Compañera Christa: Für junge und jung gebliebene Rotfüchse
Palmyra im Herzen
Zenobia war eine schöne, kluge, starke syrische Königin. Sie herrschte vor etwa eintausendachthundertfünfzig Jahren in Palmyra, das zu dieser Zeit eine bedeutende Handelsmetropole in der Wüste war. Zenobia war hochgebildet, sprach vier Sprachen, las Homer und Platon im Original und ging unverschleiert. Sie ließ Palmyra zur prächtigen Stadt aufbauen und rief griechische Wissenschaftler und Künstler an ihren Hof. Prachtvolle Paläste und Tempel wurden gebaut, so der des Sonnengottes Baal und der BaalSchamin-Tempel, die grandiose Säulenstraße, Triumphbögen, das Theater und eine unterirdische Totenstadt mit tausenden Reliefs der Verstorbenen. Palmyra verfügte schon über ein Wasser- und Abwassersystem aus Tonröhren.
Im Jahre 273 unserer Zeitrechnung überfiel Kaiser Aurelian die Stadt, besiegte Zenobia und ließ sie im Triumphzug nach Rom bringen. Der Wüstenwind verwehte Palmyra. Jahrhunderte blieb die glanzvolle Stadt unter hohen Sandschichten verborgen. Erst vor 60 Jahren begannen Archäologen Palmyra aus dem riesigen Sandgrab freizulegen.
Im November 1986 flog ich mit einer DEFA-Filmdelegation nach Damaskus. Syrien und die DDR pflegten gute diplomatische Beziehungen und einen regen Kulturaustausch.
In Damaskus fand eine DDR-Filmwoche mit DEFA-Streifen statt. Gezeigt wurden u. a. „Das Haus am Fluß“, „Anton der Zauberer“ und mein „Moritz in der Litfaßsäule“.
Damaskus erschien mir damals als blühende, fortschrittliche Stadt. Im Straßenbild waren wenig schwarz verschleierte Frauen. Und selbstverständlich fuhren etliche von ihnen auch Auto.
Es war die Zeit, da Hafez al Assad, der Vater des jetzigen Präsidenten, am Staatsruder stand. Seine Regierung setzte sich aus Mitgliedern der Baath-Partei und der KP Syriens zusammen, die einen Verbund linker Kräfte bildeten. Damals herrschte in der Region Frieden. Unsere Arbeiten fanden bei den Kinobesuchern freundliche Resonanz. Es gab gute Gespräche mit Zuschauern und syrischen Filmschaffenden. Wir erlebten deren modernes Studio in Damaskus, sahen syrische Filme wie „Sonne am wolkigen Tag“, der gerade in Kairo preisgekrönt worden war. Das syrische Kulturministerium bot uns seine liebenswerte Gastfreundschaft. Wenn wir keine Veranstaltungen hatten, zeigte man uns Damaskus, den Azem-Palast und die Omaya-Moschee. Man fuhr mit uns auch in die tote Stadt Kuneitra, die im Oktoberkrieg 1984 von Israel bis auf die Grundmauern geschleift wurde.
Den Höhepunkt unserer Reise aber bildete der Besuch Palmyras, der Königsstadt, die Jahrhunderte im Wüstensand vergraben und zum großen Teil schon freigelegt war. Wir durchschritten die jahrtausendealten Ruinen, bestaunten den Palast der Königin, die Säulenalleen, die unterirdischen Grabkammern mit den in Stein gehauenen Gesichtern der Verstorbenen sowie die Tempel des Sonnengottes Baal. Der Atem der Geschichte wehte uns an. Nie werde ich dieses erhabene Gefühl vergessen.
Und diese Schätze der Weltkultur wurden im schlimmen Kriegsjahr 2015 zerstört!
Fassungslos sahen wir die Bilder, wie IS-Barbaren kostbares Kulturerbe zerstörten, in blindem Haß die Tempel sprengten, mit unfaßbarer Brutalität vor nichts und niemandem haltmachten. Eine neue Barbarei ist über die Welt gekommen.
Kriege werden nicht mehr erklärt, sondern gehen wie Lauffeuer um die Erde. Und die Flüchtlingsströme mit verzweifelten Menschen aus zerbombten Städten und Dörfern des Nahen und Mittleren Osten erreichen längst auch Europa.
Wer Wind sät, erntet Sturm, wer Kriege beginnt und unterstützt, hat die Folgen zu tragen.
Wir kennen die Hintergründe, wir wissen um die Zusammenhänge der Einmischung der USA und der NATO im arabischen Raum, die seit Jahrzehnten andauert: Es geht um Weltmachtansprüche, um Gier nach Öl, Rohstoffen und geostrategischen Positionen. Tötungsmaschinen, jetzt harmlos Drohnen genannt, schaffen eine neue Stufe von Barbarei: Wer sie bedient, behält „saubere Hände“. Und wir wissen auch, daß die Strategen des Pentagons Militärbasen in der BRD besitzen, wo „nur“ auf Knöpfe gedrückt werden muß, um die Koordinaten für das Fernmorden zu übermitteln. Und wenn es Schulen und Krankenhäuser trifft, handelt es sich wie gerade erst in Kundus um „Kollateralschäden“. Was für ein zynisches Wort!
Daran trägt auch der Staat, dessen Bürger wir sind, große Schuld. Das erlegt uns die Pflicht auf, den durch Kriege verletzten, oftmals schwer traumatisierten Menschen Hilfe und Solidarität zu gewähren. Ich denke dabei vor allem an die Kinder, und mir blutet das Herz, war ich doch selbst einmal ein Flüchtlingskind, das die Abneigung derer spürte, die uns aufnehmen sollten. Zwölf Millionen Menschen waren während des zweiten Weltkrieges auf der Flucht. Heute sind es 60 Millionen!
Wir Menschen sind doch auf der Welt, um mit Worten, auch mit Hilfe der allerorten verstandenen Kunst, anderen den Weg zu erleuchten, Mut zu machen und ihre Herzen zu berühren.
Wie weit sind wir jetzt von alldem entfernt! Haß, Barbarei und Zynismus bestimmen das kapitalistische Wertesystem. Und wir müssen alles tun, unsere Kinder zum Mitgefühl mit den vor Krieg und Gewalt Fliehenden zu erziehen.
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