RotFuchs 187 – August 2013

Linke Christen schrieben de Maizière

RotFuchs-Redaktion

Sehr geehrter Herr Minister,

anläßlich einer Veranstaltung in der Französischen Friedrichstadtkirche (Berlin) haben Sie gesagt, daß es „gerechte Kriege“ nicht gibt, wohl aber „gerechtfertigte“.

Wir, die Unterzeichnenden dieses offenen Briefes, fragen Sie: Wer oder was rechtfertigt die jetzt und in Zukunft stattfindenden Kriege?

Diejenigen, die Kriege angefangen haben, haben ihre Kriege immer gerechtfertigt: von den Großmächten des Altertums über die Nazi-Regierung und die Verantwortlichen für Hiroshima und Nagasaki bis zu den Entscheidungsträgern heute, zu denen auch Sie gehören. Sie rechtfertigen die Kriege, an denen die Bundeswehr sich beteiligt, mit dem Argument, daß wir Teil eines Bündnisses seien; dieses Bündnis sei eine „Wertegemeinschaft“.

Jedes Kind, jeder Erwachsene, jeder Mensch, der von Soldaten dieser „Wertegemeinschaft“ getötet wird, ist einer zuviel.

Jeder Moslem, der von Soldaten dieser „Wertegemeinschaft“ gedemütigt wurde, war einer zuviel.

Jeder Gefangene, beispielsweise in Guantánamo, der von Angestellten dieser „Wertegemeinschaft“ festgehalten und gefoltert wird, ist einer zuviel.

Jedes Wohnhaus, das durch die Waffen dieser „Wertegemeinschaft“ zerstört wird, ist eins zuviel.

In Ihren Ausführungen haben Sie die „schwierige Geschichte“ unseres Landes erwähnt, sein Gewicht in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht – und Sie bekennen sich als evangelischer Christ. Den Wanderprediger aus Nazareth haben Sie jedenfalls nicht auf Ihrer Seite, und auch nicht den bei uns ach so häufig zitierten Dietrich Bonhoeffer. Der hat nämlich um ein Weltkonzil gerungen, um einen drohenden Krieg abzuwenden, und er hat den Frieden das wichtigste Wagnis genannt, das Christen eingehen sollten, eingehen müssen.

Das, was Sie mit unserer „schwierigen Geschichte“ neutral umschreiben, hat die Kirche, in deren Tradition Sie stehen, so ausgedrückt: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden.“ (Stuttgarter Schuldbekenntnis)

Müßte nicht diese „schwierige Geschichte“ und das Evangelium, dem auch Sie sich verpflichtet fühlen, Sie dazu bringen, Ihre, unsere deutsche Stimme innerhalb der „Wertegemeinschaft“ zu erheben, von Krieg abzuraten und statt dessen friedliche Lösungen anzubieten, sie gemeinsam zu finden? Es gibt ein großes – deutsches und internationales – Potential von Menschen und Institutionen, die verantwortungsvoll und intelligent an dieser Frage arbeiten. Die haben aber anscheinend keine Chance in der „Wertegemeinschaft“, die, wie Sie zugeben, derzeit nicht bedroht ist, die trotzdem seit Jahrzehnten immer neue, wirksamere Waffen einsetzt, der es um ihre Interessen geht und die nicht wahrhaben will, daß in der globalisierten und vom atomaren Holocaust, von Klimakatastrophen, Wassermangel, Hunger und neuen Seuchen bedrohten Welt es nur ein großes, gemeinsames Interesse gibt: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (Vancouver 1983).

Monika Auener, Reinhard Auener, Ingrid Ehrler, Petra Euhus, Ilsegret Fink, Peter Franz, Sigrid Franz, Dr. Dieter Frielinghaus, Gisela Frielinghaus, Cordula Heilmann, Friedrich Heilmann, Hannelore Heinrich, Willibald Jacob, Kurt Kreibohm, Horsta Krum, Cornelia Praetorius, Herwig Rettich, Waldtraut Skladny, Sarah Wayer, Dr. Klaus Wazlawik

(geringfügig gekürzt)