Gegen „Abgrenzung nach links und Öffnung zur Mitte“
Marxisten nach Strasbourg!
Auch nach Aufhebung der Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahlen zum Europäischen Parlament bleibt die EU eine Fassadendemokratie. In ihr bestimmen der Rat der Staats- und Regierungschefs, der Ministerrat und die Europäische Kommission als Gremien mehrheitlich rechtskonservativ regierter Mitgliedsländer über die interne Machtverteilung. Diese hängt in erster Linie von der wirtschaftlichen und militärischen Stärke sowie der Bevölkerungszahl und der Größe des Territoriums der „Partnerländer“ ab. Die BRD und Frankreich spielen dabei eine führende Rolle, auch Großbritanniens Rang sollte nicht unterschätzt werden.
Das bei CDU/CSU und SPD auf wütenden Widerstand gestoßene Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die Sperrklausel aufzuheben und auch kleineren Parteien den Zugang zum Europäischen Parlament zu ermöglichen, bedeutet die Gleichwertigkeit deutscher Wählerstimmen. Doch interne Demokratie ist durch deren Gleichbehandlung nicht gewährleistet, da jeder Mitgliedsstaat sein eigenes nationales Wahlrecht besitzt, teils mit Fünf-Prozent-Sperrklauseln. Durch die sogenannte degressive Proportionalität bei der Zuteilung von Parlamentssitzen erhält z. B. Malta mit 400 000 Einwohnern sechs Mandate, während Irland bei 4,5 Millionen nur auf zwölf kommt. Zu den Hegemonialmächten gehört die BRD mit 99 Mandaten.
Fielen Minderheitenstimmen hierzulande bislang gänzlich unter den Tisch, so ist es jetzt möglich, zu den unmittelbar bevorstehenden Wahlen für das Europäische Parlament mit 4000 Unterstützersignaturen anzutreten. Bei etwa 0,5 % kann eine beliebige Partei der BRD einen fraktionslosen Abgeordneten nach Strasbourg entsenden. Dort gab es bisher etwa 300 Abgeordnete mit diesem Status.
Um eine kommunistische Fraktion im Europaparlament bilden zu können, bedürfte es mindestens 25 Abgeordneter aus nicht weniger als sieben Mitgliedsländern.
Die Partei Die Linke hat den Wegfall der Sperrklausel vor der Presse begrüßt. Auf dem Hamburger Parteitag hat sie einen Rechtsschwenk vollzogen und die exakte Definition des Europas der Monopole in der Präambel ihres Wahlprogramms zugunsten nebulöser Allgemeinplätze aufgegeben. Sechs der acht relativ aussichtsreich plazierten Anwärter der Linkspartei sind Vertreter des „Reformer-Flügels“. Die ARD-Tagesschau kommentierte Gysis Absichten mit den Worten: „Er wollte, daß seine Partei bis zu den Wahlen 2017 regierungsfähig wird. Dazu kann er linksradikale Quertreiber in Sachen Europäische Union nicht gebrauchen.“
Erstmals tritt die DKP mit einer eigenen Liste an, um das Projekt einer künftigen kommunistischen Fraktion im Europaparlament zu unterstützen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehen Stimmen, die der DKP zufließen, im Falle des Erfolges nicht mehr verloren. Das wäre angesichts des dokumentierten Fehlverhaltens mancher bisheriger Mandatsträger der Europäischen Linkspartei – auch aus der BRD – ein Vorteil. Bei der letzten Europawahl war die Zahl der Mandate der ELP auf 34 geschrumpft, wobei nur die acht PDL-Abgeordneten einen Zuwachs bedeuteten. Der damalige Wählertrend in der BRD begünstigte ein solches Ergebnis.
Die DKP hat durch die Sammlung von 7000 Unterschriften einen Wahlvorschlag einreichen können und die Chance, ein Mandat zu erringen. PDL-Mitglieder und -Wähler könnten also einer Kandidatur von Kommunisten bei den Europawahlen positiv gegenüberstehen und müßten nicht der Devise „Abgrenzung nach links und Öffnung zur Mitte“ folgen. Wir brauchen endlich auch ein marxistisches Korrektiv im Europarlament. Das sage ich als Mitglied der PDL, das zu einer Unterschrift für die Wahlzulassung der DKP bereit war.
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