Marine Le Pen ante portas?
Die politische Szene des zweitmächtigsten Mitgliedsstaates der EU wird durch einen sich rasch weiter ausprägenden gefährlichen Rechtstrend charakterisiert. Auch die Parteien des Regierungslagers und der „gemäßigteren“ Opposition sind davon betroffen. Sie unternehmen alle möglichen „taktischen“ Manöver, um auf der neuen Woge mitzuschwimmen. Andererseits fehlt in Frankreich noch immer eine wirklich einflußreiche linke Gegenkraft. Konsequent marxistische politische Gruppen mit klarer Orientierung wie der PRCF zeigen zwar eindeutig Profil, verfügen aber vorerst nur über eine begrenzte Anhängerschaft. Die einst der alten FKP eng verbundene Gewerkschaftszentrale CGT hat an Eindeutigkeit verloren, gehört aber weiterhin zu den wichtigsten Formationen im antifaschistischen Lager. Die überwiegend rechtssozialdemokratische Partei des Staatspräsidenten François Hollande und seines als besonders konzernfreundlich geltenden Regierungschefs Valls verliert weiter an Boden.
Die Tatsache, daß bei den jüngsten Départementswahlen nur noch 50,1 Prozent der stimmberechtigten Bürger Frankreichs von ihrem Teilnahmerecht Gebrauch gemacht haben, verdeutlicht das Maß an Frustration. Es signalisiert aber auch – in offenkundiger Parallelität zu ähnlichen Entwicklungen in der BRD – den Grad der Gefahr: Die Ultrarechten könnten aus dem Reservoir der Unzufriedenen noch weit mehr Anhänger gewinnen. Binnen kurzer Zeit haben sich die politische Achse und das Kräfteverhältnis deutlich zugunsten der extremen Rechten, die etwas „Rouge“ aufgelegt haben, verschoben. Und vor allem: Mit dem Scheinargument, man müsse den „modernisierten“ Faschisten des Front National (FN) von Marine Le Pen den Wind aus den Segeln nehmen, sind Frankreichs traditionelle bürgerlich-konservative Parteien mit der CDU-ähnlichen UMP an der Spitze in ihrer gesamten Öffentlichkeitsarbeit so weit nach rechts gedriftet, daß sie fast schon als dessen Kopien erscheinen. Ex-Präsident Sarkozy ist nicht nur an die Spitze der UMP zurückgekehrt, sondern rechnet sich wie Madame Le Pen gute Chancen aus, in den Elyseepalast einziehen zu können. Bei den jüngsten Wahlen konnte das Sarkozy-Lager seinen Stimmenanteil von 31,9 % (2011) auf 36,02 % steigern, während der FN im selben Zeitraum sogar 10,1 % zulegte – von 15,1 auf 25,2 %!
Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang eine kosmetische Operation, die Marine Le Pen zur politischen Imageverbesserung unternommen hat: Ohne Gnade stieß sie ihren als Altlast empfundenen eigenen Vater Jean-Marie Le Pen – den Parteigründer und notorischen Auschwitz-Leugner – aus dem Kahn. Dieser als „Schritt in die politische Mitte“ ausgegebene taktische Schachzug könnte ihr zweifellos weitere Wählerschichten erschließen.
Demgegenüber befinden sich die Mannschaft Hollande/Valls und deren Verbündete auf der abschüssigen Strecke. Bei den 28,2 %, die der Parti Socialiste bei den Départementswahlen erzielen konnte, dürfte es kaum bleiben. Da ist es verständlich, daß sich trotz des erfolgten Generationswechsels nicht wenige französische Linke nach den großen Tagen der Partei von Maurice Thorez zurücksehnen, als jeder vierte französische Wähler und die Masse der Arbeiter für die FKP stimmten. Heute gelingt es dem FN – Welche Parallele zum Deutschland am Ende von Weimar! – gerade auch unter Arbeitern (37 %) und armen Bevölkerungsschichten (41,6) überdurchschnittlich zu punkten.
Alles in allem: Es muß Alarm getrommelt werden. Während sich der einstige Merkel-Intimus Sarkozy bereits als künftiger Präsident Frankreichs wähnt, muß man auch in Abwandlung eines einst auf Hannibal bezogenen Wortes konstatieren: Marine ante portas – vor den Toren.
RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel, „Global Research“, Kanada und „Sozialismus“, Hamburg
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