Papstes. Der Argentinier in Rom trug damit einem seit vielen Jahren gehegten Wunsch von Millionen Gläubigen wie Atheisten seines Herkunftskontinents Rechnung.

„Wir können die Entscheidung von Papst Franziskus nur feiern. Es lebe Romero! Es lebe Rutilio! Ein Hoch auf alle, die sich dem Kampf für soziale Gerechtigkeit gewidmet haben!“ schrieb die KP der USA auf ihren Internetseiten.

RF, gestützt auf „People‘s World“, New York, und „El País“, Madrid