Schweiz: Votum gegen Ausländer
Martin Schulz, der sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident, BRD-Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Merkels Außenamtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) kündigten der Schweiz für den Fall Gegenmaßnahmen an, daß diese das Ergebnis des Volksentscheids über die Begrenzung der Zuwanderung umsetzen sollte. Schulz sprach über die Neuverhandlung von Verträgen zwischen der EU und Bern. Die Schweiz sei schließlich nahezu vollständig in den EU-Binnenmarkt integriert. Schäuble drohte subtiler: „Wir bedauern diese Entscheidung. Das wird eine Menge Schwierigkeiten für die Schweiz verursachen.“ Dabei ist er sich durchaus dessen bewußt, daß bei einem Volksentscheid über Zuwanderungsbegrenzungen in der BRD mit Gewißheit ein ähnlich unerfreuliches Ergebnis zustande kommen würde. Er ist sichtlich froh, daß hierzulande – anders als in der Schweiz – keine Volksentscheide stattfinden.
Am 13. Februar kam auch EU-Kommissionspräsident Barroso aus der Deckung: „Wir werden nicht über das Prinzip der Freizügigkeit verhandeln. Darüber kann man nicht verhandeln.“ Der Ausländeranteil an der Bevölkerung der Schweiz beträgt derzeit 23,4 % – in der BRD vergleichsweise etwa 9 %. Die Zahl der jährlichen Zuwanderer in die Schweiz liegt bei 80 000 – das ist ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Jahr 2000 waren es 10 000. Jedes Jahr werden rund 40 000 Einwanderer zu Schweizern erklärt. In Deutschland beträgt die Einbürgerung bei einer zehnfach größeren Bevölkerungszahl rund 100 000 Personen.
Ein solcher Druck ließ erwarten, daß rechte Populisten und faschistoide Kräfte irgendwann einen von der Schweizer Verfassung vorgesehenen Volksentscheid initiieren würden. Das Ergebnis war knapp. Für eine Begrenzung der Zuwanderung sprachen sich 50,3 % der Abstimmungsberechtigten aus. Die Beteiligung lag bei 56 %. Von 26 Kantonen und Halbkantonen votierten 17 für eine „Zuwanderungsregulierung“.
Die Schweizer hatten sich schon einmal per Abstimmung gegen ihre Regierung gestellt. Das betraf 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit der heimlichen Option auf EU-Vollmitgliedschaft. Beim EWR geht es um eine Freihandelszone für Industriewaren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen der EFTA und der EU.
Dem EWR-Abkommen traten ab Anfang Januar 1994 nur Island, Norwegen und Liechtenstein bei. Die Schweiz ratifizierte es nicht, da die Mehrheit der Kantone das ablehnte. Deshalb mußten politische, wirtschaftliche und andere Beziehungen über eine Vielzahl von Einzelverträgen geregelt werden. Inzwischen sollen über 120 solcher Abmachungen zwischen der Schweiz und der EU getroffen worden sein. Man habe sie an die „absolute“ Zuwanderungsfreiheit für Ausländer gekoppelt, heißt es. Diese Verträge werden nun durch Brüssel zur Druckausübung genutzt und in Frage gestellt.
Die EU war und ist ein undemokratisches Instrument zur Auflösung der Nationalstaatlichkeit und zur Beseitigung der staatlichen Souveränität. Die Schweiz hingegen ist ein kapitalistischer Schlüsselstaat, dessen Finanzindustrie mehr Geld und Kapital bewegt, als das eigene Bruttoinlandsprodukt ausmacht. Bei ihr setzt Brüssel jetzt Daumenschrauben an, wobei Drohung und „sanfte“ Erpressung gleichermaßen praktiziert werden. Wenn das EU-Imperium die Schweiz wie die kleine römische Kolonie Helvetia behandeln will, dann verbirgt sich dahinter die Angst vor ähnlichen Entscheidungen auch in anderen EU-Mitgliedsländern.
Was soll man den Schweizern raten? Die alten Bunker wieder in Betrieb zu nehmen, die einst gegen eine deutsche Invasion gebaut worden waren?
Bei Friedrich Schiller weigerte sich der Volksheld Wilhelm Tell, dem „leeren Hut“ des Habsburger Vasallen Geßler die Ehre zu erweisen. Heute genügt es nicht zu sagen: „Durch diese hohle Gasse muß er kommen. Es führt kein andrer Weg“ … nach Brüssel.
Vorerst haben die Beteiligten drei Jahre Zeit, sich irgendwie zu einigen. Die einen werden sich bemühen, das Gesicht zu wahren, die anderen bestrebt sein, das Ergebnis des Volksentscheids auszuhöhlen. Am Ende aber dürfte die Schweiz durch die EU überrannt werden.
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