Post aus Chile –
Korrespondenz mit Margot Honecker
Wenige Tage nachdem die Traueranzeige für die Kommunistin und Volksbildungsministerin der DDR, Margot Honecker, in der „jungen Welt“ und dem „nd“ erschienen war, traf ich in meinem Kiez Prof. Christa Luft, die mir danken wollte, daß sie auch meinen Namen bei den Unterzeichnern gefunden hat.
Nun liegt uns ein Buch vor, welches die letzte Lebensetappe von Margot genau nachzeichnet.
Es beginnt am 10. August 1994 mit einem Brief von Margot Honecker aus Santiago de Chile an den Verleger Frank Schumann bezüglich der geplanten Veröffentlichung der „Moabiter Notizen“ von Erich Honecker. Aus diesem ersten Arbeitskontakt wird eine dauerhafte, freundschaftliche und vertrauensvolle Beziehung. Eigentlich konzipiert wie ein klassischer Briefroman – nur, daß wir heute leider auf die Form des Briefes verzichten und die E-Mail zum schnelleren Austausch der Gedanken und notwendigen Arbeitsschritte nutzen.
Wir erfahren viel Persönliches aus dem Leben im Exil und sind angetan von ihrer ausgesprochenen Freundlichkeit. Sie war zwar hart in der Sache, unbeirrbar von unserer Sache überzeugt, aber auch freundlich zu fast allen Menschen, die auch ihr freundlich gegenübertraten. Wir, die wir ihre Freundlichkeit empfangen haben, wissen, daß es weder eine Beichte noch eine Kehrtwende bei Margot gab. Dem Leser begegnet in diesem Buch eine Kommunistin mit ausgeprägtem Klasseninstinkt, die sehr wohl wußte, daß bürgerliche Journalisten nichts anderes als mehr oder weniger gut bezahlte Propagandisten des Kapitalismus sind. Darum werden sie die bestehenden Verhältnisse nie in Frage stellen und dieses System immer verteidigen. Ihre Aufgabe ist es, ihre Gegner und Kritiker zu attackieren. Das wußte Margot und verhielt sich dementsprechend.
Der E-Mail-Partner von Margot, der marxistisch geschulte Verleger und Autor Frank Schumann, mußte auch aus seinem Leben einiges offenbaren, so wie es unter Freunden üblich ist, und Margot nahm regen Anteil daran.
Auch wenn die DDR nicht mehr existiert – vieles ist geblieben. Eines besonders: das ist ihre Leistung für die Volksbildung. Margot Honecker hat das als Ministerin mit stoischer Ausdauer vorangetrieben, allen Vorwürfen und Vorbehalten, auch aus den eigenen Reihen, zum Trotz. Wir reden viel davon, daß in Skandinavien die „Polytechnische Oberschule“ als Erfolgsmodell übernommen wurde. Aber viel wichtiger noch ist es wohl, daß in der DDR Millionen und aber Millionen junge Menschen aufs Leben vorbereitet wurden. Die fundierte Bildung und Erziehung der Ostdeutschen könnte dem Kapitalismus noch einmal zum Verhängnis werden, wenn sie in den linken, marxistischen Bewegungen noch mehr genutzt würde.
In der Februar-Ausgabe des „RotFuchs“ konnte noch einmal ein Leserbrief von Margot veröffentlicht werden, in dem sie ihrer Hoffnung Ausdruck gab, der „RotFuchs“ möge auch weiterhin dazu beitragen, „daß die Menschen lernen, ‚hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klasse zu suchen‘. (Lenin) Es bleibt noch viel zu tun!“
In den letzten Monaten vor ihrem Ableben wird es ruhig. Keine Nachrichten, keine Telefonate. Der Verleger Frank Schumann erhält am 17. Februar eine letzte Nachricht von Margot. Unsere Bemühungen, noch einmal in Kontakt zu kommen, schlagen fehl.
Wer mehr über die DDR, den Klassenkampf und eine tapfere Kommunistin erfahren will, dem empfehle ich diese Lektüre.
Frank Schumann / Margot Honecker:
Post aus Chile
Die Korrespondenz mit Margot Honecker
edition ost im Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2016, 336 Seiten
ISBN 978-3-360-01879-3
16,99 €
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