Portugal: Wo die CDU noch etwas wert ist
Hierzulande stehen die drei Buchstaben CDU im allgemeinen für eine sich christlich gebende Massenpartei der machtausübenden Kräfte des bundesdeutschen Kapitals. Obwohl sie Gegenwart sind, verkörpern sie im historischen Sinne bereits die Vergangenheit, die uns aber noch lange anhaften und belasten dürfte. Merkels CDU ist eine der tragenden Säulen der EU, die von Südeuropas Völkern mit der Garotte – dem noch in Franco-Spanien bei Hinrichtungen gebrauchten mittelalterlichen Würgeeisen – verglichen wird. Anderswo bedeutet CDU indes den Aufbruch zu Kampf und Widerstand. In Portugal gilt es als ein Signal, das in die Zukunft weist. Die Coligação Democrática Unitária (CDU) entstand etliche Jahre nach einer bis heute unvollendeten Konterrevolution, die auf den bisher weitreichendsten antikapitalistischen Befreiungsversuch der arbeitenden Massen eines NATO-Mitbegründerstaates in Westeuropa – die Nelkenrevolution von 1974 bis 1976 – gefolgt war. Noch von den Blessuren der Niederlage gezeichnet, ging die zwar unterlegene, aber nach wie vor über Masseneinfluß verfügende Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) schon bald zum Gegenangriff über. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die führende Gewerkschaftszentrale CGTP-Intersindical, in der die PCP von Beginn an fest verankert ist.
Auf die zunächst das Terrain von Bündnismöglichkeiten solide erkundenden linken Wahlkoalitionen FEPU und APU folgte ein qualitativ höher zu bewertender Zusammenschluß. Dessen Partner gaben ihm den Namen CDU (Demokratische Einheitskoalition). Ihr gehören neben der PCP als richtungweisender Kraft mit marxistisch-leninistischer Orientierung und zahlreichen Massenorganisationen auch die in Portugal eindeutig linksgerichtete Ökologistische Partei der Grünen (PEV) sowie die fortschrittliche Teile der Intelligenz und des Bürgertums repräsentierende Intervenção Democrática (ID) an. Es handelt sich in gewisser Weise um einen Demokratischen Block außerhalb der zentralen politischen Macht, der den räuberischen Plänen Brüssels und besonders der BRD als Haupthindernis im Wege steht.
Die etliche administrative Kreise verwaltende und über eine Fraktion in Portugals Nationalversammlung sowie Mandatsträger im Europaparlament verfügende lusitanische CDU besitzt inzwischen eine außergewöhnliche Mobilisierungskapazität. Als sie für den 6. Juni zu einem nationalen Marsch „Die Kraft des Volkes“ gegen Brüssel aufrief, wurden selbst ihre kühnsten Erwartungen noch übertroffen. Mehr als 100 000 Landesbürger – vor allem Arbeiter – folgten dem auch von den CGTP unterstützten Appell zu Kampf und Widerstand. Die schier endlosen Kolonnen zogen auf sämtlichen Fahrbahnen der hauptstädtischen Magistrale „Avenida da Liberdade“ zur Abschlußkundgebung an der Tejo-Bucht.
Mit Portugal steht – nach Griechenland und Spanien – ein weiterer südeuropäischer Staat vor Parlamentswahlen. Und so schloß der dynamische PCP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa, der nach den Bündnispartnern aus der CDU als letzter ans Rednerpult trat, mit den Worten: „Niemand ist Herr über die Stimmen der Portugiesen. Es liegt in den Händen der Werktätigen und unseres Volkes, auch in den Händen der endlosen Schar hier Versammelter, die ein Land des Fortschritts und der sozialen Gerechtigkeit wollen, wie der Zusammenhalt aller Demokraten zu einer Regierung der Linken führt, die das Kabinett von Brüssels Gnaden ablöst.“ In den letzten 38 Jahren hätten die Portugiesen eine rechtsgerichtete Politik und fast drei Jahrzehnte Integration in das kapitalistische Europa der EU erlebt. Mit Regierungen, die gegen das Vermächtnis des 25. April 1974 zu Felde zögen, müsse endlich Schluß gemacht werden.
RF, gestützt auf „Avante!“, Lissabon
Nachricht 1015 von 2043