RotFuchs 205 – Februar 2015

Wurde Marine Le Pen der Weg
in den Élysée-Palast freigeschossen?

Solidarisch mit „Charlie Hebdo“

RotFuchs-Redaktion

Am 7. Januar drangen maskierte und mit Maschinenpistolen bewaffnete ultraislamistische Terroristen in die Redaktionsräume des französischen Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ ein. Sie richteten in dem Gebäude an der Rue Nicolas im 11. Pariser Bezirk ein Blutbad an, bei dem 12 Menschen getötet und 11 verletzt wurden.

Das zu Rundumschlägen gegen „Gott und die Welt“ neigende, in seinem Metier aber sehr profilierte und professionelle Blatt war bereits 2011 Ziel eines Brandanschlags gewesen und hatte seitdem ständig Attentatsdrohungen erhalten.

Nur zwei Tage nach dem Überfall auf „Charlie Hebdo“, dem außer Chefredakteur Stéphan Charbonnière (Charb) auch der profilierte linke Karikaturist Georges Wolinski zum Opfer gefallen war, kam es im jüdischen Großmarkt „Hyper Cachet“ an der Porte de Vincennes im 12. Pariser Bezirk zu einer weiteren Bluttat. Der mit den Akteuren des Verbrechens liierte Terrorist, der bereits am 8. Juni in Montrouge eine Polizistin erschossen hatte, brachte mehrere Geiseln in seine Gewalt, bis Gendarmen das Objekt stürmten und den gleichfalls schwerbewaffneten Täter töteten, nachdem er vier Geiseln erschossen hatte.

Der Redaktion von „Charlie Hebdo“ wurde seitens offizieller französischer Stellen wie von den Medien erhebliche Hilfe zuteil, was das Weitererscheinen des kleinen Blattes in einer sensationell hohen (einmaligen) Auflage von drei Millionen ermöglichte. Die Linkskräfte der Grande Nation reagierten sofort. Der marxistisch-leninistische „Pol der kommunistischen Wiedergeburt in Frankreich“ (PRCF) verurteilte die nur den Rechten und Faschisierern in die Hände spielende Bluttat unter eindeutiger Kennzeichnung des Frontverlaufs auf das entschiedenste. Paul Laurent, Nationalsekretär der FKP, stellte in einer Presseerklärung fest: „Keine politische Operation wird uns davon abbringen, allen Opfern der Gewalt unsere Ehre zu erweisen und die Botschaft der republikanischen Brüderlichkeit, die uns beseelt, zu übermitteln.“ Erneut werde Haß gesät, um die Schuld an der Verschärfung jeglicher Spannungen in der Welt, an Kriegen und angeblichen Antworten auf Terrorismus zu verschleiern. Nach der schrecklichen Woche mit insgesamt 17 Toten aus der Equipe von „Charlie Hebdo“, den Polizeikräften und der jüdischen Gemeinde seien Millionen Menschen in ganz Frankreich bereit, nicht nur der Opfer zu gedenken, sondern auch das Recht auf freie Meinungsäußerung, eine weltliche Sicht und die Werte der Republik zu verteidigen.

Die New Yorker kommunistische Internet-Zeitung „People’s World“ verurteilte schärfstens die von den drei französischen Bürgern algerischer Abstammung begangenen Verbrechen und charakterisierte „Charlie Hebdo“ als ein Satire-Magazin, das sowohl den Propheten Mohammed und den Koran als auch die römisch-katholische Kirche, den orthodoxen Judaismus und Politiker unterschiedlichster Richtungen der Lächerlichkeit preisgegeben habe. Neben äußerst beeindruckenden Arbeiten mit klarer Aussage habe es in dem Blatt auch nicht an Umstrittenem gefehlt. Die Zeitschrift stehe einerseits in der antiklerikalen Tradition der französischen Linken, erfreue sich andererseits aber auch bei Anhängern antimuslimischer und ausländerfeindlicher Auffassungen einer gewissen Resonanz.

Die jüngsten Anschläge in Paris begünstigten zweifellos jene, schreibt „People’s World“, welche Frankreichs 4,7 Millionen Bürger und Einwohner muslimischen Glaubens (7% der Bevölkerung!) ohnehin noch schärferer Diskriminierung zu unterwerfen bestrebt seien. Islamische Organisationen in Frankreich und Regierungen von Staaten mit moslemischer Mehrheit, aber auch andere politische Kräfte haben in Botschaften an Präsident Hollande das furchtbare Geschehen in Paris scharf verurteilt. „Regierung und Volk Venezuelas weisen die terroristischen Attacken zurück und drücken Frankreich, mit dem sie sich in Liebe verbunden fühlen, ihre Solidarität aus“, mailte Präsident Nicolas Maduro aus Caracas.

Neben Verlierern und Leidtragenden gibt es aber auch eindeutige Gewinner. Schon ist an der Seine davon die Rede, daß die Salven auf „Charlie Hebdo“ Wasser auf die Mühlen von Marine Le Pen seien. Sie könnte als Führerin des „minderrassige“ Einwanderer nach Frankreich mit Haß überziehenden und bei aller populistischen Schminke unverkennbar faschistoiden Front National schon bald in den Élysée-Palast geschwemmt werden. Man erinnere sich daran, daß diese Rechtsaußenformation bei den vorjährigen Wahlen zum Europaparlament in Frankreich jede vierte Stimme erhalten hat! Le Pens Antwort auf die Pariser Attentate war der Ruf nach sofortiger Wiedereinführung der Todesstrafe.

Die Situation bleibt explosiv. Millionen junge Moslems, deren Familien meist aus Nordafrika einwanderten, sind ebenso frustriert wie das Heer der Flüchtlinge und arbeitsuchenden Migranten, von den schärfster Diskriminierung unterworfenen Roma ganz zu schweigen.

Während die rechtsbürgerliche UMP des früheren Präsidenten Sarkozy weiter Öl ins Feuer gießt, rühren der angeblich sozialistische Präsident Hollande und sein noch akzentuierter rechtsgerichteter Premier Valls bei aller Schaumschlägerei keinen Finger, um die Lage tatsächlich zu entspannen. Alle starren wie das Kaninchen auf die Schlange auf Marine Le Pens rasch weiter an Einfluß gewinnende FN. Was die Pariser Außenpolitik in bezug auf den arabischen Raum betrifft, so besteht Hollandes Hauptziel unverkennbar im Sturz des syrischen Präsidenten Assad – ein Betreiben, das extremen Islamisten offen in die Hände spielt.

Zurück zu „Charlie Hebdo“: Wir versichern den von diesem blutigen Anschlag auf die Pressefreiheit betroffenen Pariser Kollegen unsere volle Solidarität!

RF, gestützt auf „Le Monde“ und „Humanité“, Paris, und „People’s World“, New York