Max Reimann – unvergessen
Sein bewußtes politisches Leben begann mit der Vorkriegszeit von 1914, über die er schreibt: „Ich arbeitete noch immer auf der Werft. Wir hatten den Krieg schon dadurch kommen sehen, daß wir merkten, mit welchem Hochdruck die Rüstung vorangetrieben wurde. Mit Ausbruch des Krieges wurde mittels Greuelpropaganda die Stimmung angeheizt, der Chauvinismus im Volke entfacht.“
Der damals 16jährige arbeitete später als Bergmann und wurde führender kommunistischer Politiker. Er war antifaschistischer Widerstandskämpfer und im KZ Sachsenhausen von den Faschisten eingekerkert. Max Reimann wurde Vorsitzender der KPD und Mitglied im Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz mit den Stimmen der Reaktion absegnete. Als Bundestagsabgeordneter kämpfte er gegen Restauration, Remilitarisierung und Revanchismus, für die Interessen des Volkes und für eine realistische, friedliche Außenpolitik. Im Kampf gegen das Verbot der KPD durch die Adenauer-Regierung und ihre Auftraggeber zeigte er hohe Standfestigkeit, die sich aus Charakterstärke und einem klaren marxistisch-leninistischen Weltbild ergab.
Jede Etappe seines kämpferischen Lebens vermittelt uns wertvolle Erfahrungen, die von Nutzen für unser Bestehen in den heutigen Prüfungen sein können. Sie sind nicht nur von historischem Wert. Sie haben durchaus auch einen aktuellen Bezug zum Erkennen des Wesens, der Ziele und der taktischen Wendungen der heutigen Innen- und Außenpolitik der Herrschenden.
Max Reimann hat alle Phasen des Klassenkampfes, die im 20. Jahrhundert bis Mitte der 1970er Jahre national und international stattgefunden haben, bewußt erlebt und mitgestaltet.
Im 1. Weltkrieg hat er durch die erlebten Vorgänge an der Front im Westen und dann an der Seite des Arbeiter- und Soldatenrates in seiner Heimat, in Elbing, unmittelbar erfahren, daß die Revolution nicht zu einer grundlegenden Wende geführt hat. Die Arbeiterklasse erlitt eine Niederlage und konnte die bürgerlich-demokratische Revolution nicht zu Ende führen und sie schon gar nicht in die sozialistische Revolution hinüberleiten. Der Kampf der deutschen Linken konnte, trotz großer Opfer, die Kraft einer selbständigen marxistischen Partei nicht ersetzen.
Er betrachtete die Gründung der KPD daher als einen Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und des deutschen Volkes. Das war für ihn Motivation genug, sein Leben lang seine Kraft für eine revolutionäre Partei einzusetzen, deren Programm auf den Erkenntnissen von Marx, Engels und Lenin, auf den revolutionären Traditionen der Arbeiterbewegung beruhte, die von den rechten sozialdemokratischen Führern preisgegeben wurden. Erfüllt von den Grundgedanken des Aufrufs des Zentralkomitees der KPD vom 11. Juni 1945 übernahm Max Reimann, nach den Jahren der faschistischen Herrschaft in Deutschland, die Aufgabe, die KPD im Ruhrgebiet zu führen.
Seine Mitkämpfer würdigen seinen großen Einsatz als Mitglied des Landtages in Nord-rhein-Westfalen. Es ging ihm und der ganzen Partei darum, einen demokratischen Anfang zu machen und dafür Sorge zu tragen, daß die Partei, die Kommunisten auf allen Ebenen im Land, in den Betrieben und Gemeinden mitarbeiten und demokratische Veränderungen durchsetzen, die von den Interessen der Werktätigen geprägt waren.
Das Potsdamer Abkommen, das als Vereinbarung zwischen den vier Siegermächten die Dekartellisierung, Denazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung ganz Deutschlands forderte und diese Mächte dazu verpflichtete, war eine wichtige internationale Grundlage. In diesem Sinne hat er sich auch an der Ausarbeitung des eigenen Verfassungsentwurfs der KPD für das Land Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes zur Überführung des Bergbaus in Gemeineigentum maßgeblich beteiligt.
