Schotten sich die Schotten ab?
In Schottland soll 2014 eine schon im Oktober 2012 zwischen dem britischen Premier Cameron und seinem Glasgower „Counterpart“ Alex Salmond vereinbarte und von den Parlamenten in Westminster und Holyrood sanktionierte Volksabstimmung über ein weiteres Verbleiben dieses Landesteils im Vereinigten Königreich stattfinden. Bürgerlich-nationalistische Kräfte der schottischen Regierungspartei SNP suchen die Bevölkerung für eine Lostrennung von England zu gewinnen, wobei es nach jüngsten Meinungsumfragen bisher keine Mehrheit für diesen Plan gibt.
Zur Vorgeschichte: Als Schottland 1707 eine Union mit England einging, war es keineswegs dessen Kolonie. Es handelte sich auch nicht um einen Fall von Eroberung, sondern um einen durch die herrschenden Klassen beider Seiten vereinbarten Schritt. Die schottische Bourgeoisie erschloß sich durch ihre Partnerschaft mit ihren bereits wesentlich besser etablierten englischen Klassengenossen neue wichtige Kapitalquellen, während London einen potentiellen Konkurrenten rechtzeitig auszuschalten und ins eigene Boot zu ziehen vermochte. Unter kapitalistischen Vorzeichen waren also beide Seiten Gewinner. Anders als das rückständige Irland hatte Schottland eine äußerst stürmische Industrialisierungsperiode durchlaufen.
Heute ist die schottische Wirtschaft in die britische voll integriert. Dennoch streben nicht nur maßgebliche Kreise der in Glasgow am Ruder befindlichen Schottischen Nationalpartei (SNP), sondern auch linke und ultralinke Kräfte, die sich von einer „Souveränität“ des Landesteils etwas erhoffen, die Eigenstaatlichkeit an.
Die numerisch sehr kleine KP Schottlands, die ebenfalls solchen Vorstellungen folgt, sollte Lenins an einige Genossen gerichteten Rat in Erwägung ziehen: „Malt den Nationalismus nicht in roten Farben!“
Inzwischen haben Premierminister David Cameron und Schottlands 1. Minister Alex Salmond, ein Exbankier, die Wahlkommission akzeptiert, die bereits mit ihren Vorbereitungen für das erst in Jahresfrist stattfindende Referendum begonnen hat.
Übrigens genießen die Pläne der schottischen Nationalisten bei der Londoner Unionistischen Regierungskoalition aus Konservativen und Liberalen deshalb eine gewisse Sympathie, weil Schottlands Abtrennung zu einer wesentlichen Schwächung der Labour-Positionen im britischen Unterhaus führen würde.
In Mediendebatten spielt die Frage eine Rolle, ob ein unabhängiges Schottland der EU neu beitreten müsse und – wenn ja – ob es damit automatisch zur Eurozone gehöre. Nicht minder heftig wird die künftige NATO-Mitgliedschaft eines separaten schottischen Staates diskutiert. Dabei sondiert man die Frage, ob eine Regierung in Glasgow diese beibehalten könnte, auch wenn sie die Forderung aufrechterhalte, die U-Boot-Basis der U.S. Navy in Faslane zu schließen.
Am 24. Juni 2014 jährt sich der Tag zum 700. Mal, an dem schottische Truppen unter König Robert the Bruce die Engländer in der Schlacht von Bannockburn besiegten. Ein Jubiläum, das schon heute für Auftrieb bei den schottischen Nationalisten sorgt.
RF, gestützt auf „The Socialist Correspondent“, Glasgow, und „The New Worker“, London
Nachricht 1863 von 2043