Kann der „freie Wohnungsmarkt“ den Mietwucher überwinden?
Schröpfen, schröpfen und
noch einmal schröpfen!
Als ich mich im Oktober 2011 in einem „RotFuchs“-Beitrag mit der Mieterverdrängung durch Luxussanierungen und Lückenbebauung als einer Erscheinungsform der Vernichtung bezahlbaren Wohnraums befaßte, herrschte in den Ballungsräumen bereits akute Wohnungsnot. Diese wurde von den Verantwortlichen jedoch meist in Abrede gestellt, verharmlost und in der Presse kleingehalten. An Widerstand von Mieterinitiativen fehlte es zwar nicht, doch schien dies für manche Politiker aus den Reihen der PDL kein lohnendes Thema zu sein. Sie stimmten vielmehr der Privatisierung zuvor volkseigener Wohngebäude vielerorts zu. Später plädierten einige von ihnen für Wohnungsgenossenschaften mit Eigenkapitalerfordernis, die jedoch kaum Zuschläge bei Verkaufsausschreibungen erhielten.
Karikatur eines anonymen Zeichners aus „Der neue Postillon“, Zürich 1896
Während alternative Wohnkollektive zwangsgeräumt wurden, feierten Anhänger der Grünen „innovative Wohnprojekte“ privater Bauherrengemeinschaften im verhökerten Altbaubestand oder auf dem Lande. Die Option kommunaler sozialer Wohnungsbaugenossenschaften wurde mit der Liberalisierung des Wohnungsmarktes durch die „Agenda 2010“, Erleichterungen im Mietrecht und entsprechende weitere Gesetze quasi zu Grabe getragen. Noch bestehende Sozialunternehmen führten rein marktwirtschaftliche Wirtschaftsformen ein, die auch deren Wohnungsangebote stetig verteuerten. Als Umweltschutz- und Sicherheitsmaßnahmen getarnte Konjunkturprogramme für Baustoff- und Handwerksbetriebe sowie die C0₂-Zwangssanierung wurden auf die Mieter abgewälzt, ohne daß diese bei minderem Energieverbrauch, aber rasant steigenden Energiepreisen, davon Vorteile gehabt hätten.
Durch die völlig mißratene kapitalistische Version der „Energiewende“, z. B. mit Kompensationszahlungen für Kohlekraftwerke und dergleichen, erhöhten sich die Nebenkosten rasant. Einfallsreich nutzten die Vermieter völlig legal jede Möglichkeit, Mieter zu schröpfen: Gebührenpflichtige Waschautomaten bei Verbot eigener Geräte, sogar Duschautomaten in der eigenen Wohnung (!), Verbot von Satellitenantennen mit Kabelfernsehzwang, Mieten für Stellplätze und Tiefgaragen – das sind nur einige Beispiele. Courtagen und Mietkautionen machen Umzüge zu einem finanziellen Abenteuer, so daß Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Sozialgesetzbuch, Zweites Buch) nur mit Jobcenter-Krediten bestehen können. Dabei werden „vorschriftsgerechte“ Wohnungen rar, die etwa den maximalen SGB-II-Bemessungen genügen. Um den Bedarf an bezahlbaren Wohnungen zu ermitteln, nehme man die Anzahl von SGB-II-Empfängern, Rentnern, Alleinerziehenden, Studenten und Geringverdienern einer Gemeinde, die (pro Person) unter 1000 Euro Einkünfte haben. Dann erkennt man sofort, daß die heute propagandistisch gefeierten Wohnungsbauprogramme und die Gelder dafür bei weitem nicht ausreichend sind! Wo der Immobilienmarkt und die Spekulation boomen, werden Mietwucher und Wohnungsnot ebenso wie das Heer der Obdachlosen weiter wachsen. Und das nicht erst und schon gar nicht durch die Zuwanderung von ein bis zwei Prozent Flüchtlingen in unser Land.
