Portugal: Die Nelken sind nicht verdorrt
Fast vier Jahrzehnte nach der den Faschismus hinwegfegenden Nelkenrevolution ist in Portugal keine Blüte populärer als der Cravo Vermelho – die rote Nelke –, welche einst in die Gewehrläufe der sich gegen Caetanos Diktatur erhebenden Soldaten vom Volk gesteckt wurde. Auf Protestkundgebungen und bei einer Serie aufeinander folgender Generalstreiks erfuhr man von dem Verlangen unzähliger durch die Troika gewürgter Portugiesen nach einem „neuen 25. April“.
Unter denen, die sich danach sehnen, befinden sich auch immer mehr junge Leute, die das Vergangene nur vom Hörensagen kennen. Kein Wunder, hat doch die Jugendarbeitslosigkeit inzwischen mit 38,5 % eine Rekordhöhe erreicht. Noch eine erschreckende Ziffer: Rund 60 % der unter 30jährigen müssen bei ihren Eltern leben, weil sie angesichts der enorm gestiegenen Ausgaben für Miete, elektrischen Strom und Wasser – um nur einige Posten zu nennen – sonst nicht durchkämen.
Über all das wurde vor Monaten auf der 7. Nationalkonferenz junger Mitglieder der CGTP berichtet. Portugals mit Abstand größte Gewerkschaftszentrale – ihr Generalsekretär gehört übrigens dem ZK der PCP an – kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Sie begann sich in den späten 60er Jahren unter der faschistischen Diktatur Salazars zu formieren, als Kommunisten in einzelnen der als Syndikate bezeichneten Berufsverbände Einfluß und schließlich die Oberhand gewannen. Deren Zusammenschluß nannten sie Intersindical. Während der portugiesischen Revolution nahm diese dann die Zusatzbezeichnung CGTP an.
Neben der erst später gegründeten griechischen Arbeiterfront PAME ist die CGTP nach dem Abdriften der französischen CGT und der italienischen CGIL eine der beiden großen westeuropäischen Gewerkschaftszentralen unter kommunistischer Führung.
Der außerparlamentarische Kampf der Intersindical und anderer linker Massenorganisationen wird durch den beherzten Einsatz einer 16köpfigen CDU-Fraktion in Portugals Versammlung der Republik unterstützt. CDU steht hier keineswegs wie in der BRD für eine Politik im Dienste des Kapitals, sondern für Coligação Democrática Unitária – Demokratische Einheitskoalition. Sie besteht aus der PCP und den mit ihr verbündeten Grünen, auf die zwei der 16 CDU Parlamentsmandate entfallen.
Wie der erst 33jährige PCP-Abgeordnete Miguel Tiago, der bereits seine dritte Legislaturperiode absolviert, gegenüber der belgischen PTB-Wochenzeitung „Solidaire“ erklärte, führt seine Partei „den Kampf im Parlament wie auf der Straße. Wir wollen, daß Portugals brüsselhörige und rechtsgerichtete Regierung unter Premier Passos Coelho verschwindet. Sie muß der neuen Bewegung Platz machen, die mit Massenunterstützung für einen radikalen Wandel des in Lissabon verfolgten politischen Kurses eintritt“, betonte Miguel Tiago. Seine Äußerung trägt der Tatsache Rechnung, daß die „Nelken-Nostalgiker“ keineswegs Träumereien an Kaminen nachhängen, sondern immer mehr Portugiesen zu aktivem Handeln inspirieren.
RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel
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