Säbelrasseln mit göttlichem Beistand
Anläßlich des Rekrutengelöbnisses der Bundeswehr am 20. Juli – also am 72. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler – hatte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen ganz besonderen Gast an ihrer Seite. Es war der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Professor Wolfgang Huber – bekannt für seinen ausgeprägt bildhaften Sprachstil und mindestens genauso berüchtigt dafür.
Mit scheinbar sanften Tönen füllte der einstige Bischof der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg den hauptstädtischen Bendlerblock aus. Doch die Worte, die er dort sprach, hatten es in sich: „Ihr könnt euch darauf verlassen, dieser Staat wird euch nicht mißbrauchen. Ihr habt das große Glück, einer heute friedfertigen Nation und ihrem heute rechtlich geordneten Staat zu dienen.“
Es wäre interessant zu erfahren, wie viele der Hinterbliebenen der 54 in Afghanistan getöteten Bundeswehrangehörigen den ersten Satz noch unterschreiben würden. Und ihre Friedfertigkeit hat die BRD unter anderem mit dem aktiven Eingreifen in den Jugoslawienkrieg sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Huber philosophierte weiter über den Geist der Gelöbnistradition und sprach von Dankbarkeit und Verantwortung – Dankbarkeit für „mutiges“ und „todesmutiges“ Verhalten, Verantwortung für die Zukunft von Freiheit, Recht und Frieden.
Wann legt ein Soldat eigentlich todesmutiges Verhalten an den Tag? Ist das nicht im Krieg der Fall? Und wie mag es um die Zukunft des Friedens im Irak, in Syrien oder Libyen, in Mali oder in der Ukraine bestellt sein? Und welche Freiheit meinte Huber? Etwa die Freiheit, in der sich junge Frauen und Männer für die Bundeswehr entscheiden müssen, weil ihnen die BRD keine andere Chance auf berufliche Entwicklung gibt? Und welches Recht? Das Recht, ins Bodenlose zu stürzen, wenn man den überzogenen Anforderungen der Unternehmer aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr genügen kann? Doch Huber setzte noch eins drauf und betonte, daß das Gute „bewahrt und erkämpft“ und notfalls auch gegen „dumpfe Töne aktiv verfochten“ werden müsse, was nichts anderes als den offenen Aufruf zur Beteiligung an gegenwärtigen und künftigen militärischen Auseinandersetzungen darstellt. Huber ließ die Säbel sinnbildlich rasseln. Daß Gott den Berg Sinai nach derartigen Äußerungen nicht direkt in Brand gesteckt hat, ist wohl als religiöses Wunder anzusehen. Dort hat Gott, der Überlieferung nach, Moses mit seiner Gesetzgebung vertraut gemacht. Darunter auch mit dem fünften Gebot: „Du sollst nicht töten!“ Selbst wenn heute durch bürgerliche Medien der Eindruck erweckt werden mag, daß Kriege im 21. Jahrhundert eher einem Computerspiel gleichen, sind sie es nicht. Sie bringen, wie tagtäglich zu verfolgen ist, einzig nur Zerstörung, Flucht, Tod und Verderben.
Der Ex-Bischof hielt jedoch noch einmal kurz inne und betonte den Vorrang von Gewaltfreiheit und nichtmilitärischen Mitteln, rückte dann aber den Islamischen Staat – einst hochgezüchtet von den USA – in seinen Fokus. Die „militärische Gegenwehr“ sei diesbezüglich mehr als nur eine „abstrakte Möglichkeit“, führte er aus. Als ob nicht auch Religionskriege über Jahrhunderte hinweg Leid und Elend über die Menschheit gebracht hätten. Der Theologe, der all dies kennen müßte, scheint aus der Geschichte nicht viel gelernt zu haben.
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