Friedrich Engels konstatierte einst in seinem Artikel „Zur Wohnungsfrage“: „In einer solchen Gesellschaft ist die Wohnungsnot kein Zufall, sie ist eine notwendige Institution, sie kann mitsamt ihren Rückwirkungen … nur beseitigt werden, wenn die ganze Gesellschaftsordnung, der sie entspringt, von Grund aus umgewälzt wird.“ (MEW 18/236) Denn Grund- und Mietshauseigentum dienen nur der Geschäftemacherei und Ausbeutung der Menschen, die eine Heimstatt brauchen.
Nach der Privatisierungswelle wechselten zig Wohneinheiten reihum, teils in „Paketen“ verscherbelt, ihre Eigner. Sie waren oft nur reine Spekulationsmasse. Wohnungen verkamen mangels Reparatur, Strom- und Heißkostenanteile wurden unterschlagen, so daß die Mieter selbst zusätzlich bezahlen mußten, um etwa eine Stromsperre beenden zu können. Unzählige Menschen müssen immer höhere Einkommensanteile zum Erhalt ihres Obdachs opfern, können sich bei weiterhin rasanter Teuerung das Ende ausrechnen, ohne Chancen oder Aussicht auf eine billigere Bleibe zu haben. Kann ich mir jetzt gerade noch eine andere Wohnung leisten, so wird auch die sich bald und ständig verteuern, so daß ein weiterer Umzug in absehbarer Zeit erfolgen muß.
Man sollte meinen, die verschärfte Wohnungssituation bewirke ein Umlenken der bürgerlichen Politiker in Richtung staatlichen Sozialwohnungsbaus. Weit gefehlt! Die „soziale Quacksalberei“, mit dem der Kapitalismus vereinzelte Scheinlösungen anbietet, treibt die schamlosesten Blüten: Hauptsächlich geht es um „Anreize“ für Investoren, damit sich deren Geschäft langfristig lohnt. Subventionen, verbilligtes staatliches Bauland, nur kurzzeitige Bindung an verträgliche „Sozialmieten“, also Gelegenheiten, später dem freien Markt unterworfenen Grund und Boden zu ergattern, sind hier altbekannte Rezepte. Arbeit gibt es nur, wenn der Unternehmer daran verdient; und Wohnungen nur bei Sicherstellung des Profits der Hausbesitzer! Anders ist im Kapitalismus nichts zu haben.
Die Variante für Besserverdiener, die bei Arbeitslosigkeit sofort den Gerichtsvollzieher ins Haus bringt, ist der „Erwerb von Wohneigentum“. Wertvolles Bauland wurde so für unzählige Bungalows zerstückelt, während man Mietwohnungen per „Mietkauf“ in Eigentumswohnungen umwandelt. Deren Neben- und Betriebskosten steigen ständig. Und ein Eigenheim von geringer Bestandsdauer, das selbst genutzt wird, ist – folgt man Friedrich Engels – ja kein Kapital. Es ist nur ein Konsumgut, das bei Einkommensschwund sofort verlorengehen kann.
Bei der Baulanderschließung gilt unterdessen das „Patentrezept“ der „Drittelung“: Ein Drittel ist für bezahlbaren Wohnraum bestimmt, die anderen zwei Drittel stehen für freie Mietappartements und Einzelhäuser zur Verfügung. Das soll angeblich eine Ghettoisierung vermeiden. Aber selbst die englischen „Cottages“ – zu Marxens Zeiten erfundene Reihenhäuser für Fabrikarbeiter – sind heute nach dem Untergang großer Teile der dortigen Schwerindustrie zu Brennpunkten von Elend und Kriminalität geworden.
Mit Bauprojekten kapitalistischer Manier wird man Wohnungsnot und Mietwucher nie beseitigen können. Und daran sind weder Zuwanderer noch Kriegsflüchtlinge schuld, sondern jene politischen Kräfte, die als willige Sachwalter der Bourgeoisie vor Enteignungen und Wohnraumzuteilungen selbst in Krisensituationen nicht zurückschrecken.
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