RotFuchs 199 – August 2014

Kuba entsandte 11 430 Ärzte in Armutsregionen Brasiliens

Raúls Antwort auf Dilmas Appell

RotFuchs-Redaktion

Die in Havanna angesiedelte Zentraleinrichtung für medizinische Zusammenarbeit hat bereits Zehntausende Einsätze kubanischer Ärzte und anderer Mitarbeiter des Gesundheitswesens der Insel in zahlreichen Ländern veranlaßt. Dabei geht es sowohl um solidarische und unbezahlte Katastrophenhilfe als auch um von Regierungen ausdrücklich erbetene und daher auch vergütete Einsätze. Der „Ärzte-Export“ ist derzeit die wichtigste Valuta-Einnahmequelle des karibischen Staates.

Nach Kubas bisher umfassendster Unterstützungsaktion für das Venezuela von Chávez entsprach Präsident Raúl Castro der Bitte seiner brasilianischen Amtskollegin Dilma Rousseff, an der Verwirklichung des durch sie im Juli 2013 als Antwort auf Massenproteste aufgelegten Sofortprogramms „Mehr Ärzte!“ mitzuwirken. Havanna entsandte daraufhin 11 430 Mediziner, die drei Jahre im territorial und bevölkerungsmäßig größten Land Südamerikas tätig sein werden. Sie bilden das Hauptkontingent der insgesamt 15 000 durch Brasilien angeforderten Ärzte. Auch Fachkräfte aus Uruguay, Argentinien, Spanien und Portugal sowie 1096 brasilianische Fachleute, die zeitweilig den Luxus der großen Städte aufzugeben bereit sind, nehmen an der Verwirklichung des Projekts teil. Die Kubaner arbeiten in vielen der 4070 Gemeinden von 26 Bundesstaaten, vor allem aber in den extrem unterversorgten, häufig indianisch besiedelten Sonderdistrikten. Gerade damit wird dem Wunsch Dilma Rousseffs – einer früheren Guerillakämpferin gegen Brasiliens faschistische Diktatur – am besten Rechnung getragen.

Zur Situation: Derzeit vegetieren noch etwa 100 Millionen Brasilianer in ärztlich vernachlässigten Regionen. Das Riesenland verfügt derzeit nur über 1,8 eigene Ärzte auf jeweils 1000 Einwohner. Demgegenüber beträgt die Versorgungsdichte in den USA 2,4, in Argentinien 3,2 und in Spanien 4,0 : 1000, während sich Kuba mit 6,7 (!) den ersten Rang nicht nur auf dem amerikanischen Doppelkontinent erobert hat. Derzeit sind 40 000 Mitarbeiter des kubanischen Gesundheitswesens in 58 Ländern tätig.

Brasiliens Regierung vergütet den Einsatz der kubanischen Ärzte, Schwestern, Pfleger und Medizintechniker nach in der Branche üblichen Tarifen. Für jeden der Doctores von der Insel erhält Havanna im Monat 4000 Dollar. Den Ärzten wird ein monatlicher Betrag von 1245 US-Dollar zuerkannt, von denen sie 1000 Dollar sofort erhalten, während der kubanische Staat den restlichen Betrag auf heimischen Banken für sie deponiert. Den größeren Teil der bereitgestellten Summe bilden demnach staatliche Deviseneinnahmen, wobei den beteiligten Medizinern eine für die Verhältnisse ihres Landes recht hohe Summe zur Verfügung steht.

In den ersten acht Monaten der Laufzeit des von Dilma Rousseff aufgelegten Programms „Mehr Ärzte!“ sind nur etwa 25 kubanische Mediziner aus unterschiedlichen Gründen wieder ausgestiegen. Fast alle kehrten in ihr Land zurück. Nur zwei Spezialisten konnten von den USA abgeworben werden.

Die brasilianische Präsidentin macht aus ihrer besonderen Sympathie für Helfer aus Fidels und Raúls Heimat kein Hehl. „Obwohl sie – gemessen an der Landesbevölkerung – nur wenige sind, haben sie unsere Szenerie bereits tiefgreifend verändert: durch ihre medizinische Professionalität wie durch ein völlig anderes Verhältnis zu den Patienten. Sie kleiden sich schlicht und bringen ihr Essen mit. Sie arbeiten systematisch, behandeln die Kranken fürsorglich und aufopferungsvoll. Sie eilen nicht wie manche ihrer Kollegen hierzulande von Party zu Party. Sie reißen die Barrieren des Vorurteils und des busineßartigen Stils brasilianischer Profis ihres Metiers nieder“, sagte Dilma Rousseff einem Reporter der in Porto Alegre erscheinenden Zeitung „Zero Hora“.

„Granma Internacional“ verwies auf den hohen Qualifizierungsgrad des von Kuba ausgewählten Fachpersonals und hob zugleich die Tatsache hervor, daß trotz des quantitativ enorm hohen „Ärzte-Exports“ keine Unterversorgung der Patienten im eigenen Land eintrete. Kompromißlos befolge man das Prinzip, bei der Auswahl für einen Auslandseinsatz bereiter und geeigneter Kräfte das Fortbestehen aller medizinischen Dienste und Disziplinen daheim zu gewährleisten. Die für Brasilien Ausgewählten verfügten zu 80 % über eine etwa 15jährige Berufserfahrung, wobei sie ohne Ausnahme bereits mindestens einen Einsatz außerhalb der eigenen Grenzen absolviert hätten.

Wie dramatisch die Unterversorgung der Bevölkerung in Brasilien ist, wird durch die Tatsache erhellt, daß dort nicht weniger als 54 000 Ärzte fehlen, was in der Praxis bedeutet, daß die Bevölkerung unterentwickelter, abgelegener oder unwirtlicher Gebiete überhaupt keine medizinische Hilfe im Krankheitsfall erhält. Aber gerade diese Regionen haben sich Havannas Botschafter mit dem Äskulapstab als bevorzugtes Betätigungsfeld auserkoren. Ihnen entgegengebrachte menschliche Wärme und erwiesene Fürsorge wird von den überglücklichen Patienten, die bisher von allem abgeschnitten waren, in gleicher Weise erwidert. Was sie in Brejo da Madre de Deus – der von Dürre heimgesuchte Ort liegt im Bundesstaat Pernambuco – erlebt hat, schilderte die kubanische Ärztin Teresa Rosales so: „Die Patienten sprechen zu einem, während sie auf dem Boden knien. Sie danken Gott und geben Küsse.“

„Etwas für die Ärzte von der Insel so Natürliches, wie einen Bauern oder eine Indigene zu untersuchen und dann die richtige Diagnose zu stellen, ruft Erstaunen unter den Behandelten hervor“, berichtete der brasilianische Journalist Daniel Carvalho in einer Reportage für die Zeitung „Folha de São Paulo“.

Auf dem jüngsten Kongreß des kubanischen Gewerkschaftsdachverbandes, wo Präsident Raúl Castro die deutliche Anhebung der Gehälter für alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens verkündet hatte, traf er die Feststellung: „Eigentlich ist das, was ein kubanischer Arzt im Ausland tut, unbezahlbar.“

RF, gestützt auf „People’s World“, New York, und „Granma Internacional“, Havanna