RotFuchs 194 – März 2014

Als der britische GCHQ über die „Guardian“-Festplatten herfiel

Medienfreiheit – Western Style

RotFuchs-Redaktion

Was mit dem Londoner „Guardian“, der keineswegs als „rotes“ Vorzeigeblatt gilt, geschehen ist, spricht Bände. Seitdem der Journalist Glenn Greenwald die Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über die weltweiten Abhörpraktiken seines einstigen Dienstes dort publik gemacht hat, sieht sich die britische Zeitung den Attacken in offiziellem Auftrag handelnder Gesinnungsterroristen ausgesetzt. Schon am 17. Juni 2013 stieß Stephen Glover von der konservativen „Daily Mail“ eine massive Drohung aus. Die Anprangerung der Spionagezentrale NSA und des mit ihr kooperierenden britischen GCHQ grenze an Hochverrat – einen Straftatbestand. „Wichtige Staatsgeheimnisse“ seien ausposaunt worden.

Solche düsteren Andeutungen hatte man längst auch durch behördliche Schritte untersetzt. Schon im September 2011, als der „Guardian“ die Schnüffelpraktiken der Blätter des britisch-australischen Medienmoguls Murdoch attackiert hatte, waren repressive Akte gegen das aufmüpfige Blatt im Gespräch gewesen.

Kurz nach der Verhaftung des Snowden-Kuriers David Miranda – des Lebensgefährten von Glenn Greenwald – auf dem Londoner Flughafen Heathrow drangen Regierungsbeamte unter Berufung auf ein elf Jahre altes Terrorgesetz in die „Guardian“-Redaktion ein und vernichteten dort sämtliche diesbezüglichen Festplatten.

Murdochs notorisches Flaggschiff – das an „Bild“ orientierte Boulevardblatt „The Sun“ – brachte Ende Oktober 2013 einen auf Informationen von NSA und GCHQ gestützten tendenziösen Bericht, der dem „Guardian“ vorwarf, die Arbeitsmöglichkeiten der Sicherheitsorgane Großbritanniens und der USA zugunsten von Terroristen einzuschränken. Der rechtskonservative Unterhausabgeordnete Julian Smith legte nach und verlangte strafrechtliche Schritte. Der „Guardian“ wurde beschuldigt, ein seit 1912 geltendes Gentlemen’s Agreement über den Verzicht der Medien auf die Publizierung sicherheitsrelevanter Materialien gebrochen zu haben: das DA-Notice-System. Ihm zufolge darf in Großbritannien keine Bloßlegung staatlicher Interessen ohne vorherige „Diskussion“ erfolgen.

Unterdessen drohte der britische Tory-Premier David Cameron mit Verschärfungen. Am 25. April 2013 forderte er im Rahmen einer Unterhausdebatte die Medien zu „mehr sozialer Verantwortung“ auf. Die Regierung könne sonst „gezwungen sein, die Veröffentlichung Sicherheitsinteressen berührender Informationen generell zu blockieren“.

Derzeit sind in Großbritannien etwa 9000 Personen in einer speziellen „Extremismus-Datenbank“ erfaßt. Auch die Namen nicht weniger Journalisten sollen darunter sein.

Der Kampf gegen eine unerwünschte Öffentlichkeit wird indes nicht nur an der Themse geführt. Als „Leitmotiv“ solcher Art von Repression gilt das Vorgehen der Athener Machthaber gegen den griechischen Staatssender ERT. Nachdem Premier Samaras die Station am 11. Juni 2013 per Handstreich geschlossen hatte, wonach sich etliche der 2650 Mitarbeiter dieser Repressalie an ihren Arbeitsplätzen im ERT-Gebäude widersetzten und den Sendebetrieb per Internet monatelang aufrechterhielten, erfolgte am 7. November das definitive Aus. Jetzt ist die hellenische Regierung damit befaßt, ein personell wesentlich verkleinertes, fest an ihrer Kandare marschierendes neues staatliches Rundfunk- und Fernsehsystem – den Propagandasender NERIT – aufzuziehen.

Wie der stellvertretende Vorsitzende der Athener Journalistengewerkschaft Giorgos Gioukakis erklärte, werde der Kampf mit juristischen Mitteln fortgesetzt, wobei gute Chancen bestünden, ihn vor den Arbeitsgerichten zu gewinnen. Während 540 einstige ERT-Mitarbeiter vorerst beim Übergangssender DT Beschäftigung fanden, laufen derzeit noch 170 Prozesse entlassener ERT-Angestellter vor den entsprechenden Instanzen.

Werfen wir noch einen Blick in das von der Falange-Nachfolgepartei PP regierte Spanien. Am 30. November 2013 eilten Tausende Demonstranten in Valencia und Alicante den Beschäftigten des öffentlich-rechtlichen Regionalsenders RTVV zu Hilfe, die ihre Station gegen Repressalien der Zentral- und der Provinzialregierung verteidigten. Am Mittag jenes Tages war das Signal von Canal Nou (Kanal 9) plötzlich ausgefallen. Die schon früher geplante Abschaltung hatte sich um etwa 12 Stunden verzögert, da sich der unter Polizeischutz in das Sendergebäude gebrachte Techniker Francisco Signes mit den protestierenden Journalisten solidarisierte. „Ich schalte Canal Nou nicht ab“, erklärte er unter Hinweis auf eine fehlende richterliche Entscheidung. Selbst der RTVV-Chef bezog die gleiche Haltung. Doch die einzige in valenzianischer Mundart übertragende Station mußte – das Gericht hatte dann doch noch gegen die Beschäftigten entschieden – am Ende geräumt werden.

Dem jüngsten Geschehen war folgendes vorausgegangen: Im Vorjahr hatte Valencias Oberster Gerichtshof die früher erfolgte Kündigung von 1200 Mitarbeitern aufgehoben, welche eiligst durch Anhänger der faschistoiden Madrider Regierungspartei PP des Ministerpräsidenten Rajoy ersetzt worden waren. Die Folge war eine totale Programmdeformation gewesen. Als Reflex auf die gerichtlich verfügte Wiedereinstellung sämtlicher entlassener Angestellter ordnete der Präsident der Regionalregierung Alberto Fabia (PP) die sofortige Schließung der Station an, da für den Weiterbetrieb kein Geld mehr zur Verfügung stehe. Seine Entscheidung sei „nicht verhandelbar“.

„Fabia hat Angst vor einem Sender, der die Wahrheit sagt“, stellte der Betriebsratsvorsitzende Vicent Mitsud vor protestierenden Bürgern Valencias fest.

Nach der zuvor erzwungenen Wiedereinstellung der 1200 entlassenen Mitarbeiter war plötzlich bei RTVV über Korruptionsskandale und andere sinistre Machenschaften der PP berichtet worden. Auch war die Rede davon, daß die Schulden des Senders auf 1,1 Mrd. Euro angewachsen und die Einschaltquoten von 20 auf vier Prozent gefallen seien.

So kannte die PP mit den Frauen und Männern des widerspenstigen Regionalsenders keine Gnade.

Esperanza Aguirre, die PP-Vorsitzende in der hauptstädtischen Region, zog ihrerseits Parallelen zwischen dem Schicksal der RTVV und der „Personalreduzierung“ bei Telemadrid, wo 900 von ursprünglich 1200 Mitarbeitern gegen ihre willkürliche Entlassung Einspruch erhoben haben.

Wie man sieht, ist die Pressefreiheit im Bannkreis des Kapitals grenzenlos!

RF, gestützt auf Beiträge der ver.di-Monatszeitschrift „Menschen machen Medien“