Was hinter den 19 Thesen der PEGIDA wirklich steckt
„Patriotische Europäer“ –
welch ein Widersinn!
Ein nicht-fürstlicher Zug geht um in Dresden, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA). Daß ich, der unweit von Dresden Aufgewachsene, das noch erleben darf: Dresden als Hauptstadt des Abendlandes! Vorgestern (vor 70 Jahren) in Schutt und Asche, gestern (vor etwa 35 Jahren) ahnungslos im Tal liegend und heute an der Spitze der Bewegung marschierend!
Das unlängst verfaßte „Positionspapier in 19 Thesen“ der „Pegiden“ zeugt nicht gerade von Begriffs- und Stilsicherheit. Vielleicht ist die Verwirrung und Vermengung auch gerade gewollt, damit ein jeder sich die These heraussuche, die ihm gerade in den Kram paßt. Wer die Vorneweg-Marschierer verstehen will, muß alles lesen und im Zusammenhang analysieren. Von den Mitläufern ist im Folgenden also nicht die Rede.
„Patriotische Europäer“ ist schon ein arger begrifflicher Widerspruch. „Patrioten“ haben bekanntlich ein Vaterland (patria) und nicht gleich eine ganze Landmasse. Sonst hießen sie ja „Kontinentioten“. „Abendland“ ist das Gegenwort zu „Morgenland“; es wurde in der Antike (!) geprägt und umfaßt die Gebiete Europas westlich des Bosporus (und seines Längengrades) bis zum portugiesischen Cabo da Roca am Atlantik. Das „Land, in dem die Sonne untergeht“ schließt etwa die Hälfte der heute zum Kontinent Europa gerechneten Fläche aus. Das NATO-Abendland lassen wir einmal unberücksichtigt. Der 28-Staaten-Verbund „Europäische Union“ wiederum besteht aus nur 43 % der Fläche Europas (in Zypern sogar noch aus einem Häppchen „Morgenland“) und mindestens 28 Arten von Patrioten (weil es in der EU auch die schottischen und katalonischen Patrioten gibt, um nur die wichtigsten zu nennen). Das „Patrioten-Verständnis“ wird auch dadurch komplizierter, daß in drei von 19 Thesen den Unionsbürgern ausdrücklich die außerhalb der EU verbliebenen Schweizer als Vorbild hingestellt werden, ganz zu schweigen von Kanadiern, Australiern und „schwarzen“ Südafrikanern außerhalb des „Abendlandes“. Da in Dresden nach meiner Kenntnis nur Bürger der Bundesrepublik hinter dem PEGIDA-Transparent hergelaufen sind, kann man die „patriotischen Europäer“ wohl am exaktesten mit „Volksdeutsche“ übersetzen.
Die bekennenden Gegner der „Islamisierung“ formulieren in ihrer 10. These: „PEGIDA ist … nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!“ Wieder so ein Begriffsknoten. Im allgemeinen Verständnis drückt die Endsilbe „-ierung“ einen Vorgang aus, beispielsweise „Arisierung“ und „Christianisierung“. Wenn Muslime aufgefordert werden, sich zu integrieren, ohne das „intra“ (hinein) hinzuzusetzen, dann ist das eine Aufforderung zur Selbstintegration, zur Abschottung vom Rest der Gesellschaft. Das ist wohl eher nicht gemeint. Wenn geschrieben stünde: „PEGIDA ist für die Integration der in Deutschland/der EU lebenden Muslime in die laizistische Gesellschaft“, so wäre das verständliches Deutsch und eine positive politische Aussage. Aber es kommt ja ganz anders. Die 13. PEGIDA-These enthält weiteres zu Hinterfragendes: „PEGIDA ist für die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!“. Worin drückt sich denn (im 21. Jahrhundert) die Prägung einer Kultur aus, die diesen Namen verdient? Meiner Ansicht nach darin, daß sich „die Gesellschaft“ nicht durch Religionsbekenntnisse definiert, Verfolgern keine Waffen liefert und keine Kriege – unter welchem Schutzverantwortungs-Vorwand auch immer – führt. Das real existierende Europa des 21. Jahrhunderts ist von der Unkultur der Desintegration, des bedenkenlosen Waffenexports und der Kriegsbeteiligung über sämtliche Grenzgebirge und -meere hinaus gekennzeichnet. Dagegen zu protestieren, hielte ich für „patriotisch“ und „kulturerhaltend“.
Tausend Jahre hat sich das „christliche Abendland“ durch Parallelrecht und Ghettos gegen eine vorgebliche „Jüdisierung“ mehr als nur geschützt. Nun aber täuscht man heuchlerisch vor, diese religiöse Minderheit habe seine Kultur geprägt. Tief eingegraben in das Gedächtnis der Völker in Morgen-, Mittags-, Abend- und Mitternachtsland hat sich die Holocaust-„Kultur“ der deutschen Zentraleuropäer. In den Morgen- und Mittagsländern Asiens und Afrikas, die vor Jahrhunderten tatsächlich „islamisiert“ wurden, machen die Völker seit etwa einem Jahrhundert die prägende Erfahrung, daß ihre muslimische Kultur mit antiken Wurzeln von modernen ökonomischen Kreuzrittern geringgeschätzt, auf Extreme reduziert und durch das „abendländische“ Parallelrecht des Mammon ersetzt wird. Die „gewaltbetonte politische Ideologie“ (10. PEGIDA-These), wonach „unsere abendländischen Werte“ in Syrien „schutzverantwortet“ und am Hindukusch „verteidigt“ werden, ist „unpatriotisch“ und delegitimierend.
Die 19. und letzte These der „Pegiden“ lautet: „PEGIDA ist gegen Haßprediger, egal, welcher Religion zugehörig!“ Ob sie wohl erkennen, daß zwischen den politischen Haßpredigern des „Abendlandes“ und den Subjekten der 1. PEGIDA-These, den „Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten“ als Ausdruck der realen Desintegration des Morgenlandes ein Zusammenhang besteht?
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