Christa Lufts RF-Extra –
Auftakt zu produktivem Meinungsstreit
Pro und Contra
Zu dem Beitrag von Prof. Christa Luft im März-RF möchte ich unter einem Aspekt Widerspruch anmelden. Es geht mir um die Charakterisierung der Eigentumsverhältnisse in der DDR. Bekanntlich sprachen wir stets von Volkseigentum. Christa Luft vertritt demgegenüber die Auffassung, es habe kein wirkliches Volkseigentum gegeben, wobei sie den Begriff in Anführungsstriche setzt, weil es sich – wörtlich – „in der Verfügungsgewalt von Politbürokraten“ befunden habe, also nicht von der „realen Verfügung der Produzenten“ begleitet gewesen sei. Daraus ergibt sich die durchaus logische Konsequenz: „Das realsozialistische Eigentums- und Planungsmodell eignet sich nicht als Blaupause für eine Gesellschaft, die eine zukunftsfähige Alternative zum Realkapitalismus ist.“
Auch ich bin weit davon entfernt zu behaupten, bei uns wäre schon alles perfekt gewesen. Ganz und gar nicht. Ich stimme sogar Christa Luft in der Darstellung vieler Details durchaus zu.
Doch worum ging es? Wie bei jeder zukunftsfähigen Alternative zum Kapitalismus kam es uns darauf an, die produktiven Potentiale der Gesellschaft all ihren Mitgliedern – also dem ganzen Volk – zugute kommen zu lassen und nicht nur einzelnen Unternehmern oder auch Betriebskollektiven. (Das scheint mir Christa Luft im Sinn zu haben.) Deshalb Volkseigentum!
Wenn es also im Sozialismus darum geht – und daran ist doch eigentlich nicht zu zweifeln –, daß das Produkt der gemeinschaftlichen Arbeit aller auch sämtlichen Mitgliedern der Gesellschaft in angemessener Weise zur Verfügung gestellt werden soll, kann man sich zur Verwirklichung einer solchen Grundauffassung kaum eine andere Variante als zentrale staatliche Planung vorstellen. Mit anderen Worten: Das politisch klar definierte Ziel muß durch direkt darauf ausgerichtete verbindliche Planentscheidungen entsprechender staatlicher Fachorgane untersetzt werden. Das gilt übrigens nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für alle anderen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.
Daß die DDR und die anderen sozialistischen Staaten vom perfekten Funktionieren eines solchen Mechanismus noch sehr weit entfernt waren, darf uns keinesfalls zu der Auffassung verleiten, die zentrale Planung generell in Frage zu stellen.
Schließlich unterbreitet Christa Luft in ihrem Artikel ja selbst eine ganze Reihe von Argumenten, die den Nachweis führen, welche tatsächlichen realsozialistischen Ergebnisse die DDR vorzuweisen hatte, z. B. Arbeit und hohe Bildungschancen für alle. Wurden diese Resultate trotz der „Politbürokratie“, wie unsere Gegner behaupten, wenn sie nicht umhin können, Erfolge der DDR zu benennen, erzielt? Gegen Ende ihres Artikels wirft Christa Luft ja selbst die Frage auf, „… wem die neu geschöpften Werte zugute kommen, ob sie parasitär, zum Beispiel für Rüstungsausgaben … oder sozial … zukunftsorientiert verwendet werden“. Darauf hatten wir seinerzeit in Worten und durch Taten klar geantwortet. Die dafür zuständigen politischen Führungskräfte der DDR im nachhinein schlechthin als „Politbürokraten“ darzustellen, die zudem auch noch weitgehend die Verfügung über das Volkseigentum ausgeübt hätten, halte ich nicht für akzeptabel.
Zur „Politbürokratie“ noch eine Bemerkung: In keiner Gesellschaft geht es ohne eine von den Herrschenden gegebene politische Orientierung ab. Auch in der BRD gilt das für „Energiewende“, „Mindestlöhne“ und „Bankenkontrolle“, vor allem aber auch in bezug auf die Erhaltung der kapitalistischen Produktions- und Verteilungsverhältnisse. In der DDR stellte man den Menschen in den Mittelpunkt. Das aber mußte politisch organisiert und abgesichert werden. Die Partei- und Staatsführung nahm das sehr ernst, wobei sie nicht selten überzog. Daraus herzuleiten, die Politik habe sich aus Wirtschaftsfragen herauszuhalten, scheint mir nicht gerechtfertigt zu sein.
Ich habe den Eindruck, daß Prof. Christa Luft einer Konzeption folgt, bei der eine zentrale Planung eher in Ausnahmefällen eingreifen darf, während den Betriebskollektiven jegliche Entscheidungen über die Verwendung von Gewinnen aus Investitionen überlassen werden müßten. Wenn ein solches Lockerlassen der Zügel nicht zum Kapitalismus zurückführt, dann begünstigt es zumindest chaotische Verhältnisse. Handelt es sich hier nicht um eine Art von „sozialistischem Neoliberalismus“? Denke ich an solche Zusammenhänge, fühle ich mich an Ota Šik, den Ökonomen und Ideologen des Prager Frühlings, erinnert.
Dennoch! Christa Luft wird offensichtlich von dem Gefühl des Unzufriedenseins mit der Praxis unserer Planung und Leitung der Wirtschaft getrieben worden sein. Darin sind wir uns möglicherweise einig. Meine Schlußfolgerung weicht aber von der ihrigen ab. Ich bin der Auffassung, daß alle wirtschaftlichen und darüber hinausgehenden gesellschaftlichen Prozesse ohne Abstriche eindeutig sozialistisch determiniert sein müssen und nur auf dem Weg bewußten Organisierens durch entsprechende Organe – eben die zentrale staatliche Planung – zum Ziel führen können. Daß es hierbei krasse Überziehungen administrativer Art gegeben hat, liegt auch daran, daß man befürchtete, eine Lockerung hinsichtlich eigenständiger Investitionsentscheidungen der Betriebe und Kombinate könne zu totalem Chaos führen. Nicht das (übertriebene) administrative Planungssystem war aus meiner Sicht das Haupthindernis, sondern die völlig unterentwickelte Interessiertheit der Betriebs- und Kombinatsleitungen, von sich aus höchste Leistungsangebote zur Erarbeitung und Untersetzung „optimaler“ Planzielstellungen vorzulegen. Es wäre zu klären gewesen, wie man die Marktmechanismen, die den Kapitalismus wirtschaftlich antreiben, für sozialistische Zielsetzungen hätte nutzen und in ein gesamtstaatliches Planungssystem einordnen können. Dazu hätte es bei Übermittlung und Bewahrung positiver Erfahrungen für künftige linke Wirtschaftsstrategien noch erheblicher Denkarbeit bedurft.
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