NSA-Opfer: Fliegen auf einem Klebeband
Seit den ersten Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über die Bespitzelungspraktiken seines Brotherrn – der Regierung der Vereinigten Staaten – vergeht kaum ein Tag, an dem die Welt nicht durch neue Horrormeldungen in Aufregung versetzt wird. Dabei sollte man stets im Hinterkopf behalten, daß alle Bloßstellungen nur die Spitze des Eisbergs erkennen lassen. Seit Kenntnis US-amerikanischer Neugier habe ich das Entsetzen derer vermißt, die das Hauptanliegen ihrer Arbeit so lange und so vehement im „Kampf gegen staatliche Repression und Bespitzelung in der DDR“ sahen. Jene, welche die einstigen DDR-Bürger vom Trauma der angeblich totalen Überwachung befreien wollten, halten sich jetzt in Sachen NSA eher peinlich bedeckt. Vor allem die Kammerjäger der eigens für Ossis geschaffenen Büßerbehörde zur „Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen“ geben sich angesichts der kalten Dusche aus Übersee derzeit eher wortkarg. Offenbar fürchtet man um die eigene Existenzberechtigung.
Betrachtet man die professionellen „Stasi“-Jäger, dann erlebt man, wie sie die NSA-Affäre herunterzuspielen und abzumildern oder die BRD-Bürger für blöd zu verkaufen suchen. In einem Interview philosophierte Roland Jahn am 29. August 2013 über seine Sicht auf die Unterschiede zwischen der Freiheit in einer Diktatur und in der bürgerlichen Demokratie, wobei er den Eindruck zu erwecken suchte, daß es zwei völlig konträre Freiheiten gäbe.
Die Tatsache, daß deutsche Bürger durch die NSA gläsern gemacht worden seien, müsse als ein Kavaliersdelikt unter Freunden bewertet werden, beteuern unsere Politiker. Alles sei halb so wild, schließlich kenne doch jeder auch aus seinem Privatleben genügend Leute, die einen beschnüffeln, bespitzeln und ausspionieren.
Was da in der mormonischen Wüste von Utah aus dem Sandboden gestampft worden ist, muß rein technisch als ein Monstrum betrachtet werden, das unsere Vorstellungskraft übersteigt. Die Fläche der NSA-Abhörzentrale umfaßt rund 50 Fußballfelder, der jährliche Stromverbrauch des Komplexes beträgt etwa 65 Megawatt und kostet geschätzte 45 Millionen Euro. Das entspricht dem Bedarf einer Stadt mit 40 000 Einwohnern. Allein für die Kühlung der Anlage veranschlagt „Wired“-Autor James Bamford pro Tag 450 000 Liter Wasser. Angestrebt ist vorerst eine Speicherkapazität von fünf Zettabyte – das ist, um die Sache zu verdeutlichen, eine Eins mit 21 Nullen. Sie reicht aus, um die gesamte Kommunikation, jeden Computer, das Inter- und Intranet, das Bewegungsverhalten bei Google und anderen Suchmaschinen, alle E-Mails und SMS, Eingaben in Smartphones, Handys, Telefon und netzfähigen TV, sämtliche Bankdaten incl. Angaben über Steueraufkommen, Eigentumsverhältnisse, Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und Einkäufe im bevorzugten Supermarkt für jeden Erdenbürger über einen Zeitraum von 100 Jahren zu speichern. Natürlich auch Bewegungsdaten, die durch moderne Autos oder per Handy und Smartphone geliefert werden.
Wer meint, daß ein so gigantischer Überwachungsapparat nötig wäre, um sich auf alle Zeiten seine zweifelhafte Existenz als Gesellschaftsordnung zu sichern, sieht nicht gut aus. Eine Regierung, die Edward Snowden politisches Asyl verweigert, ist letztlich auch dazu verdammt, die Bürger des eigenen Landes wie Fliegen auf einem Klebeband dem vermeintlichen „Freund“ auszuliefern.
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