RotFuchs 195 – April 2014

Reformisten und Liquidatoren wollen
eine Zerreißprobe herbeiführen

Quo vadis, DKP?

Erika Beltz

Seit dem 20. Parteitag befindet sich die DKP in einer Zerreißprobe. Eine Gruppe um den früheren stellvertretenden Parteivorsitzenden Leo Mayer hat begonnen, die Partei gezielt auseinanderzudividieren und damit zugrunde zu richten. Nicht nur, daß mit großen Mehrheiten gefaßte Beschlüsse des Parteitags in Frage gestellt werden, es wird ihnen direkt zuwidergehandelt. Das betrifft sowohl die Kandidatur der DKP zur EU-Wahl als auch das UZ-Pressefest. Parallel dazu wird versucht, einen eigenen reformistischen Jugendverband aus dem Boden zu stampfen, um der mit der DKP verbundenen marxistischen SDAJ zu schaden. Daß dies alles in eklatanter Weise gegen Statut und Programm der DKP verstößt, ist offensichtlich; gewünscht scheint eine Lähmung der Partei, die an notwendigen Aktionen und Diskussionen gehindert werden soll.

Dreh- und Angelpunkt Mayers ist sein „Zukunftsprojekt“: eine „rot-rot-grüne Koalition“, für die eine „Reformallianz“ aufgebaut werden müsse, um einen „Politikwechsel durchzudrücken“. Alle Erfahrungen der ersten Regierung aus SPD und Grünen ignorierend will Mayer eine solche Koalition wieder aufleben lassen – unter Einbeziehung der Linkspartei. Die wird bekanntlich erst dann „regierungsfähig“ sein, wenn sie sich vollends angepaßt und ihrer bisher antimilitaristischen Positionen entledigt hat. Marxsche Erkenntnisse wie „Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet“, spielen hier keine Rolle. Wie die „Neuerer“ vor 25 Jahren halluziniert man ein „friedensorientiertes ,anderes Europa‘“ innerhalb der imperialistischen EU.

Begründet wird der radikale Kurswechsel mit dem Zustand der DKP: Die Partei leide an Mitgliederschwund, sei überaltert, isoliert und „keine attraktive organisationspolitische Alternative“.

Diese Einschätzung ist bitter, aber teilweise berechtigt. Nur muß gefragt werden: Wer hat die DKP zu dem gemacht, was sie heute ist? Es sind genau jene PV-Mitglieder um Leo Mayer, die in den vergangenen 25 Jahren die Verantwortung trugen.

Der DKP ist es gelungen, nach der Niederlage des Sozialismus, die für uns wegen der Verbundenheit mit der DDR/SED besonders schmerzlich war, als kommunistische Partei zu bestehen.

Ein latenter Reformismus war aber schon in den 90er Jahren spürbar. Deutlich wurde dies im Wahlkampf 1998, als die politischen Aussagen inhaltlich kaum über ein „Kohl muß weg!“ hinausreichten. In Gießen hatten wir damals übrigens die auch von anderen aufgegriffene Losung: „Ob Kohl, ob Schröder, ganz egal, in Deutschland herrscht das Kapital!“

Als dann Kohl weg war und die damalige stellvertretende Parteivorsitzende Bruni Steiniger die neuen Möglichkeiten, die sich nun angeblich ergeben würden, in ihrem Referat nicht gebührend würdigte, wurde der Bericht vom PV „verworfen“ – ein meines Wissens bisher einmaliger Vorgang.

Die neue Politik von Schröder und Fischer ließ Deutschland erstmals wieder Krieg führen, und mit der Agenda 2010 wurde ein Sozialabbau ohnegleichen eingeleitet. Beides hätte Kohl gegen den Widerstand der Gewerkschaften nicht durchsetzen können, die nun durch eine SPD-geführte Regierung paralysiert waren. Zu einer Richtigstellung oder Rücknahme der „Mißbilligung“ sah sich der PV jedoch nicht veranlaßt.

Auch danach hatten die reformistischen Kräfte Oberhand. Kommunisten wie Klaus von Raussendorf oder Klaus Steiniger wurden als in der DKP unerwünscht bezeichnet. Es wurde zur Solidarität mit den Kollaborateuren aus der KP Iraks aufgerufen. Leo Mayer konnte 2005 auf einer Bezirksmitgliederversammlung der DKP Baden-Württemberg behaupten: Die DKP war noch nie eine marxistisch-leninistische Partei.

2006 wurde auf dem 17. Parteitag nach gründlicher und streitbarer Diskussion das bis heute gültige Parteiprogramm von etwa zwei Dritteln der Delegierten beschlossen. Es stellte einen tragfähigen Kompromiß zwischen den kontroversen Linien dar – der revolutionären marxistisch-leninistischen und der reformerisch/revisionistischen – und blieb daher unterschiedlich interpretierbar. Aber es war ein gemeinsamer Nenner, auf dessen Grundlage Politik entwickelt werden konnte.

Dieser Konsens wurde spätestens vor dem 19. Parteitag mit den unsäglichen „Thesen“, die das Parteiprogramm in wesentlichen Teilen revidieren sollten, aufgekündigt. Obwohl das Papier eindeutig zurückgewiesen und festgestellt wurde, daß die „Thesen“ zumindest teilweise nicht in Übereinstimmung mit dem Programm stehen, wurden und werden sie dennoch bis heute weiterverbreitet.

Nachdem der 20. Parteitag mit der Wahl des neuen Parteivorstandes und des Vorsitzenden Patrik Köbele zu einer klaren kommunistischen Politik zurückgefunden hat, gehen die gleichen Kräfte daran, einen Spalt in die Partei zu treiben. Sie konstruieren Scheinwidersprüche zum Programm und unterstellen dem mit großer Mehrheit gewählten Parteivorstand eine linkssektiererische Politik: in der Wahlpolitik, im internationalen Bereich und in der Gewerkschaftsfrage, wo sie versuchen, einzelne Gewerkschafter auf ihre Seite zu ziehen.

Diese Auseinandersetzung scheint von langer Hand vorbereitet zu sein. Für den Fall, daß die ideologische Entwaffnung der DKP scheitern würde, war bereits alles für den Aufbau eigener Strukturen vorbereitet:

Die Internetseite kommunisten.de, die Mayer bisher mit seinem Namen, aber im Auftrag des PV führte, wurde von ihm unter Ausnutzung formaljuristischer Eigentumstitel der Partei entzogen und faktisch privatisiert. Sie ist heute eine Plattform gegen die DKP.

Ursache für den Einfluß, den die Reformisten gewinnen konnten, ist einmal die jahrelange Vernachlässigung einer planmäßigen marxistischen Bildungsarbeit und Schulung anhand der Klassiker. Zum anderen ist es der teilweise Reformismus der DKP, der sich bis heute in einigen UZ-Beiträgen niederschlägt. Dadurch konnte die Mayer-Ideologie auf fruchtbaren Boden fallen und von vielen nicht durchschaut werden. Es stellt sich nicht nur die Frage: Wem nützt das alles? Die ist leicht zu beantworten. Man muß auch fragen: Warum soll die DKP liquidiert werden?

Wie die Zerreißprobe ausgeht, wird von der Überzeugungs- und Tatkraft der Kommunisten in der DKP abhängen sowie davon, wie weit die UZ – als kollektiver Organisator, Propagandist und Agitator – ihrem Anspruch als kommunistische Zeitung in Zukunft wieder gerecht wird.