Compañera Christa: Für junge und jung gebliebene Rotfüchse
Rosen für Angela
Angela Davis – dieser Name ging in den frühen 70er Jahren um die Welt.
Eine junge, kluge, schöne schwarze Frau, Universitätsdozentin für Philosophie in Los Angeles, sollte auf Betreiben des kalifornischen Gouverneurs und späteren US-Präsidenten Ronald Reagan aus dem Hochschuldienst entlassen werden, weil sie Kommunistin war. Das Berufsverbot stieß nicht nur in den Vereinigten Staaten auf heftigen Widerstand. In jenen Jahren war die internationale Solidarität intakt. Um Angela Davis zu vernichten, unterschob ihr das FBI die Beteiligung an Kapitalverbrechen: Mord, Menschenraub und Verschwörung. Darauf stand damals in Kalifornien die Todesstrafe in der Gaskammer.
Es grenzt an ein Wunder, daß Angela, die 488 Tage in Haft war, am Ende des mehrere Monate dauernden Prozesses Anfang Juni 1972 freigesprochen wurde.
Die Welle der Solidarität zu ihrer Befreiung hatte – sieht man von den USA selbst ab – in der DDR ihren Auftakt erfahren.
Klaus Steiniger, ein bekannter Auslandskorrespondent der DDR, war zwei Monate im Gerichtssaal von San Jose dabei. Er berichtete ständig über den Prozeßverlauf und schrieb später ein mitreißendes Buch über die junge schwarze Bürgerrechtlerin.
Für Angela, damals Ende 20, war das eine schlimme Zeit. Erst der Kampf gegen das demütigende Berufsverbot, dann 16 Monate Einzelhaft, in der sie den infamen Anschuldigungen Widerstand entgegensetzen mußte. Doch sie besaß gute Verteidiger, darunter auch Kommunisten. Zu ihrer Rettung trug vor allem die weltweite Solidarität bei. Diese ging in besonderem Maße von der UdSSR und anderen sozialistischen Ländern Europas und Asiens, aber auch von Kuba und dem Chile der Unidad Popular aus. In der DDR prägten vor allem Kinder und Jugendliche mit ihrer verblüffenden Aktion „Eine Million Rosen für Angela Davis“ das Ringen um die ferne schwarze Schwester.
„Eines Tages, als ich meine Post durchging, fand ich viele Botschaften der Solidarität aus der DDR. ,Freiheit für Angela!‘ stand da, und es schien mir, als seien sie von Kindern geschrieben. Die Postkarten waren mit roten Rosen geschmückt, jede anders gemalt. Ich weiß noch, wie reizend ich es fand, daß mir die Kinder aus der DDR diese Rosen auf Papier sandten, Rosen, die niemals verwelken würden … und jeden Tag kamen mehr, hundert, dann fünfhundert …, schließlich erreichten mich die Karten der Kinder so zahlreich, daß sie mir in großen Säcken des U.S. Post Office zugestellt wurden … Hunderte, Tausende, Zehntausende, ja, eine Million herrlicher Rosen. Schließlich waren so viele Postsäcke angekommen, daß sie an einen anderen Ort gebracht werden mußten. Jetzt sind sie in den Archiven der Stanford University in Palo Alto aufbewahrt.
Wenn ich heute an die internationale Kampagne für meine Freiheit zurückdenke, kommt mir die Million Rosen der Schulkinder aus der DDR zuerst in den Sinn …“
Das schrieb Angela Davis im Vorwort des erstmals 1973 in Massenauflage unter dem Titel „Schauprozeß in San Jose“ erschienenen und 2010 wieder aufgelegten Buches von Klaus Steiniger, dem Angela Davis von Herzen dafür dankt, daß er sich als mutiger Journalist und Anwalt für weltweite Gerechtigkeit auch für sie engagiert habe.
