Portugals CGTP attackiert
„Programm der Aggression“
In Portugal ist Wahljahr, und die liberal-konservative Lissabonner Regierung von Pedro Passos Coelho hat gute Nachrichten: 2014 verringerte sich das Haushaltsdefizit des Landes stärker als erwartet. Bereits im Mai verließ Portugal offiziell das Hilfsprogramm der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Kapitalmärkte und Rating-Agenturen reagieren nun freundlicher, ein Teil der Notkredite in Höhe von 78 Milliarden Euro zur Abwendung eines Staatsbankrotts soll vorzeitig zurückgezahlt werden. Stark angehobene Einkommens- und Verbrauchssteuern haben dem Fiskus Rekordeinnahmen verschafft. Überdies profitiert das Land vom Preisverfall bei Öl und Gas auf den Weltmärkten. Die Krise, die Portugal seit 2010 fest im Griff hat und dem Land einen Regierungswechsel und einen harten Sparkurs bescherte, scheint gemildert zu sein.
Erkauft wurde die Sanierung der Bilanzen mit der drastischen Senkung des Lebensstandards der Bevölkerung und radikalen Kürzungen im öffentlichen Dienst. Das Abkommen mit der „Troika“ aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds verpflichtete Lissabon zu Einsparungen und Umstrukturierungen sowie zur Privatisierung von Staatsbetrieben. Aus Sicht der den Kommunisten nahestehenden größten Gewerkschaftszentrale CGTP-Intersindical ist es ein „Programm der Aggression“.
Für die meisten Portugiesen vertieft sich die Krise indes weiter. 2014 standen offiziell 15,6 Prozent der Landesbürger ohne Job da, in der Altersgruppe bis 25 waren es sogar mehr als 40 Prozent. Reguläre Arbeitsplätze sind kaum zu haben. Viele Berufstätige müssen ihr Leben vom Mindestlohn (515 Euro) fristen. Die Lebenshaltungskosten sind weiter gestiegen, die Rechte der Beschäftigten wurden noch mehr beschnitten, die Arbeitszeiten verlängert, das Renteneintrittsalter wurde heraufgesetzt. Budgetkürzungen bei Krankenhäusern haben den Termin dringender Operationen weiter hinausgeschoben und überfordern die Rettungsstellen. Hunderttausende sind aus wirtschaftlichen Gründen in andere europäische Länder, aber auch nach Brasilien oder in Portugals einstige Kolonien Angola und Moçambique emigriert. Der Sparkurs wurde mit gewaltigen Massenprotesten und wiederholten Generalstreiks beantwortet.
Während sich die meisten Menschen einschränken müssen, bedient sich die „Elite“ aus Politik und Wirtschaft weiterhin ohne Skrupel. Ans Licht kam eine Kette von Korruptionsaffären, welche die regierende Mitte-Rechts-Koalition erschütterten. Der Skandal um die frisierten Bilanzen des Geldhauses Banco Espirito Santo ließ Tausende geprellte Kleinanleger zurück. Hohe Beamte machten sich mit „goldenen Visa“, welche Zuwanderern die freie Bewegung im europäischen Schengen-Raum ermöglichen, eine goldene Nase. Es gilt das Prinzip: Wer genügend zahlt, muß nicht in einer Nußschale auf dem Mittelmeer sein Leben riskieren. Wie andere EU-Staaten ermöglicht es seit 2012 auch Portugal „jedermann“, gegen Zahlung von einer Million Euro, bei Erwerb einer Immobilie im Wert von mindestens 500 000 Euro oder im Gegenzug für die Schaffung von Arbeitsplätzen die Eintrittskarte nach Europa zu lösen. Dieses Verfahren brachte Lissabon mehr als eine Milliarde Euro ein. Vor allem reiche Chinesen und betuchte Angolaner erwarben auf solche Weise zahlreiche Immobilien.
Hohe Beamte von der Ausländerpolizei und aus dem Justizministerium, die dabei mit abkassierten, flogen auf und landeten vor Gericht. Der Innenminister mußte seinen Hut nehmen. Ein Höhepunkt war die Verhaftung des früheren portugiesischen Regierungschefs José Sócrates im November 2014. Der Rechtssozialist regierte das Land zwischen 2005 und 2011. Angelastet werden ihm Korruption, Steuerbetrug und Geldwäsche. Das ist für die größte Oppositionspartei des Landes vor den im Herbst stattfindenden Wahlen eine schwere Hypothek.
Doch beim Ausverkauf Portugals gibt es keine Unterbrechungen. Auf der Liste stehen nunmehr auch das Geldinstitut Novo Banco, Portugal Telecom und die Fluggesellschaft TAP. Deren Beschäftigte wehren sich energisch gegen die Privatisierungspläne. Unter dem Motto „Wir lassen uns unsere Rechte nicht rauben!“ folgten Tausende von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dem Aufruf der CGTP zu einem Protestmeeting in Lissabon gegen die geplante Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich.
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