Meine Bilanz zum 24. Jahrestag der Annexion der DDR
Luschen als Trümpfe
Was hat den DDR-Bürgern außer der Liquidierung ihres Staates der Anschluß an die BRD tatsächlich gebracht? Erweiterte Reisefreiheit für alle, die nicht gerade Hartz-IV-Empfänger oder andere an den gesellschaftlichen Rand Gedrängte sind.
Ein reichlicheres Waren- und Dienstleistungsangebot bei ständig steigenden Preisen.
Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. Dazu eine Bemerkung: In der DDR wurde 1954 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, um die Abwanderung von Ingenieuren nach dem Westen einzuschränken. Im Bereich des VEB Stahl- und Walzwerk Riesa, wo ich anfangs gearbeitet habe, waren etwa 50 Ingenieure beschäftigt. Nur zwei davon erhielten diese Vergünstigung. 1998 entschied das Bundessozialgericht in Karlsruhe, daß ein berechtigter Anspruch aller DDR-Ingenieure auf zusätzliche Altersversorgung zu prüfen sei. Ich stellte sofort einen Antrag, dem nach zwei Monaten stattgegeben wurde. Da man aber die Zahl der Anspruchsberechtigten unterschätzt hatte, erfand man 2002 eine sogenannte Stichtagsregelung. Sie besagte, daß man am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet haben mußte, um überhaupt in Betracht zu kommen. Das erwies sich allerdings in der Regel deshalb als unmöglich, weil ja im März 1990 ein Gesetz verabschiedet worden war, nach dem bis zum 30. Juni 1990 sämtliche volkseigenen Betriebe zu privatisieren waren. Die Gerichte wurden instruiert, neue Anträge entweder abzulehnen oder einzufrieren.
2007 bekam ich überraschend einen Bescheid des Versorgungsträgers, daß ich meine Ingenieurrente ungesetzlich bezöge und deshalb so lange keine Rentenerhöhungen mehr bekäme, bis der angeblich zuviel gezahlte Anteil „abgeschmolzen“ sei.
Doch zurück zur Frage: Was hat uns DDR-Bürgern die angebliche Wiedervereinigung sonst noch gebracht?
Mein Fazit:
Unsichere Arbeits- und Lebensverhältnisse. So mancher fällt aus allen Wolken, wenn sein Betrieb über Nacht in Insolvenz geht oder die Produktion ausgelagert wird. Das geschieht derzeit in Plauen, wo beim traditionsreichen Druckmaschinenwerk Plamag, das übrigens nur noch 80 Leute beschäftigt, die Montage plötzlich nach Augsburg verlagert wird, während der bisherige Standort geschlossen werden soll.
Verzweifelte Wohnungssuche von Mietern, die dem Wucher der Miethaie nicht länger standhalten konnten und deshalb plötzlich auf die Straße gesetzt worden sind.
Angst vor grassierender Kriminalität auf Grund nicht mehr gewährleisteter Sicherheit. Bei uns im Wohngebiet Riesa-Weida waren zu DDR-Zeiten fünf Abschnittsbevollmächtigte der Volkspolizei tätig. Heute gibt es für die gesamte Stadt Riesa nur noch zwei „Bürgerpolizisten“.
Chaotische Zustände im Bildungswesen, da dieses von den einzelnen Bundesländern völlig uneinheitlich gehandhabt wird. Ein in Niedersachsen abgelegtes Abitur muß in Bayern nicht anerkannt werden. Hinzu kommt die gravierende soziale Ungleichheit auf allen Ebenen des Erwerbs von Wissen.
Perspektivlosigkeit für Jugendliche, die nach Beendigung der Lehre oder des Studiums keine Arbeit finden.
Rückkehr der alten Adelsgeschlechter, die zumindest Teile ihrer von der DDR konfiszierten Besitztümer wiedererlangt haben. Früher jedermann zugängliche Flächen, Wälder und Seen werden von den neuen (alten) Besitzern der Allgemeinheit verwehrt.
Völlige Gleichschaltung der in Konzernhand befindlichen Medien im Sinne bürgerlich-kapitalistischer „Information“ und Desinformation. Ausnahmen bilden wenige Publikationen, darunter „junge Welt“ und „RotFuchs“.
Weitgehende Kontrolle aus der BRD abkommandierter Kräfte oftmals dritten Ranges über Verwaltung, Polizei, Justiz und andere Staatsorgane, wobei auch willfährige Karrieristen aus der DDR einbezogen wurden.
Einführung eines Schuldrechtsanpassungsgesetzes, das nur für Ostdeutschland gilt und besagt, Bauten auf Pachtland seien Eigentum des Verpächters, was eine Enteignung vieler Besitzer von Garagen, Lauben und Bungalows darstellt.
Stillegung ganzer Wirtschaftszweige wie der DDR-Kaliindustrie oder durch die Treuhand in Insolvenz getriebener volkseigener Betriebe, um Konkurrenten westdeutscher Unternehmen auszuschalten.
Stillegung oder Verhökerung nahezu sämtlicher DDR-Ferienobjekte an private „Rechtsnachfolger“.
Nichtanerkennung zahlreicher DDR-Qualifikationen, um den wie Pilze aus dem Boden geschossenen westlichen „Bildungseinrichtungen“ Zulauf und lukrative Einnahmen zu verschaffen. Ein Beispiel aus meiner Profession: Sämtliche Schweißerprüfungen nach TGL 2847 wurden 1990 für ungültig erklärt, wodurch für alle Fachleute dieses Bereichs neue Prüfungen nach DIN 8560 erforderlich wurden, obwohl sich die westdeutsche Norm nur unwesentlich vom DDR-Standard unterschied.
Einführung eines teuren und gewinnorientierten Gesundheitssystems, das oftmals durch Zuzahlungen der Bürger finanziert werden muß.
Verarmung von Kunst und Kultur aufgrund inhaltlicher Defizite und angeblich fehlender Mittel.
Kommerzialisierung des Sports, was zu Manipulationen, Dopingskandalen und Wettbetrug geführt hat.
Das Allerschlimmste: disproportionale Einbeziehung junger Ostdeutscher in als Auslandseinsätze getarnte Aggressionsbeteiligungen der Bundeswehr.
Wir einstigen DDR-Bürger gelten 24 Jahre nach der Annexion unseres Staates durch die BRD noch immer als Menschen zweiter Klasse! Man denke an unterschiedliche Löhne, Gehälter und Renten in Ost und West!
Eine faire Wiedervereinigung auf Augenhöhe hätte anders aussehen müssen. Aber es handelt sich ja um die brutale Einverleibung der sozialistischen DDR in die kapitalistische BRD. Dafür fanden sich jene, welche ihre Gesinnung wie bunte Jacken wechselten oder von hohen Kanzeln als angebliche Künder der Freiheit dröhnten. Kohls „blühende Landschaften“ erwiesen sich von nahem besehen als Brachen.
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