Rudi W. Berger über „Archies Pusteblume“
Archie ist eine literarische Figur, die aus einem ereignisreichen Leben kommt, ganz wie ihr Schöpfer, der Autor und Dramaturg Manfred Hocke. Ich lese von ihr und denke, ich säße mit ihm zusammen, ist sie doch ein Spiegel seiner selbst, reich an Einfällen, Gedanken und Erleben. Nun hat er seinen Büchern ein weiteres hinzugefügt. Es wird von seiner Kunstgestalt bestimmt und heißt „Archies Pusteblume“: rund ein halbes Hundert vom Wind getriebener Samen seiner Phantasie wie seiner Erfahrungen. Die Stücke kleiner Prosa strotzen von Ereignisfülle. „Wimmerzahn“ ist das Geschichtchen um die Rettung eines jungen Hundes durch tierliebende Müllfahrer. Im „Swimmingpool“ macht Archie schlapp. Das frische Wasser bringt ihn wieder auf die Beine, aber eine Anzeige wegen öffentlichen Ärgernisses in Verlegenheit. Heitere und ernste Geschichten. Im Alptraum vom kalten Krieg widerfährt ihm Schreckliches wie auch beim Erleben des heißen Krieges in Dresden.
Das Entree bildet „Der traurige Elefant“, eine gleichnishafte und zugleich glänzende Geschichte, aus der die Leser etwas aus der Familienchronik des Autors erfahren können. Glänzend deshalb, weil sie dazu angetan ist, die Fabulierkunst des Verfassers wie dessen Emotionalität zu zeigen.
Die Samen von „Archies Pusteblume“ fliegen wie in der Natur von der gleichen Pflanze, sind aber in Farbe, Inhalt und Form jeweils anders. Mögen sie fliegen wohin auch immer, landen, wurzeln und gedeihen. Es ist guter und gesunder Samen. Den Autor bestimmt kein Jammertal, noch plagt ihn der Pessimismus. Archie bedient sich einer parteilichen Sicht, welche die Realitäten durchschaubarer macht. Darin nicht nur beständig zu sein, sondern mitzutun und so zu wirken – was gibt es Lobenswerteres für einen, der sich Schriftsteller nennt und auf die Achtzig zugeht.
Manfred Hocke:
Archies Pusteblume
Müll-Maigret, Wimmerzahn und andere
Verlag Wiljo Heinen, Berlin und Böklund 2013, 204 Seiten
14,00 Euro
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