Kubas „Gedicht vom Menschen“ faszinierte alle
Sagen wird man über unsere Tage …
Als junge Redakteurin der Zeitung „Freies Wort“ in Suhl erlebte ich am 12. September 1954 die Uraufführung des DEFA-Films „Hexen“. Kurt Barthel, der Schöpfer der Geschichte, und Gerd Natschinski, der Komponist, waren in die südthüringische Bezirksstadt gekommen, um der Premiere beizuwohnen. Es ging um Aberglauben im Thüringer Wald und wie man dieser Gespensterseherei, dem Irrglauben, begegnen kann. Brillante Darsteller, Lisa Wehn als Hexe, Karla Runkehl und Gerd-Michael Henneberg begeisterten die Zuschauer. Ausdrucksstark und einfühlsam die Musik von Gerd Natschinski. Das Drehbuch schrieb Helmut Spieß. Beeindruckend war der Auftritt von Barthel nach der Aufführung. Er erzählte aus seinem Leben, von seiner Malerlehre, dem Tod des Vaters, eines Eisenbahners, der ein Kriegsgegner war und noch vor der Geburt des Sohnes erschossen wurde. Beeindruckend schließlich seine politische Entwicklung als Mitglied der SPD, in die er 1933 eingetreten war, worauf er seine Heimat verlassen mußte. Während der Emigration in der Tschechoslowakei und Großbritannien schloß er sich der antifaschistischen Widerstandsbewegung an, verfaßte Gedichte und Reportagen in englischer Sprache und leitete Theatergruppen. Dort wurde er auch Mitglied der Freien Deutschen Jugend. 1946 kehrte er, gemeinsam mit seiner Frau Ruth Berlowitz, einer Jüdin, die er in London geheiratet hatte, nach Deutschland zurück, wo er der SED beitrat.
In der jungen DDR war der am 6. Juni 1914 in Garnsdorf bei Chemnitz geborene Kuba, wie er sich schon seit Emigrationszeiten nannte, durch seine Gedichte, Balladen, Drehbücher und Festprogramme rasch bekannt geworden. Nach zweijähriger Tätigkeit beim Dietz-Verlag übernahm er die Kulturarbeit in der Maxhütte Unterwellenborn, dem ersten Stahlwerk der DDR. Ab 1949 wirkte er als freischaffender Schriftsteller. Das „Gedicht vom Menschen“ – ein Poem – war entstanden. Barthel wurde zum 1. Sekretär des Schriftstellerverbandes und in das Zentralkomitee der SED gewählt. Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste und Abgeordneter der Volkskammer waren weitere Funktionen. Er schuf die „Kantate auf Stalin“ und die „Karl-Marx-Kantate“. Sie brachten ihm herbe Kritik durch das Sekretariat des ZK der Partei ein. Man warf ihm Formalismus vor. Doch das tat seinem literarischen Schaffen ebensowenig Abbruch wie seinem Wirken in der Kulturkommission des Politbüros.
Eine enge und erfolgreiche Zusammenarbeit gab es in all den Jahren mit den Komponisten Andre Asriel und Jean-Kurt Forest. Als sehr fruchtbar erwies sich das gemeinsame Schaffen mit Kurt Maetzig. So entstanden großartige Filmszenarien: „Vergeßt mir meine Traudel nicht“ und „Schlösser und Katen“, mit Raimund Schelcher hervorragend besetzt. Noch heute in guter Erinnerung sind vielen sein Poem „Sagen wird man über unsere Tage“ und seine Lieder wie „Es lebe das Brot, und es lebe der Wein“ und das „Lied vom glücklichen jungen Kapitän“ als Reaktion auf den Beschluß des III. SED-Parteitags, eine DDR-Handelsflotte aufzubauen. Was damals als eine schöne Vision erschien, wurde in wenigen Jahren Realität. Vielleicht gerade wegen seiner Begeisterung für die Seefahrt, die Werften, die Hochseefischerei und die Perspektiven, die sich dabei für den Ostseebezirk ergaben, kam Kurt Barthel 1956 nach Rostock und begann seine Tätigkeit als Chefdramaturg am Volkstheater. Das Gespann Hanns Anselm Perten / Kuba konzipierte einen interessanten Spielplan, sorgte für frischen Wind und erregte Aufsehen. Diese Arbeit gipfelte 1959 in der Dramatischen Ballade Klaus Störtebeker, aufgeführt in Ralswiek auf Rügen (Musik: Günter Kochan). Das Schauspielensemble des Volkstheaters Rostock und mehrere hundert Volkskünstler aus Zirkeln und Chören bescherten den Besuchern des Hauses unvergeßliche Erlebnisse. Das Spektakel fand 1980/81 eine Neuauflage, diesmal mit dem jungen Rostocker Darsteller Manfred Gorr.
Zum Gelingen der Aufführungen 1980/82 trug der Schauspieler Georg Lichtenstein (er war von 1958 bis 1992 am Volkstheater) engagiert bei. Der unweit von Teterow lebende pensionierte Künstler erinnert sich an das gute Zusammenwirken mit Barthel: „Es war äußerst interessant und anregend. Unsere weltanschaulichen Positionen waren grundsätzlich unterschiedlich, denn ich komme aus einem religiösen Elternhaus. Doch in der Bewältigung der künstlerischen Aufgaben waren wir uns stets einig. Ich nenne nur die großartige Textneufassung von ,Nabucco‘ aus Kubas Feder sowie die Neufassung von Georg Büchners ,Dantons Tod‘. Ein weiterer Meilenstein war die Uraufführung von ,Terra incognita‘.“ Dieses später verfilmte Theaterstück setzte den Arbeitern der Erdölförderung ein Denkmal.
Kurt Barthel wurde durch hohe Auszeichnungen, darunter den Nationalpreis der DDR, sowie Literatur- und Kunstpreise geehrt. Die Universität Rostock verlieh ihm im April 1960 die Ehrendoktorwürde – eine verdiente Anerkennung für diesen ungewöhnlichen Mann und dessen literarisches Schaffen, aber auch für seine unbeugsame antifaschistische Haltung.
Die letzte gemeinsame Arbeit mit dem Rostocker Generalintendanten Hanns Anselm Perten war das Festprogramm zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution. Damit gastierte das Volkstheater Rostock in Frankfurt am Main. Während der Veranstaltung erlitt der erst 53jährige Kurt Barthel einen tödlichen Herzinfarkt. Sein Grab befindet sich auf dem Rostocker Neuen Friedhof.
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