Vor 95 Jahren wurde der Meister des Folk geboren
Pete Seeger – ein Sänger, der Sieger blieb
Der am 27. Januar verstorbene große Folk-Sänger Pete Seeger hat 80 seiner 94 Jahre in den Kampfreihen des „anderen Amerika“ gestanden. Seine Lieder bewegten bis zuletzt Millionen Menschen in aller Welt. Er war der Troubadour beim Aufbau der fortschrittlichen CIO-Gewerkschaften in den 30er Jahren. Gemeinsam mit seinem Freund Woody Guthrie erhob er seine Stimme gegen den als „Jim Crowism“ bezeichneten, das gesamte gesellschaftliche Leben durchdringenden Rassismus im eigenen Land und die dem republikanischen Spanien an die Kehle gegangenen Faschistenhorden Francos, Hitlers und Mussolinis.
In den 50er Jahren setzten die antikommunistischen Hexenjäger McCarthys Pete und Paul Robeson – seinen Bruder im Geiste – auf die schwarze Liste der wegen ihrer Mitgliedschaft in der KP der USA verfolgten und von den Mainstream-Medien totzuschweigenden Künstler. Sein entschiedener Widerstandswille wie seine andauernde Nähe zur Arbeiter- und Volksbewegung sorgten dafür, daß Pete Seeger in den Augen von Millionen Amerikanern ein Volksheld blieb, den auch künstlerische Zeitgenossen wie Bruce Springsteen bewunderten. In der Hoffnung auf einen anderen Barack Obama stimmten beide bei der feierlichen Amtseinführung des von einer breiten Volksbewegung ins Weiße Haus getragenen ersten schwarzen US-Präsidenten im Jahr 2009 „This land is your land“ an.
Am 3. Mai wäre Pete, der mich seit der 9. Klasse begleitete, 95 Jahre alt geworden. Damals sangen wir sein „If I had a hammer“. Was plagten wir uns mit der Übersetzung, sollte sie doch das Leben und den Kampf dieses populären Musikers ausdrücken. Damit wurden wir voller Wärme durch unsere Englischlehrerin vertraut gemacht. Mit Inbrunst stimmten wir das „Hammer-Lied“ auch in unserem Singeclub an, und bewiesen damit, daß wir seinen Song verstanden hatten. Er wurde zur Hymne der Bürgerrechtsbewegung in den USA, Victor Jara sang ihn als „El martillo“ in Chile. Erstmals erklang das Lied 1949 auf einer Benefizveranstaltung für die von McCarthy verfolgten Kommunisten. „Der Hammer“, Symbol mit der dazugehörigen Sichel, ist eine Ode auf die Gerechtigkeit, die Gleichheit, die Freiheit. „Es ist das Lied von der Liebe zu meinen Brüdern und Schwestern überall in diesem Land“, endet die letzte Strophe.
Was trieb den Sohn eines Musikwissenschaftlers und einer Geigenlehrerin zu dieser Haltung? Mit seinem legendären Banjo eilte Pete der Arbeiterbewegung, den Minderheiten und den armen Völkern aller Länder zu Hilfe, unterstützte er nach dem faschistischen Überfall auf die Sowjetunion 1942 die Entscheidung des US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt, an deren Seite in den Krieg einzutreten. Im gleichen Jahr gründete er die Folk-Musiker-Gewerkschaft „People’s Songs“.
Nach 1945 ging seine Interpretation von „We shall overcome“ um den Erdball – das weltweit meistgesungene Freiheitslied, der globale Hymnus für Menschenrechte. Das war Grund genug, Pete 1955 vor den McCarthy-Ausschuß zu zerren, wo er die Aussage verweigerte. 1961 wegen seiner kommunistischen Überzeugung zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wurde er aufgrund der Revision dieses Urteils nach einem Jahr wieder entlassen. Aber die Diskriminierung hielt Jahrzehnte an.
In der DDR wurde Pete Seeger wiederholt stürmisch gefeiert. Nach einem Konzert in der „Volksbühne“ am Berliner Luxemburg-Platz im Januar 1967 würdigte er seine Zuhörer mit den Worten: „Ich habe die Moorsoldaten noch nie so gut von einem Publikum gesungen gehört wie hier.“
Pete Seeger war auch beim 16. Festival des Politischen Liedes im Februar 1986 dabei. Man bereitete ihm Standing ova-tions – Anerkennung und Zuneigung des guten Deutschland für den Vertreter des „anderen Amerika“. Ich war bei diesem historischen Auftritt zwar nicht zugegen, las aber alles, was darüber berichtet wurde. Wir haben seine Lieder verinnerlicht und waren stolz darauf, daß Pete mit diesem Auftritt unserer sozialistischen Heimat Ehre erwies.
Der große Sänger und Kämpfer hat zu Hause und in aller Welt Unzählige dazu inspiriert, kostbares Liedgut in seinem Geist zu bewahren oder neu zu entwickeln. Viele Künstler folgten dieser Spur. Ich nenne nur Joan Baez, Bob Dylan und Bruce Springsteen. Der nannte Pete den Vater der amerikanischen Folk Music und sagte: „Er besaß die Kühnheit und den Mut, mit der Stimme des Volkes zu singen.“
Am Ende seines langen Lebens zog Pete Seeger noch einmal Bilanz: „Ich glaube, daß nicht nur Lieder, die das Fleisch unseres Lebens ausmachen, geschrieben werden müssen. Es muß auch gehandelt werden.“
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