Auf der Grundlage seiner marxistisch-leninistischen Weltanschauung erkannte Max Reimann schon damals das reaktionäre und übereinstimmende Wesen grundlegender Interessen des internationalen und des deutschen Kapitals. Um die Restauration ihrer ökonomischen und politischen Macht abzusichern, waren die deutschen Herren der Monopole und ihre Anhänger bereit, die nationalen Interessen Deutschlands zu verraten und die Spaltung des Landes zu vollziehen. Sie handelten nach dem Motto Adenauers: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb.“ Macht- und Profitstreben sowie Antikommunismus lenkten ihre Feder und ihre Taten von Anfang an. Alle, die dagegen waren, waren ihr gemeinsamer Feind.
Dazu paßt die Verurteilung von Max Reimann im Jahre 1948 (!) zu einer Haft von einem Jahr in einem britischen Militärgefängnis. Sie ist ein sichtbarer Ausdruck dafür, daß die USA und Großbritannien nicht die Verletzung des Potsdamer Abkommens, sondern die Demokraten, die sich um seine Erfüllung bemühten, bestraften.
In diesem Geiste wurde der Bonner Staat gegründet. Der Kampf um einen demokratischen Anfang in ganz Deutschland wurde durch die Restauration der Macht der im 2. Weltkrieg besiegten deutschen Reaktion mit aktiver Unterstützung der kapitalistischen Mächte in den westlichen Zonen recht schnell und brutal beendet. Statt der Antihitlerkoalition installierten die Westmächte die Koalition mit den deutschen Konzernherren, mit den ehemaligen faschistischen Generälen und Globkes.
Trotz des massiven Antikommunismus setzte Max Reimann, im Parlamentarischen Rat gemeinsam mit Heinz Renner, den Kampf der Kommunisten um Demokratisierung, Frieden und die Einheit der Nation fort. In der ersten Plenarsitzung des Rates vom
1. September 1948 erklärte er: „Der Parlamentarische Rat ist auf Grund der Londoner Empfehlungen zusammengesetzt worden, um einen westdeutschen Staat zu schaffen und diesem westdeutschen Staat eine Verfassung zu geben. Somit wird Deutschland gespalten. … Ich stelle den Antrag: Der Parlamentarische Rat stellt seine Beratungen über eine separate westdeutsche Verfassung ein.“ Begründet hat er das u. a. mit dem Hinweis, daß dieser Rat kein Mandat vom deutschen Volk hatte. Er schlug vor, daß die Vertreter aller demokratischen Parteien in Verbindung mit dem Deutschen Volksrat den Alliierten einen gemeinsamen deutschen Vorschlag über die Bildung einer einheitlichen deutschen demokratischen Republik vorlegen. Gemeinsam mit
Heinz Renner schlug er vor, daß im Grundgesetz ein Passus enthalten sein sollte, der besagt: „Der Krieg ist geächtet.“ Der Antrag wurde aber zunächst zurückgestellt und dann abgelehnt. So kam es zu einem Grundgesetz, in dem weder die Ächtung des Krieges noch ein Verbot der Remilitarisierung festgelegt ist.
Das Konzept der KPD vertrat Reimann auch während seiner Zeit als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Für seine Haltung steht sein Auftreten als Vorsitzender der KPD-Fraktion am 22. September 1949, wo er die wahren Machtverhältnisse in dem unter Bruch des Potsdamer Abkommens gebildeten Staat darlegte. Auf die wiederholten Unterbrechungen des Abgeordneten Franz Josef Strauß antwortete er: „Wir wollen in Frieden und Freundschaft mit allen Völkern leben und besonders mit den Völkern des Ostens und Südostens. Die Oder-Neiße-Grenze ist die Grenze des Friedens!“
Bittere Erfahrungen mußte Max Reimann im Verbotsprozeß gegen die KPD machen. Nur elf Jahre nach Beendigung der faschistischen Herrschaft wurde die KPD erneut in die Illegalität getrieben. Wenige Tage nach der Einreichung des Antrags der Bundesregierung auf Verbot der KPD charakterisierte Max Reimann auf einer Pressekonferenz am 26. November 1951 diese Maßnahme als „Akt der Adenauer-Regierung gegen die demokratischen Rechte des Volkes“. Max Reimann erlebte aber auch die Tätigkeit der DKP, deren Mitglied er im September 1971 wurde. Bis zu seinem Tod 1977 war er deren Ehrenvorsitzender.
So breit und unterschiedlich die Kampffelder waren, so vielfältig und reich sind auch die Erfahrungen, die sein Leben und Wirken uns vermitteln.
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