Als Angela nach dem Zusammenbruch der Anklage freigesprochen wurde, war das eine Freudenbotschaft für alle, die um sie gebangt und für ihre Befreiung gekämpft hatten. Schon bald danach brach sie zu einer Weltreise auf. Im Juli 1972 kam sie zum ersten Mal in die DDR, wo sie jubelnd empfangen wurde.
Damals war ich Assistentin der Dramaturgie im DEFA-Kurzfilm-Studio Babelsberg. Mein Arbeitsgebiet war der Dokumentarfilm für Kinder. Kurzfristig bekam ich von der Studioleitung den Auftrag, an einem Beitrag für kleine Zuschauer über den Angela-Besuch in der DDR mitzuarbeiten. Nachdem ich ein Konzept geschrieben hatte, traf ich mich mit Werner Kohlert, der schon in jener Zeit zu den profiliertesten Kameraleuten des DEFA-Dokumentarfilmstudios zählte. Wir verstanden einander auf Anhieb. Werner zeigte mir sein Filmmaterial von Angelas Ankunft in Berlin-Schönefeld, von Freundschaftstreffen und Begegnungen sowie von einer Autofahrt durch Berlin. Dieses versuchten wir mit einer durch uns arrangierten Zusammenkunft Angelas mit Mädchen und Jungen einer 3. Klasse der Berliner Ernst-Schneller-Schule zu verknüpfen. Wir kannten den Ablaufplan. Gegen 12 Uhr sollte Angela mit ihren Begleitern das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Treptow aufsuchen. So bestellten wir die Schüler an das Eingangstor. Sie kamen mit Blumen und waren in glücklicher Vorfreude. Wir gingen das Risiko ein, Angela mit den Kindern zu überraschen, weil wir eine spontane Begegnung filmen wollten.
Als sie eintraf, stürmten die Kinder auf Angela zu, umarmten sie, überreichten ihr Blumen, Geschenke und Zeichnungen. Diese so herzlich erfrischende Begegnung wußte Werner Kohlert mit der Kamera subtil einzufangen. Auch Angela Davis war beglückt. Die Worte der Kinder bezaubern mich noch heute. „Als ich hörte, daß Sie eine so große Reise machen, habe ich Erfrischungswaffeln für Sie gekauft“, sagte ein Mädchen. Und ein Junge meinte: „Ich begrüße Sie hier bei uns und wünsche Ihnen viel Glück beim … beim Kämpfen.“
Unser Film sollte für all die Kinder sein, die Angela Rosen ins Gefängnis geschickt hatten, ihr selbst aber nicht begegnen konnten. Er sollte ihnen die tapfere junge Frau nahebringen und zugleich allen danken.
Angela wurde für viele Kinder zum Symbol des Guten, Wahren und Gerechten, das für die Kraft der Schwachen und jene Solidarität steht, die über Ländergrenzen hinweg den Sieg zu erringen vermochte.
Unser Film „Für Angela“ erhielt beim Kinderfilmfestival „Goldener Spatz“ in Gera 1973 einen Preis. Dieser befindet sich jetzt in einer Vitrine des Potsdamer Filmmuseums.
Ein Jahr später kam Angela Davis zu den X. Weltfestspielen wieder in die DDR. Später nahm sie an einer Rosa-Luxemburg-Konferenz der „jungen Welt“ teil. 2010 signierte sie beim ND-Sommerfest in der Berliner Kulturbrauerei am „RotFuchs“-Stand Klaus Steinigers Buch „Eine Frau schreibt Geschichte“. Dort machte Dieter Großmann das faszinierende Foto der zwar älter gewordenen, zugleich aber jung gebliebenen Heldin von San Jose. Im Mai dieses Jahres kam Angela abermals nach Berlin, um in der Gerhart-Hauptmann-Schule notdürftig untergebrachten Flüchtlingen ihre Solidarität zu bekunden.
Aus DDR-Tagen kenne ich den Satz Che Guevaras: „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.“ Er bleibt mein Motto.
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