Rückkehr in mein verlorenes Land
Es ist kalt geworden in Deutschland – mitten im Sommer. Da denkt und träumt man unwillkürlich über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Doch wo hat es mir am besten gefallen?
Ginge es allein um die Landschaft, dann fiele mir die Entscheidung schwer. Ich müßte sie zwischen der seidenweichen, von Zitrusfrüchten gesättigten Luft Zyperns, dem durchdringenden Zikadenton in der Weite der durchglühten Sahara, dem liladunklen schottischen Hochland und den am Horizont bei Annäherung wachsenden weißgesäumten Bergen der Alpen treffen.
Als gebürtige Mecklenburgerin habe ich den starken Zug der Ostsee gespürt. Ihre Schönheit schmerzt, überwältigt mich. Ich mag sie, wenn sie strahlend blau am Ende des vertrauten Birkenweges wie in einem Fenster auftaucht, sie gefällt mir, wenn sie auf schmalem Sandstrand die Füße umspült. Sie bezaubert mich, wenn sie bei Sturm über die Mole schäumt, wenn mich ein starker Wind mit Gischt bespritzt und mit scharfem Sand übersät. Mir liegen die groben Steine auf dem Kliff, die anfliegenden Uferschwalben bereiten mir ebenso Freude wie die auf Reede liegenden Schiffe.
Was mich bei all den schönen Erinnerungen frösteln läßt, ist die wachsende soziale Kälte in diesem Land.
Auf Kuba, einem Stachel im Fleisch des Kapitalismus, könnte ich leben. In meinem Gedächtnis haftet unsere Reise dorthin Anfang der 90er Jahre. Es war wie eine Rückkehr in mein verlorenes Land, war Heimkommen.
Dabei mutet doch vieles dort recht exotisch an. Morgens saugen winzige Kolibris den Nektar aus den Blüten am Balkon. Sie stehen mit sirrenden Flügeln in der Luft. In der Hecke hinter dem Hotel baumelt ein Nest am Zweig, nicht größer als ein 50-Pfennigstück. In der bunten Märchenwelt am Riff necken wir einen Kalmar. Schlagartig wechselt er seine Farbe von rot nach grellweiß. Zu einer Tintenwolke, die wir herausfordern möchten, entschließt er sich aber nicht. Abends lachen wir über den dicken Ochsenfrosch, der quer durchs Lokal wandert.
Doch vor allem sind es die Menschen und deren Lebensweise, die uns beeindrucken. Die Kubaner sind fröhlich, haben stets Vorfahrt auf ihren überladenen Rädern, manche mit drei Personen besetzt. Zu Recht sind sie stolz auf ihre Schulen und Krankenhäuser, die sie natürlich unentgeltlich nutzen dürfen und die im Unterschied zu anderen Gebäuden in frischen Farben leuchten.
Was macht es da schon, daß die Tür des Hubschraubers, der uns über die Insel trägt, nur mit einem einfachen Überschlagriegel gesichert ist. Der dunkelhäutige Pilot singt während des ganzen Fluges. Kubaner sind schöne Menschen, ob tiefschwarz oder weiß. Rassendiskriminierung gibt es nicht. Frauen und Männer leben und arbeiten gleichberechtigt.
Verstehst du, warum ich, wäre ich jünger, gerne nach Kuba übersiedeln würde? Da dies aber illusorisch ist, gilt meine Solidarität ganz und gar den kubanischen Kindern wie der durch die karibische Insel der Freiheit vermittelten Vision einer besseren Welt.
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